Henel, Christoph: Die itzt abfallende und wandernde Blätter Als Ein Bilde des Lebens und Außganges. Schlichtingsheim, [1692].und wandernde Blätter. Und ist hievon nun kein einiger ausgenommen; Son- und
und wandernde Blaͤtter. Und iſt hievon nun kein einiger ausgenommen; Son- und
<TEI> <text> <body> <div type="fsThanks" n="1"> <pb facs="#f0007" n="7"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und wandernde Blaͤtter.</hi> </fw><lb/> <p>Und iſt hievon nun kein einiger ausgenommen; Son-<lb/> dern ein jeder traͤget an ſeinem Gantzen/ was er traͤget/<lb/> den Zettel der unvermeidlichen Eitelkeit und Sterbligkeit:<lb/> Und iſt da kein eintziges Faͤſichen oder Glied zu nennen und<lb/> zu zeigen/ was hiervon <hi rendition="#aq">privilegi</hi>ret und befreyet ſeye. Wie<lb/> wir alle von einem ungluͤckſeeligen Vater ſtammen/ und in<lb/> dem Einen Alle von dem verbothenen Baume geſſen haben:<lb/> Alſo haben wir auch alle einen Todten-Wurm zur Wurtzel/<lb/> wie die Baͤume dorten auff <hi rendition="#aq">Sumatra,</hi> (davon <hi rendition="#aq">Erasmus Fran-<lb/> ciſci P.</hi> 1. ſeines Luſt-Gartens <hi rendition="#aq">p.</hi> 760. zu beſehen/) der an uns<lb/> ſo lange zehret und friſſet/ biß er uns endlich gar verzehret<lb/> und aufgefreſſen. Und doͤrffte ich wohl bald gar ſagen/ daß<lb/> keine armſeeligere Creatur/ kein elender Blatt unter allen<lb/> Blaͤttern auf Erden als der Menſch waͤre; Weñ er nur bloß<lb/> die Erde zur Mutter/ und nicht auch den Himmel zum Va-<lb/> ter haͤtte: Wenn er nur bloß auf Erden gruͤnete/ und nicht<lb/> auch im Himmel ſtammete. Aber ſo iſt diß Einige noch das<lb/> beſte/ worinnen er auch alle andere Blaͤtter weit weit uͤber-<lb/> trifft/ daß er uͤber das Jrꝛdiſche auch noch was Goͤttliches<lb/> hat; Und ein ſolches Weſen zwiſchen ſeinen verweßlichen<lb/> Schalen und Faͤſelein wohnet/ was den Himmel zu ſeinem<lb/> Pflantz-Garten bekommen/ und die Ewigkeit zu ſeinem<lb/> Schlaff-Gemach erhalten ſoll. Jnzwiſchen aber/ und ehe<lb/> ſich das noch aus ſeiner Schale außſchaͤlet/ dahin gelanget<lb/> und verſetzet wird/ und der Menſch in dieſem verderblichen<lb/> Welt-Garten annoch ſtehet; So muß er das Gluͤcke/ was<lb/> ſonſten uͤber die Blaͤtter insgemein gehet/ ebenfalls erfah-<lb/> ren und uͤber ſich nehmen. Und mag er deſſen ſich eher nicht<lb/> entbrechen/ er werde denn von dem Tode gar abgebrochen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0007]
und wandernde Blaͤtter.
Und iſt hievon nun kein einiger ausgenommen; Son-
dern ein jeder traͤget an ſeinem Gantzen/ was er traͤget/
den Zettel der unvermeidlichen Eitelkeit und Sterbligkeit:
Und iſt da kein eintziges Faͤſichen oder Glied zu nennen und
zu zeigen/ was hiervon privilegiret und befreyet ſeye. Wie
wir alle von einem ungluͤckſeeligen Vater ſtammen/ und in
dem Einen Alle von dem verbothenen Baume geſſen haben:
Alſo haben wir auch alle einen Todten-Wurm zur Wurtzel/
wie die Baͤume dorten auff Sumatra, (davon Erasmus Fran-
ciſci P. 1. ſeines Luſt-Gartens p. 760. zu beſehen/) der an uns
ſo lange zehret und friſſet/ biß er uns endlich gar verzehret
und aufgefreſſen. Und doͤrffte ich wohl bald gar ſagen/ daß
keine armſeeligere Creatur/ kein elender Blatt unter allen
Blaͤttern auf Erden als der Menſch waͤre; Weñ er nur bloß
die Erde zur Mutter/ und nicht auch den Himmel zum Va-
ter haͤtte: Wenn er nur bloß auf Erden gruͤnete/ und nicht
auch im Himmel ſtammete. Aber ſo iſt diß Einige noch das
beſte/ worinnen er auch alle andere Blaͤtter weit weit uͤber-
trifft/ daß er uͤber das Jrꝛdiſche auch noch was Goͤttliches
hat; Und ein ſolches Weſen zwiſchen ſeinen verweßlichen
Schalen und Faͤſelein wohnet/ was den Himmel zu ſeinem
Pflantz-Garten bekommen/ und die Ewigkeit zu ſeinem
Schlaff-Gemach erhalten ſoll. Jnzwiſchen aber/ und ehe
ſich das noch aus ſeiner Schale außſchaͤlet/ dahin gelanget
und verſetzet wird/ und der Menſch in dieſem verderblichen
Welt-Garten annoch ſtehet; So muß er das Gluͤcke/ was
ſonſten uͤber die Blaͤtter insgemein gehet/ ebenfalls erfah-
ren und uͤber ſich nehmen. Und mag er deſſen ſich eher nicht
entbrechen/ er werde denn von dem Tode gar abgebrochen
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |