Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder unter die Menschen, und begann eine
Rolle in der Welt zu spielen. Ich mußte frei-
lich viele Eigenheiten und Launen scheinbar an-
nehmen. Solche stehen aber dem Reichen gut,
und so lange die Wahrheit nur verborgen blieb,
genoß ich aller der Ehre und Achtung, die mei-
nem Golde zukam. Ich sah ruhiger dem über
Jahr und Tag verheißenen Besuch des räthsel-
haften Unbekannten entgegen.

Ich fühlte sehr wohl, daß ich mich nicht
lange an einem Ort aufhalten durfte, wo man
mich schon ohne Schatten gesehen, und wo ich
leicht verrathen werden konnte; auch dacht' ich
vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei
Herrn John gezeigt, und es war mir eine drük-
kende Erinnerung, demnach wollt' ich hier blos
Probe halten, um anderswo leichter und zuver-
sichtlicher auftreten zu können -- doch fand sich,
was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit fest-
hielt: das ist im Menschen, wo der Anker am
zuverläßigsten Grund faßt.

Eben die schöne Fanny, der ich am dritten
Ort wieder begegnete, schenkte mir, ohne sich zu

4

wieder unter die Menſchen, und begann eine
Rolle in der Welt zu ſpielen. Ich mußte frei-
lich viele Eigenheiten und Launen ſcheinbar an-
nehmen. Solche ſtehen aber dem Reichen gut,
und ſo lange die Wahrheit nur verborgen blieb,
genoß ich aller der Ehre und Achtung, die mei-
nem Golde zukam. Ich ſah ruhiger dem über
Jahr und Tag verheißenen Beſuch des räthſel-
haften Unbekannten entgegen.

Ich fühlte ſehr wohl, daß ich mich nicht
lange an einem Ort aufhalten durfte, wo man
mich ſchon ohne Schatten geſehen, und wo ich
leicht verrathen werden konnte; auch dacht’ ich
vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei
Herrn John gezeigt, und es war mir eine drük-
kende Erinnerung, demnach wollt’ ich hier blos
Probe halten, um anderswo leichter und zuver-
ſichtlicher auftreten zu können — doch fand ſich,
was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit feſt-
hielt: das iſt im Menſchen, wo der Anker am
zuverläßigſten Grund faßt.

Eben die ſchöne Fanny, der ich am dritten
Ort wieder begegnete, ſchenkte mir, ohne ſich zu

4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="49"/>
wieder unter die Men&#x017F;chen, und begann eine<lb/>
Rolle in der Welt zu &#x017F;pielen. Ich mußte frei-<lb/>
lich viele Eigenheiten und Launen &#x017F;cheinbar an-<lb/>
nehmen. Solche &#x017F;tehen aber dem Reichen gut,<lb/>
und &#x017F;o lange die Wahrheit nur verborgen blieb,<lb/>
genoß ich aller der Ehre und Achtung, die mei-<lb/>
nem Golde zukam. Ich &#x017F;ah ruhiger dem über<lb/>
Jahr und Tag verheißenen Be&#x017F;uch des räth&#x017F;el-<lb/>
haften Unbekannten entgegen.</p><lb/>
        <p>Ich fühlte &#x017F;ehr wohl, daß ich mich nicht<lb/>
lange an einem Ort aufhalten durfte, wo man<lb/>
mich &#x017F;chon ohne Schatten ge&#x017F;ehen, und wo ich<lb/>
leicht verrathen werden konnte; auch dacht&#x2019; ich<lb/>
vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei<lb/>
Herrn <hi rendition="#g">John</hi> gezeigt, und es war mir eine drük-<lb/>
kende Erinnerung, demnach wollt&#x2019; ich hier blos<lb/>
Probe halten, um anderswo leichter und zuver-<lb/>
&#x017F;ichtlicher auftreten zu können &#x2014; doch fand &#x017F;ich,<lb/>
was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit fe&#x017F;t-<lb/>
hielt: das i&#x017F;t im Men&#x017F;chen, wo der Anker am<lb/>
zuverläßig&#x017F;ten Grund faßt.</p><lb/>
        <p>Eben die &#x017F;chöne <hi rendition="#g">Fanny,</hi> der ich am dritten<lb/>
Ort wieder begegnete, &#x017F;chenkte mir, ohne &#x017F;ich zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0057] wieder unter die Menſchen, und begann eine Rolle in der Welt zu ſpielen. Ich mußte frei- lich viele Eigenheiten und Launen ſcheinbar an- nehmen. Solche ſtehen aber dem Reichen gut, und ſo lange die Wahrheit nur verborgen blieb, genoß ich aller der Ehre und Achtung, die mei- nem Golde zukam. Ich ſah ruhiger dem über Jahr und Tag verheißenen Beſuch des räthſel- haften Unbekannten entgegen. Ich fühlte ſehr wohl, daß ich mich nicht lange an einem Ort aufhalten durfte, wo man mich ſchon ohne Schatten geſehen, und wo ich leicht verrathen werden konnte; auch dacht’ ich vielleicht nur allein noch daran, wie ich mich bei Herrn John gezeigt, und es war mir eine drük- kende Erinnerung, demnach wollt’ ich hier blos Probe halten, um anderswo leichter und zuver- ſichtlicher auftreten zu können — doch fand ſich, was mich eine Zeitlang an meiner Eitelkeit feſt- hielt: das iſt im Menſchen, wo der Anker am zuverläßigſten Grund faßt. Eben die ſchöne Fanny, der ich am dritten Ort wieder begegnete, ſchenkte mir, ohne ſich zu 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/57
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/57>, abgerufen am 22.12.2024.