Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686.Abdanckungs-Rede. jhrem Tode aus denen häuffigen Thränen an den Augenwarhafftiger lesen lässet/ als des auffrichtigsten Redners sei- ne Worte. Denn diese Panegyristen oder Lobredner die Thränen/ wie Sie die aller Eltesten/ massen Valerius Pu- blicola dem Vater Römischer Freyheit Bruto allererst die Erste Lob und Leich-Rede gehalten/ welche nicht nur allein unter denen Lateinischen/ sondern auch denen Grichischen die erste sein soll/ obwohl Anaximenes saget/ daß Solon der zu Zeiten Tarqvinii Prisci, nach dem Aulo Gellio, denen Atheniensern Gesetze vorgeschrieben/ jhnen zu diesen Reden anlaß gegeben/ wie hiervon Plutarch[us] im Leben Valerii handelt/ dadoch schon lange zuvorher die Alt-Vä- ter jhren Todten mit Thränen parentiret; Also sind Sie auch die aller warhafftigsten/ als welche von Hertzen gehen/ und welchen das Hertz seine meinung/ so gutt als es die Augen gesehen/ Deutsch und ohne Schmeicheley der Wor- te auf den Wangen zu lesen giebet/ daß die lebendigen ver- stehen können/ ob der verstorbene gutt oder böse/ jemanden nützlich oder eine bloße Last der Erden gewesen sey/ und ob man sich über seinen Tod zu erfreuen oder zu betrüben/ zu Lachen oder zu Weinen Ursache habe. Gleichwohl kan ich nicht vorbey mich zuverwundern über die seltene Groß- Müttigkeit/ in welcher Unsere Hochseelige Jungfr. dem allerwildesten Affecten Menschlicher Natur der Begier- ligkeit mehr als Ritterlich auf den Hals getreten. Ad custodiam Pecuniae natura omnes restringimur, saget Plinius, Unsere Hände verwahren ins gemein aus natür- lichem Triebe das Geld/ wie ein Ritterlicher Feind Seine ge- wonnene Festung. Es fällt mir hier ein was ein bekand- ter Italiäner von dem mächtigen Cyro schreibet: Gantz Asien O
Abdanckungs-Rede. jhrem Tode aus denen haͤuffigen Thraͤnen an den Augenwarhafftiger leſen laͤſſet/ als des auffrichtigſten Redners ſei- ne Worte. Denn dieſe Panegyriſten oder Lobredner die Thraͤnen/ wie Sie die aller Elteſten/ maſſen Valerius Pu- blicola dem Vater Roͤmiſcher Freyheit Bruto allererſt die Erſte Lob und Leich-Rede gehalten/ welche nicht nur allein unter denen Lateiniſchen/ ſondern auch denen Grichiſchen die erſte ſein ſoll/ obwohl Anaximenes ſaget/ daß Solon der zu Zeiten Tarqvinii Priſci, nach dem Aulo Gellio, denen Athenienſern Geſetze vorgeſchrieben/ jhnen zu dieſen Reden anlaß gegeben/ wie hiervon Plutarch[us] im Leben Valerii handelt/ dadoch ſchon lange zuvorher die Alt-Vaͤ- ter jhren Todten mit Thraͤnen parentiret; Alſo ſind Sie auch die aller warhafftigſten/ als welche von Hertzen gehen/ und welchen das Hertz ſeine meinung/ ſo gutt als es die Augen geſehen/ Deutſch und ohne Schmeicheley der Wor- te auf den Wangen zu leſen giebet/ daß die lebendigen ver- ſtehen koͤnnen/ ob der verſtorbene gutt oder boͤſe/ jemanden nuͤtzlich oder eine bloße Laſt der Erden geweſen ſey/ und ob man ſich uͤber ſeinen Tod zu erfreuen oder zu betruͤben/ zu Lachen oder zu Weinen Urſache habe. Gleichwohl kan ich nicht vorbey mich zuverwundern uͤber die ſeltene Groß- Muͤttigkeit/ in welcher Unſere Hochſeelige Jungfr. dem allerwildeſten Affecten Menſchlicher Natur der Begier- ligkeit mehr als Ritterlich auf den Hals getreten. Ad cuſtodiam Pecuniæ naturâ omnes reſtringimur, ſaget Plinius, Unſere Haͤnde verwahren ins gemein aus natuͤr- lichem Triebe das Geld/ wie ein Ritterlicher Feind Seine ge- wonnene Feſtung. Es faͤllt mir hier ein was ein bekand- ter Italiaͤner von dem maͤchtigen Cyro ſchreibet: Gantz Aſien O
