Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

"Nein, Herr Graf, der ist in zu guten
Händen, den behalten Sie." -- Ich sah ihn mit
stieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr
fort: "Ich erbitte mir blos eine Kleinigkeit zum
Andenken: Sie sind nur so gut, und unterschrei-
ben mir den Zettel da." -- Auf dem Perga-
ment standen die Worte:

"Kraft dieser meiner Unterschrift vermache
ich dem Inhaber dieses meine Seele nach
ihrer natürlichen Trennung von meinem
Leibe."

Ich sah mit stummem Staunen die Schrift
und den grauen Unbekannten abwechselnd an. --
Er hatte unterdessen mit einer neu geschnittenen
Feder einen Tropfen Bluts aufgefangen, der
mir aus einem frischen Dornenriß auf die Hand
floß, und hielt sie mir hin. --

"Wer sind Sie denn?" frug ich ihn endlich.
"Was thut's," gab er mir zur Antwort, "und
sieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel,
gleichsam so eine Art von Gelehrten und Phy-
sikus, der von seinen Freunden für vortreffliche

«Nein, Herr Graf, der iſt in zu guten
Händen, den behalten Sie.» — Ich ſah ihn mit
ſtieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr
fort: «Ich erbitte mir blos eine Kleinigkeit zum
Andenken: Sie ſind nur ſo gut, und unterſchrei-
ben mir den Zettel da.» — Auf dem Perga-
ment ſtanden die Worte:

«Kraft dieſer meiner Unterſchrift vermache
ich dem Inhaber dieſes meine Seele nach
ihrer natürlichen Trennung von meinem
Leibe.»

Ich ſah mit ſtummem Staunen die Schrift
und den grauen Unbekannten abwechſelnd an. —
Er hatte unterdeſſen mit einer neu geſchnittenen
Feder einen Tropfen Bluts aufgefangen, der
mir aus einem friſchen Dornenriß auf die Hand
floß, und hielt ſie mir hin. —

«Wer ſind Sie denn?» frug ich ihn endlich.
«Was thut’s,» gab er mir zur Antwort, «und
ſieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel,
gleichſam ſo eine Art von Gelehrten und Phy-
ſikus, der von ſeinen Freunden für vortreffliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0091" n="79"/>
        <p>«Nein, Herr Graf, der i&#x017F;t in zu guten<lb/>
Händen, den behalten Sie.» &#x2014; Ich &#x017F;ah ihn mit<lb/>
&#x017F;tieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr<lb/>
fort: «Ich erbitte mir blos eine Kleinigkeit zum<lb/>
Andenken: Sie &#x017F;ind nur &#x017F;o gut, und unter&#x017F;chrei-<lb/>
ben mir den Zettel da.» &#x2014; Auf dem Perga-<lb/>
ment &#x017F;tanden die Worte:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>«Kraft die&#x017F;er meiner Unter&#x017F;chrift vermache<lb/><hi rendition="#et">ich dem Inhaber die&#x017F;es meine Seele nach<lb/>
ihrer natürlichen Trennung von meinem<lb/>
Leibe.»</hi></quote>
          <bibl/>
        </cit><lb/>
        <p>Ich &#x017F;ah mit &#x017F;tummem Staunen die Schrift<lb/>
und den grauen Unbekannten abwech&#x017F;elnd an. &#x2014;<lb/>
Er hatte unterde&#x017F;&#x017F;en mit einer neu ge&#x017F;chnittenen<lb/>
Feder einen Tropfen Bluts aufgefangen, der<lb/>
mir aus einem fri&#x017F;chen Dornenriß auf die Hand<lb/>
floß, und hielt &#x017F;ie mir hin. &#x2014;</p><lb/>
        <p>«Wer &#x017F;ind Sie denn?» frug ich ihn endlich.<lb/>
«Was thut&#x2019;s,» gab er mir zur Antwort, «und<lb/>
&#x017F;ieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel,<lb/>
gleich&#x017F;am &#x017F;o eine Art von Gelehrten und Phy-<lb/>
&#x017F;ikus, der von &#x017F;einen Freunden für vortreffliche<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0091] «Nein, Herr Graf, der iſt in zu guten Händen, den behalten Sie.» — Ich ſah ihn mit ſtieren Augen, verwundert fragend an, er fuhr fort: «Ich erbitte mir blos eine Kleinigkeit zum Andenken: Sie ſind nur ſo gut, und unterſchrei- ben mir den Zettel da.» — Auf dem Perga- ment ſtanden die Worte: «Kraft dieſer meiner Unterſchrift vermache ich dem Inhaber dieſes meine Seele nach ihrer natürlichen Trennung von meinem Leibe.» Ich ſah mit ſtummem Staunen die Schrift und den grauen Unbekannten abwechſelnd an. — Er hatte unterdeſſen mit einer neu geſchnittenen Feder einen Tropfen Bluts aufgefangen, der mir aus einem friſchen Dornenriß auf die Hand floß, und hielt ſie mir hin. — «Wer ſind Sie denn?» frug ich ihn endlich. «Was thut’s,» gab er mir zur Antwort, «und ſieht man es mir nicht an? Ein armer Teufel, gleichſam ſo eine Art von Gelehrten und Phy- ſikus, der von ſeinen Freunden für vortreffliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/91
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/91>, abgerufen am 22.12.2024.