Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

del," rief ich ihm zu, "Bendel! Du Einzi-
ger, der Du meine Leiden siehst und ehrst, sie
nicht erforschen zu wollen, sondern still und fromm
mit zu fühlen scheinst, komm zu mir, Bendel,
und sei der Nächste meinem Herzen. Die Schätze
meines Goldes hab' ich vor Dir nicht verschlos-
sen, nicht verschließen will ich vor Dir die Schätze
meines Grames. -- Bendel, verlasse mich nicht.
Bendel, Du siehst mich reich, freigebig, gütig,
Du wähnst, es sollte die Welt mich verherrlichen,
und Du siehst mich die Welt flieh'n und mich
vor ihr verschließen. Bendel, sie hat gerichtet,
die Welt, und mich verstoßen, und auch Du
vielleicht wirst Dich von mir wenden, wenn Du
mein schreckliches Geheimniß erfährst: Bendel,
ich bin reich, freigebig, gütig, aber -- o Gott! --
ich habe keinen Schatten!" --

"Keinen Schatten?" rief der gute Junge
erschreckt aus, und die hellen Thränen stürzten
ihm aus den Augen. -- "Weh mir, daß ich ge-
boren ward, einem schattenlosen Herrn zu die-
nen!" Er schwieg, und ich hielt mein Gesicht
in meinen Händen. --

del,» rief ich ihm zu, «Bendel! Du Einzi-
ger, der Du meine Leiden ſiehſt und ehrſt, ſie
nicht erforſchen zu wollen, ſondern ſtill und fromm
mit zu fühlen ſcheinſt, komm zu mir, Bendel,
und ſei der Nächſte meinem Herzen. Die Schätze
meines Goldes hab’ ich vor Dir nicht verſchloſ-
ſen, nicht verſchließen will ich vor Dir die Schätze
meines Grames. — Bendel, verlaſſe mich nicht.
Bendel, Du ſiehſt mich reich, freigebig, gütig,
Du wähnſt, es ſollte die Welt mich verherrlichen,
und Du ſiehſt mich die Welt flieh’n und mich
vor ihr verſchließen. Bendel, ſie hat gerichtet,
die Welt, und mich verſtoßen, und auch Du
vielleicht wirſt Dich von mir wenden, wenn Du
mein ſchreckliches Geheimniß erfährſt: Bendel,
ich bin reich, freigebig, gütig, aber — o Gott! —
ich habe keinen Schatten!» —

«Keinen Schatten?» rief der gute Junge
erſchreckt aus, und die hellen Thränen ſtürzten
ihm aus den Augen. — «Weh mir, daß ich ge-
boren ward, einem ſchattenloſen Herrn zu die-
nen!» Er ſchwieg, und ich hielt mein Geſicht
in meinen Händen. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0055" n="47"/>
del,</hi>» rief ich ihm zu, «<hi rendition="#g">Bendel!</hi> Du Einzi-<lb/>
ger, der Du meine Leiden &#x017F;ieh&#x017F;t und ehr&#x017F;t, &#x017F;ie<lb/>
nicht erfor&#x017F;chen zu wollen, &#x017F;ondern &#x017F;till und fromm<lb/>
mit zu fühlen &#x017F;chein&#x017F;t, komm zu mir, <hi rendition="#g">Bendel,</hi><lb/>
und &#x017F;ei der Näch&#x017F;te meinem Herzen. Die Schätze<lb/>
meines Goldes hab&#x2019; ich vor Dir nicht ver&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, nicht ver&#x017F;chließen will ich vor Dir die Schätze<lb/>
meines Grames. &#x2014; <hi rendition="#g">Bendel,</hi> verla&#x017F;&#x017F;e mich nicht.<lb/><hi rendition="#g">Bendel,</hi> Du &#x017F;ieh&#x017F;t mich reich, freigebig, gütig,<lb/>
Du wähn&#x017F;t, es &#x017F;ollte die Welt mich verherrlichen,<lb/>
und Du &#x017F;ieh&#x017F;t mich die Welt flieh&#x2019;n und mich<lb/>
vor ihr ver&#x017F;chließen. <hi rendition="#g">Bendel,</hi> &#x017F;ie hat gerichtet,<lb/>
die Welt, und mich ver&#x017F;toßen, und auch Du<lb/>
vielleicht wir&#x017F;t Dich von mir wenden, wenn Du<lb/>
mein &#x017F;chreckliches Geheimniß erfähr&#x017F;t: <hi rendition="#g">Bendel,</hi><lb/>
ich bin reich, freigebig, gütig, aber &#x2014; o Gott! &#x2014;<lb/>
ich habe keinen Schatten!» &#x2014;</p><lb/>
        <p>«Keinen Schatten?» rief der gute Junge<lb/>
er&#x017F;chreckt aus, und die hellen Thränen &#x017F;türzten<lb/>
ihm aus den Augen. &#x2014; «Weh mir, daß ich ge-<lb/>
boren ward, einem &#x017F;chattenlo&#x017F;en Herrn zu die-<lb/>
nen!» Er &#x017F;chwieg, und ich hielt mein <choice><sic>Ge&#x017F;ich</sic><corr>Ge&#x017F;icht</corr></choice><lb/>
in meinen Händen. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0055] del,» rief ich ihm zu, «Bendel! Du Einzi- ger, der Du meine Leiden ſiehſt und ehrſt, ſie nicht erforſchen zu wollen, ſondern ſtill und fromm mit zu fühlen ſcheinſt, komm zu mir, Bendel, und ſei der Nächſte meinem Herzen. Die Schätze meines Goldes hab’ ich vor Dir nicht verſchloſ- ſen, nicht verſchließen will ich vor Dir die Schätze meines Grames. — Bendel, verlaſſe mich nicht. Bendel, Du ſiehſt mich reich, freigebig, gütig, Du wähnſt, es ſollte die Welt mich verherrlichen, und Du ſiehſt mich die Welt flieh’n und mich vor ihr verſchließen. Bendel, ſie hat gerichtet, die Welt, und mich verſtoßen, und auch Du vielleicht wirſt Dich von mir wenden, wenn Du mein ſchreckliches Geheimniß erfährſt: Bendel, ich bin reich, freigebig, gütig, aber — o Gott! — ich habe keinen Schatten!» — «Keinen Schatten?» rief der gute Junge erſchreckt aus, und die hellen Thränen ſtürzten ihm aus den Augen. — «Weh mir, daß ich ge- boren ward, einem ſchattenloſen Herrn zu die- nen!» Er ſchwieg, und ich hielt mein Geſicht in meinen Händen. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/55
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/55>, abgerufen am 22.12.2024.