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="fsThanks" n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="97[105]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abdanckungs-Rede.</hi></fw><lb/> jhrem Tode aus denen haͤuffigen Thraͤnen an den Augen<lb/> warhafftiger leſen laͤſſet/ als des auffrichtigſten Redners ſei-<lb/> ne Worte. Denn dieſe <hi rendition="#aq">Panegyri</hi>ſten oder Lobredner die<lb/> Thraͤnen/ wie Sie die aller Elteſten/ maſſen <hi rendition="#aq">Valerius Pu-<lb/> blicola</hi> dem Vater Roͤmiſcher Freyheit <hi rendition="#aq">Bruto</hi> allererſt die<lb/> Erſte Lob und Leich-Rede gehalten/ welche nicht nur allein<lb/> unter denen Lateiniſchen/ ſondern auch denen Grichiſchen<lb/> die erſte ſein ſoll/ obwohl <hi rendition="#aq">Anaximenes</hi> ſaget/ daß <hi rendition="#aq">Solon</hi><lb/> der zu Zeiten <hi rendition="#aq">Tarqvinii Priſci,</hi> nach dem <hi rendition="#aq">Aulo Gellio,</hi><lb/> denen Athenienſern Geſetze vorgeſchrieben/ jhnen zu dieſen<lb/> Reden anlaß gegeben/ wie hiervon <hi rendition="#aq">Plutarch<supplied>us</supplied></hi> im Leben<lb/><hi rendition="#aq">Valerii</hi> handelt/ dadoch ſchon lange zuvorher die Alt-Vaͤ-<lb/> ter jhren Todten mit Thraͤnen <hi rendition="#aq">parenti</hi>ret; Alſo ſind Sie<lb/> auch die aller warhafftigſten/ als welche von Hertzen gehen/<lb/> und welchen das Hertz ſeine meinung/ ſo gutt als es die<lb/> Augen geſehen/ Deutſch und ohne Schmeicheley der Wor-<lb/> te auf den Wangen zu leſen giebet/ daß die lebendigen ver-<lb/> ſtehen koͤnnen/ ob der verſtorbene gutt oder boͤſe/ jemanden<lb/> nuͤtzlich oder eine bloße Laſt der Erden geweſen ſey/ und ob<lb/> man ſich uͤber ſeinen Tod zu erfreuen oder zu betruͤben/ zu<lb/> Lachen oder zu Weinen Urſache habe. Gleichwohl kan<lb/> ich nicht vorbey mich zuverwundern uͤber die ſeltene Groß-<lb/> Muͤttigkeit/ in welcher Unſere Hochſeelige Jungfr. dem<lb/> allerwildeſten <hi rendition="#aq">Affecten</hi> Menſchlicher Natur der Begier-<lb/> ligkeit mehr als Ritterlich auf den Hals getreten. <hi rendition="#aq">Ad<lb/> cuſtodiam Pecuniæ naturâ omnes reſtringimur,</hi> ſaget<lb/><hi rendition="#aq">Plinius,</hi> Unſere Haͤnde verwahren ins gemein aus natuͤr-<lb/> lichem Triebe das Geld/ wie ein Ritterlicher Feind Seine ge-<lb/> wonnene Feſtung. Es faͤllt mir hier ein was ein bekand-<lb/> ter <hi rendition="#aq">Itali</hi>aͤner von dem maͤchtigen <hi rendition="#aq">Cyro</hi> ſchreibet: Gantz<lb/> <fw place="bottom" type="sig">O</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Aſien</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [97[105]/0105]
Abdanckungs-Rede.
jhrem Tode aus denen haͤuffigen Thraͤnen an den Augen
warhafftiger leſen laͤſſet/ als des auffrichtigſten Redners ſei-
ne Worte. Denn dieſe Panegyriſten oder Lobredner die
Thraͤnen/ wie Sie die aller Elteſten/ maſſen Valerius Pu-
blicola dem Vater Roͤmiſcher Freyheit Bruto allererſt die
Erſte Lob und Leich-Rede gehalten/ welche nicht nur allein
unter denen Lateiniſchen/ ſondern auch denen Grichiſchen
die erſte ſein ſoll/ obwohl Anaximenes ſaget/ daß Solon
der zu Zeiten Tarqvinii Priſci, nach dem Aulo Gellio,
denen Athenienſern Geſetze vorgeſchrieben/ jhnen zu dieſen
Reden anlaß gegeben/ wie hiervon Plutarchus im Leben
Valerii handelt/ dadoch ſchon lange zuvorher die Alt-Vaͤ-
ter jhren Todten mit Thraͤnen parentiret; Alſo ſind Sie
auch die aller warhafftigſten/ als welche von Hertzen gehen/
und welchen das Hertz ſeine meinung/ ſo gutt als es die
Augen geſehen/ Deutſch und ohne Schmeicheley der Wor-
te auf den Wangen zu leſen giebet/ daß die lebendigen ver-
ſtehen koͤnnen/ ob der verſtorbene gutt oder boͤſe/ jemanden
nuͤtzlich oder eine bloße Laſt der Erden geweſen ſey/ und ob
man ſich uͤber ſeinen Tod zu erfreuen oder zu betruͤben/ zu
Lachen oder zu Weinen Urſache habe. Gleichwohl kan
ich nicht vorbey mich zuverwundern uͤber die ſeltene Groß-
Muͤttigkeit/ in welcher Unſere Hochſeelige Jungfr. dem
allerwildeſten Affecten Menſchlicher Natur der Begier-
ligkeit mehr als Ritterlich auf den Hals getreten. Ad
cuſtodiam Pecuniæ naturâ omnes reſtringimur, ſaget
Plinius, Unſere Haͤnde verwahren ins gemein aus natuͤr-
lichem Triebe das Geld/ wie ein Ritterlicher Feind Seine ge-
wonnene Feſtung. Es faͤllt mir hier ein was ein bekand-
ter Italiaͤner von dem maͤchtigen Cyro ſchreibet: Gantz
Aſien
O
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/358833 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/358833/105 |
Zitationshilfe: | Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686, S. 97[105]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358833/105>, abgerufen am 16.07.2024. |