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Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.

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Jerusalem/ welche keine viertzig Jahr darnach erfolget ist :niemand nahm
auch solchen tod/wie sichs gebührete/ zu hertzen/ sondern die meiste frolock-
ten darüber/ und achteten oder verstunden nicht/ daß sie eben dadurch zu
ihrem unglück Göttlichen zorn reitzeten/ der über sie bald ausbrechen wür-
de; Jndessen gieng der Herr ein zum frieden/ da Er nicht allein seine
ruhe in dem grabe nahm/ sondern auch den völligen gebrauch seiner herr-
lichkeit antrat. Gleichwol ob wir schon unsern liebsten Heiland/ als den
kern und stern der gantzen schrifft/ gern an allen orten in dem Alten Testament wo
es müglich/ erkennen sollen/ und Jhn/ so fern diese worte von allen ge-
rechten reden/ und gleichsam eine allgemeine regel/ wie es mit ihnen herzu-
gehen pflege/ in sich fassen/ und in seiner maaß begreifen mögen : So
ists doch nicht ohne/ daß wir solche erklärung nicht vor den eigentlichen
unmittelbaren haupt-verstand dieser worte/ auff welchen der Prophet ge-
sehen hätte/ halten können : Sondern es redet der Heilige Geist hie von
allen gerechten. Wie dann in der Hebräischen sprache gar vielmal als
von einem geredet wird/ und wird doch die sache von vielen gemeinet/ als
Ps. 34/ 8. Der Engel des Herrn lagert sich um die her/ so ihn
fürchten
; da ja nicht von einem Engel/ sondern vielen/ die ein lager ma-
chen können/ geredet wird. Daß aber auch hier viele gemeinet seyen/ se-
hen wir zugleich aus dem folgenden/wann es stehet als von vielen/ Hei-
lige leute :
item/ Sie ruhen. Andere verstehen hier durch diesen ge-
rechten Jesaiam selbst/ der in Prophetischem geist durch diese worte vor-
her verkündiget habe/ wie er werde hingerichtet werden.Ob er aber auch
wol hie mit begriffen werden mag/ kan doch die eigentliche meinung nicht
auff ihn alleine gehen/ nach dem wir gesehen haben/ daß von vielen geredet
werde. Näher kämen die außleger bey/ welche die jenige gerechte oder
fromme insgesamt hie verstanden haben wollen/ die der tyrannische könig
Manasses hat hinrichten lassen; wie es abermal klar stehet 2. Kön. 21/
16. Auch vergoß Manasse sehr viel unschüldig blut/ biß daß
Jerusalem hie und da voll ward.
Nun diese sind hie auch mit ge-
meinet. Jedoch haben wir auch nicht ursach/ bey ihnen allein stehen zu
bleiben/ sondern verstehen vielmehr durch die gerechte allhier/ alle gerech-
te insgesamt zu allen zeiten/ die Gott je vor seinen gerichten abfordert.
Wie? möchte man aber sagen/ es sind ja in der welt keine gerechte/ denn
die menschen sind allzumal sünder/ und manglen des ruhms/ den
sie an Gott haben solten. Röm
. 3/ 23. woher wolten wir dann ge-
rechte nehmen? Nun ists an dem/ wo wir keine andere gerechte nennen/
oder das wort nicht anders verstehen/ als von solchen/ welche keine sünde
an sich haben/ und also vor sich selbst als gerechte/ vor Gott bestehen kön-


Jerusalem/ welche keine viertzig Jahr darnach erfolget ist :niemand nahm
auch solchen tod/wie sichs gebuͤhrete/ zu hertzen/ sondern die meiste frolock-
ten daruͤber/ und achteten oder verstunden nicht/ daß sie eben dadurch zu
ihrem ungluͤck Goͤttlichen zorn reitzeten/ der uͤber sie bald ausbrechen wuͤr-
de; Jndessen gieng der Herr ein zum frieden/ da Er nicht allein seine
ruhe in dem grabe nahm/ sondern auch den voͤlligen gebrauch seiner herr-
lichkeit antrat. Gleichwol ob wir schon unsern liebsten Heiland/ als den
kern und stern der gantzen schrifft/ gern an allen orten in dem Alten Testament wo
es muͤglich/ erkennen sollen/ und Jhn/ so fern diese worte von allen ge-
rechten reden/ und gleichsam eine allgemeine regel/ wie es mit ihnen herzu-
gehen pflege/ in sich fassen/ und in seiner maaß begreifen moͤgen : So
ists doch nicht ohne/ daß wir solche erklaͤrung nicht vor den eigentlichen
unmittelbaren haupt-verstand dieser worte/ auff welchen der Prophet ge-
sehen haͤtte/ halten koͤnnen : Sondern es redet der Heilige Geist hie von
allen gerechten. Wie dann in der Hebraͤischen sprache gar vielmal als
von einem geredet wird/ und wird doch die sache von vielen gemeinet/ als
Ps. 34/ 8. Der Engel des Herrn lagert sich um die her/ so ihn
fuͤrchten
; da ja nicht von einem Engel/ sondern vielen/ die ein lager ma-
chen koͤnnen/ geredet wird. Daß aber auch hier viele gemeinet seyen/ se-
hen wir zugleich aus dem folgenden/wann es stehet als von vielen/ Hei-
lige leute :
item/ Sie ruhen. Andere verstehen hier durch diesen ge-
rechten Jesaiam selbst/ der in Prophetischem geist durch diese worte vor-
her verkuͤndiget habe/ wie er werde hingerichtet werden.Ob er aber auch
wol hie mit begriffen werden mag/ kan doch die eigentliche meinung nicht
auff ihn alleine gehen/ nach dem wir gesehen haben/ daß von vielen geredet
werde. Naͤher kaͤmen die außleger bey/ welche die jenige gerechte oder
fromme insgesamt hie verstanden haben wollen/ die der tyrannische koͤnig
Manasses hat hinrichten lassen; wie es abermal klar stehet 2. Koͤn. 21/
16. Auch vergoß Manasse sehr viel unschuͤldig blut/ biß daß
Jerusalem hie und da voll ward.
Nun diese sind hie auch mit ge-
meinet. Jedoch haben wir auch nicht ursach/ bey ihnen allein stehen zu
bleiben/ sondern verstehen vielmehr durch die gerechte allhier/ alle gerech-
te insgesamt zu allen zeiten/ die Gott je vor seinen gerichten abfordert.
Wie? moͤchte man aber sagen/ es sind ja in der welt keine gerechte/ denn
die menschen sind allzumal suͤnder/ und manglen des ruhms/ den
sie an Gott haben solten. Roͤm
. 3/ 23. woher wolten wir dann ge-
rechte nehmen? Nun ists an dem/ wo wir keine andere gerechte nennen/
oder das wort nicht anders verstehen/ als von solchen/ welche keine suͤnde
an sich haben/ und also vor sich selbst als gerechte/ vor Gott bestehen koͤn-

