Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

gelegt, den noch zu vermehren er jetzt ver-
schmähen konnte.

Das Alles erzählte mir Bendel unter
häufigen Thränen, und weinte dann wieder vor
Freuden, daß er mich wieder sah, mich wieder
hatte, und daß, nachdem er lange gezweifelt,
wohin das Unglück mich gebracht haben möchte,
er mich es ruhig und gefaßt ertragen sah.
Denn solche Gestaltung hatte nun die Verzweif-
lung in mir genommen. Ich sah mein Elend
riesengroß, unwandelbar vor mir, ich hatte ihm
meine Thränen ausgeweint, es konnte kein Ge-
schrei mehr aus meiner Brust pressen, ich trug
ihm kalt und gleichgültig mein entblößtes Haupt
entgegen.

"Bendel," hub ich an, "Du weißt mein
Loos. Nicht ohne früheres Verschulden trifft
mich schwere Strafe. Du sollst länger nicht,
unschuldiger Mann, Dein Schicksal an das meine
binden, ich will es nicht. Ich reite die Nacht
noch fort, sattle mir ein Pferd, ich reite allein;
du bleibst, ich will's. Es müssen hier noch

gelegt, den noch zu vermehren er jetzt ver-
ſchmähen konnte.

Das Alles erzählte mir Bendel unter
häufigen Thränen, und weinte dann wieder vor
Freuden, daß er mich wieder ſah, mich wieder
hatte, und daß, nachdem er lange gezweifelt,
wohin das Unglück mich gebracht haben möchte,
er mich es ruhig und gefaßt ertragen ſah.
Denn ſolche Geſtaltung hatte nun die Verzweif-
lung in mir genommen. Ich ſah mein Elend
rieſengroß, unwandelbar vor mir, ich hatte ihm
meine Thränen ausgeweint, es konnte kein Ge-
ſchrei mehr aus meiner Bruſt preſſen, ich trug
ihm kalt und gleichgültig mein entblößtes Haupt
entgegen.

Bendel,„ hub ich an, “Du weißt mein
Loos. Nicht ohne früheres Verſchulden trifft
mich ſchwere Strafe. Du ſollſt länger nicht,
unſchuldiger Mann, Dein Schickſal an das meine
binden, ich will es nicht. Ich reite die Nacht
noch fort, ſattle mir ein Pferd, ich reite allein;
du bleibſt, ich will’s. Es müſſen hier noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0117" n="89"/>
gelegt, den noch zu vermehren er jetzt ver-<lb/>
&#x017F;chmähen konnte.</p><lb/>
        <p>Das Alles erzählte mir <hi rendition="#g">Bendel</hi> unter<lb/>
häufigen Thränen, und weinte dann wieder vor<lb/>
Freuden, daß er mich wieder &#x017F;ah, mich wieder<lb/>
hatte, und daß, nachdem er lange gezweifelt,<lb/>
wohin das Unglück mich gebracht haben möchte,<lb/>
er mich es ruhig und gefaßt ertragen &#x017F;ah.<lb/>
Denn &#x017F;olche Ge&#x017F;taltung hatte nun die Verzweif-<lb/>
lung in mir genommen. Ich &#x017F;ah mein Elend<lb/>
rie&#x017F;engroß, unwandelbar vor mir, ich hatte ihm<lb/>
meine Thränen ausgeweint, es konnte kein Ge-<lb/>
&#x017F;chrei mehr aus meiner Bru&#x017F;t pre&#x017F;&#x017F;en, ich trug<lb/>
ihm kalt und gleichgültig mein entblößtes Haupt<lb/>
entgegen.</p><lb/>
        <p>&#x201C;<hi rendition="#g">Bendel</hi>,&#x201E; hub ich an, &#x201C;Du weißt mein<lb/>
Loos. Nicht ohne früheres Ver&#x017F;chulden trifft<lb/>
mich &#x017F;chwere Strafe. Du &#x017F;oll&#x017F;t länger nicht,<lb/>
un&#x017F;chuldiger Mann, Dein Schick&#x017F;al an das meine<lb/>
binden, ich will es nicht. Ich reite die Nacht<lb/>
noch fort, &#x017F;attle mir ein Pferd, ich reite allein;<lb/>
du bleib&#x017F;t, ich will&#x2019;s. Es mü&#x017F;&#x017F;en hier noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0117] gelegt, den noch zu vermehren er jetzt ver- ſchmähen konnte. Das Alles erzählte mir Bendel unter häufigen Thränen, und weinte dann wieder vor Freuden, daß er mich wieder ſah, mich wieder hatte, und daß, nachdem er lange gezweifelt, wohin das Unglück mich gebracht haben möchte, er mich es ruhig und gefaßt ertragen ſah. Denn ſolche Geſtaltung hatte nun die Verzweif- lung in mir genommen. Ich ſah mein Elend rieſengroß, unwandelbar vor mir, ich hatte ihm meine Thränen ausgeweint, es konnte kein Ge- ſchrei mehr aus meiner Bruſt preſſen, ich trug ihm kalt und gleichgültig mein entblößtes Haupt entgegen. “Bendel,„ hub ich an, “Du weißt mein Loos. Nicht ohne früheres Verſchulden trifft mich ſchwere Strafe. Du ſollſt länger nicht, unſchuldiger Mann, Dein Schickſal an das meine binden, ich will es nicht. Ich reite die Nacht noch fort, ſattle mir ein Pferd, ich reite allein; du bleibſt, ich will’s. Es müſſen hier noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/117
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/117>, abgerufen am 21.11.2024.