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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

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erwiederte ich, "mag nun sehr gleichgültig sein,
doch so viel," log ich ihm unverschämt vor:
"In Rußland, wo er im vorigen Winter eine
Reise that, fror ihm einmal, bei einer außer-
ordentlichen Kälte, sein Schatten dergestalt am
Boden fest, daß er ihn nicht wieder loß bekom-
men konnte."

"Der falsche Schlagschatten, den ich ihm
malen könnte," erwiederte der Professor, "wür-
de doch nur ein solcher sein, den er bei der
leisesten Bewegung wieder verlieren müßte, --
zumal wer an dem eignen angebornen Schatten
so wenig fest hing, als aus Ihrer Erzählung
selbst sich abnehmen läßt; wer keinen Schatten
hat, gehe nicht in die Sonne, das ist das Ver-
nünftigste und Sicherste." Er stand auf und
entfernte sich, indem er auf mich einen durch-
bohrenden Blick warf, den der meine nicht er-
tragen konnte. Ich sank in meinen Sessel zu-
rück, und verhüllte mein Gesicht in meine
Hände.

So fand mich noch Bendel, als er her-
ein trat. Er sah den Schmerz seines Herrn, und

erwiederte ich, “mag nun ſehr gleichgültig ſein,
doch ſo viel,„ log ich ihm unverſchämt vor:
“In Rußland, wo er im vorigen Winter eine
Reiſe that, fror ihm einmal, bei einer außer-
ordentlichen Kälte, ſein Schatten dergeſtalt am
Boden feſt, daß er ihn nicht wieder loß bekom-
men konnte.„

“Der falſche Schlagſchatten, den ich ihm
malen könnte,„ erwiederte der Profeſſor, “wür-
de doch nur ein ſolcher ſein, den er bei der
leiſeſten Bewegung wieder verlieren müßte, —
zumal wer an dem eignen angebornen Schatten
ſo wenig feſt hing, als aus Ihrer Erzählung
ſelbſt ſich abnehmen läßt; wer keinen Schatten
hat, gehe nicht in die Sonne, das iſt das Ver-
nünftigſte und Sicherſte.„ Er ſtand auf und
entfernte ſich, indem er auf mich einen durch-
bohrenden Blick warf, den der meine nicht er-
tragen konnte. Ich ſank in meinen Seſſel zu-
rück, und verhüllte mein Geſicht in meine
Hände.

So fand mich noch Bendel, als er her-
ein trat. Er ſah den Schmerz ſeines Herrn, und

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[29/0053] erwiederte ich, “mag nun ſehr gleichgültig ſein, doch ſo viel,„ log ich ihm unverſchämt vor: “In Rußland, wo er im vorigen Winter eine Reiſe that, fror ihm einmal, bei einer außer- ordentlichen Kälte, ſein Schatten dergeſtalt am Boden feſt, daß er ihn nicht wieder loß bekom- men konnte.„ “Der falſche Schlagſchatten, den ich ihm malen könnte,„ erwiederte der Profeſſor, “wür- de doch nur ein ſolcher ſein, den er bei der leiſeſten Bewegung wieder verlieren müßte, — zumal wer an dem eignen angebornen Schatten ſo wenig feſt hing, als aus Ihrer Erzählung ſelbſt ſich abnehmen läßt; wer keinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne, das iſt das Ver- nünftigſte und Sicherſte.„ Er ſtand auf und entfernte ſich, indem er auf mich einen durch- bohrenden Blick warf, den der meine nicht er- tragen konnte. Ich ſank in meinen Seſſel zu- rück, und verhüllte mein Geſicht in meine Hände. So fand mich noch Bendel, als er her- ein trat. Er ſah den Schmerz ſeines Herrn, und

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/53>, abgerufen am 24.11.2024.