Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.Erspare mir, lieber Freund, die schmerzliche Ich ertrug es länger nicht. Salzige Ströme Ich brachte die Nacht schlaflos zu. Am an- Erſpare mir, lieber Freund, die ſchmerzliche Ich ertrug es länger nicht. Salzige Ströme Ich brachte die Nacht ſchlaflos zu. Am an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0047" n="39"/> <p>Erſpare mir, lieber Freund, die ſchmerzliche<lb/> Wiederholung alles deſſen, was ich erdulden muß-<lb/> te. Die Frauen bezeugten oft das tiefſte Mit-<lb/> leid, das ich ihnen einflößte; Aeußerungen, die<lb/> mir die Seele nicht minder durchbohrten, als der<lb/> Hohn der Jugend und die hochmüthige Verach-<lb/> tung der Männer, beſonders ſolcher dicken, wohl-<lb/> beleibten, die ſelbſt einen breiten Schatten war-<lb/> fen. Ein ſchönes, holdes Mädchen, die, wie es<lb/> ſchien, ihre Eltern begleitete, indem dieſe bedäch-<lb/> tig nur vor ihre Füße ſahen, wandte von unge-<lb/> fähr ihr leuchtendes Auge auf mich; ſie erſchrak<lb/> ſichtbarlich, da ſie meine Schattenloſigkeit bemerk-<lb/> te, verhüllte ihr ſchönes Antlitz in ihren Schleier,<lb/> ließ den Kopf ſinken, und ging lautlos vorüber.</p><lb/> <p>Ich ertrug es länger nicht. Salzige Ströme<lb/> brachen aus meinen Augen, und mit durchſchnit-<lb/> tenem Herzen zog ich mich ſchwankend in’s Dun-<lb/> kel zurück. Ich mußte mich an den Häuſern hal-<lb/> ten, um meine Schritte zu ſichern, und erreichte<lb/> langſam und ſpät meine Wohnung.</p><lb/> <p>Ich brachte die Nacht ſchlaflos zu. Am an-<lb/> dern Tage war meine erſte Sorge, nach dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [39/0047]
Erſpare mir, lieber Freund, die ſchmerzliche
Wiederholung alles deſſen, was ich erdulden muß-
te. Die Frauen bezeugten oft das tiefſte Mit-
leid, das ich ihnen einflößte; Aeußerungen, die
mir die Seele nicht minder durchbohrten, als der
Hohn der Jugend und die hochmüthige Verach-
tung der Männer, beſonders ſolcher dicken, wohl-
beleibten, die ſelbſt einen breiten Schatten war-
fen. Ein ſchönes, holdes Mädchen, die, wie es
ſchien, ihre Eltern begleitete, indem dieſe bedäch-
tig nur vor ihre Füße ſahen, wandte von unge-
fähr ihr leuchtendes Auge auf mich; ſie erſchrak
ſichtbarlich, da ſie meine Schattenloſigkeit bemerk-
te, verhüllte ihr ſchönes Antlitz in ihren Schleier,
ließ den Kopf ſinken, und ging lautlos vorüber.
Ich ertrug es länger nicht. Salzige Ströme
brachen aus meinen Augen, und mit durchſchnit-
tenem Herzen zog ich mich ſchwankend in’s Dun-
kel zurück. Ich mußte mich an den Häuſern hal-
ten, um meine Schritte zu ſichern, und erreichte
langſam und ſpät meine Wohnung.
Ich brachte die Nacht ſchlaflos zu. Am an-
dern Tage war meine erſte Sorge, nach dem
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