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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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ich mich ganz sicher fühlte. Es blieb mir nichts
zu erinnern, ich mußte meine Diener loben.

Es dunkelte der Abend. Die Gäste erschie-
nen und wurden mir vorgestellt. Es ward die
Majestät nicht mehr berührt; aber ich hieß in
tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was
sollt' ich thun? Ich ließ mir den Grafen ge-
fallen, und blieb von Stund' an der Graf Pe-
ter.
Mitten im festlichen Gewühle begehrte
meine Seele nur nach der Einen. Spät er-
schien sie, sie, die die Krone war und trug.
Sie folgte sittsam ihren Eltern, und schien nicht
zu wissen, daß sie die Schönste sei. Es wur-
den mir der Herr Forstmeister, seine Frau und
seine Tochter vorgestellt. Ich wußte den Alten
viel Angenehmes und Verbindliches zu sagen;
vor der Tochter stand ich wie ein ausgescholte-
ner Knabe da, und vermochte kein Wort hervor
zu lallen. Ich bat sie endlich stammelnd, dies
Fest zu würdigen, das Amt, dessen Zeichen sie
schmückte, darin zu verwalten. Sie bat ver-
schämt mit einem rührenden Blick um Scho-
nung; aber verschämter vor ihr, als sie selbst,
brachte ich ihr als erster Unterthan meine Hul-

ich mich ganz ſicher fühlte. Es blieb mir nichts
zu erinnern, ich mußte meine Diener loben.

Es dunkelte der Abend. Die Gäſte erſchie-
nen und wurden mir vorgeſtellt. Es ward die
Majeſtät nicht mehr berührt; aber ich hieß in
tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was
ſollt’ ich thun? Ich ließ mir den Grafen ge-
fallen, und blieb von Stund’ an der Graf Pe-
ter.
Mitten im feſtlichen Gewühle begehrte
meine Seele nur nach der Einen. Spät er-
ſchien ſie, ſie, die die Krone war und trug.
Sie folgte ſittſam ihren Eltern, und ſchien nicht
zu wiſſen, daß ſie die Schönſte ſei. Es wur-
den mir der Herr Forſtmeiſter, ſeine Frau und
ſeine Tochter vorgeſtellt. Ich wußte den Alten
viel Angenehmes und Verbindliches zu ſagen;
vor der Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholte-
ner Knabe da, und vermochte kein Wort hervor
zu lallen. Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies
Feſt zu würdigen, das Amt, deſſen Zeichen ſie
ſchmückte, darin zu verwalten. Sie bat ver-
ſchämt mit einem rührenden Blick um Scho-
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[59/0069] ich mich ganz ſicher fühlte. Es blieb mir nichts zu erinnern, ich mußte meine Diener loben. Es dunkelte der Abend. Die Gäſte erſchie- nen und wurden mir vorgeſtellt. Es ward die Majeſtät nicht mehr berührt; aber ich hieß in tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was ſollt’ ich thun? Ich ließ mir den Grafen ge- fallen, und blieb von Stund’ an der Graf Pe- ter. Mitten im feſtlichen Gewühle begehrte meine Seele nur nach der Einen. Spät er- ſchien ſie, ſie, die die Krone war und trug. Sie folgte ſittſam ihren Eltern, und ſchien nicht zu wiſſen, daß ſie die Schönſte ſei. Es wur- den mir der Herr Forſtmeiſter, ſeine Frau und ſeine Tochter vorgeſtellt. Ich wußte den Alten viel Angenehmes und Verbindliches zu ſagen; vor der Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholte- ner Knabe da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen. Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies Feſt zu würdigen, das Amt, deſſen Zeichen ſie ſchmückte, darin zu verwalten. Sie bat ver- ſchämt mit einem rührenden Blick um Scho- nung; aber verſchämter vor ihr, als ſie ſelbſt, brachte ich ihr als erſter Unterthan meine Hul-

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/69>, abgerufen am 22.12.2024.