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[161/0009] Jerusalem/ welche keine viertzig Jahr darnach erfolget ist :niemand nahm auch solchen tod/wie sichs gebuͤhrete/ zu hertzen/ sondern die meiste frolock- ten daruͤber/ und achteten oder verstunden nicht/ daß sie eben dadurch zu ihrem ungluͤck Goͤttlichen zorn reitzeten/ der uͤber sie bald ausbrechen wuͤr- de; Jndessen gieng der Herr ein zum frieden/ da Er nicht allein seine ruhe in dem grabe nahm/ sondern auch den voͤlligen gebrauch seiner herr- lichkeit antrat. Gleichwol ob wir schon unsern liebsten Heiland/ als den kern und stern der gantzen schrifft/ gern an allen orten in dem A. Test. wo es muͤglich/ erkennen sollen/ und Jhn/ so fern diese worte von allen ge- rechten reden/ und gleichsam eine allgemeine regel/ wie es mit ihnen herzu- gehen pflege/ in sich fassen/ und in seiner maaß begreifen moͤgen : So ists doch nicht ohne/ daß wir solche erklaͤrung nicht vor den eigentlichen unmittelbaren haupt-verstand dieser worte/ auff welchen der Prophet ge- sehen haͤtte/ halten koͤnnen : Sondern es redet der Heilige Geist hie von allen gerechten. Wie dann in der Hebraͤischen sprache gar vielmal als von einem geredet wird/ und wird doch die sache von vielen gemeinet/ als Ps. 34/ 8. Der Engel des Herrn lagert sich um die her/ so ihn fuͤrchten; da ja nicht von einem Engel/ sondern vielen/ die ein lager ma- chen koͤnnen/ geredet wird. Daß aber auch hier viele gemeinet seyen/ se- hen wir zugleich aus dem folgenden/wann es stehet als von vielen/ Hei- lige leute : item/ Sie ruhen. Andere verstehen hier durch diesen ge- rechten Jesaiam selbst/ der in Prophetischem geist durch diese worte vor- her verkuͤndiget habe/ wie er werde hingerichtet werden.Ob er aber auch wol hie mit begriffen werden mag/ kan doch die eigentliche meinung nicht auff ihn alleine gehen/ nach dem wir gesehen haben/ daß von vielen geredet werde. Naͤher kaͤmen die außleger bey/ welche die jenige gerechte oder fromme insgesamt hie verstanden haben wollen/ die der tyrannische koͤnig Manasses hat hinrichten lassen; wie es abermal klar stehet 2. Koͤn. 21/ 16. Auch vergoß Manasse sehr viel unschuͤldig blut/ biß daß Jerusalem hie und da voll ward. Nun diese sind hie auch mit ge- meinet. Jedoch haben wir auch nicht ursach/ bey ihnen allein stehen zu bleiben/ sondern verstehen vielmehr durch die gerechte allhier/ alle gerech- te insgesamt zu allen zeiten/ die Gott je vor seinen gerichten abfordert. Wie? moͤchte man aber sagen/ es sind ja in der welt keine gerechte/ denn die menschen sind allzumal suͤnder/ und manglen des ruhms/ den sie an Gott haben solten. Roͤm. 3/ 23. woher wolten wir dann ge- rechte nehmen? Nun ists an dem/ wo wir keine andere gerechte nennen/ oder das wort nicht anders verstehen/ als von solchen/ welche keine suͤnde an sich haben/ und also vor sich selbst als gerechte/ vor Gott bestehen koͤn-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/3490624_6/9>, abgerufen am 21.11.2024.