Posselt, August: I. N. J. Den sich selbst/ und die ihn hören/ seelig zu machen bemüheten Schul-Lehrer. Bautzen, [1712].Trauer-Rede. das dreyßigste Jahr zu Ende gebracht. Und in eben diesem Jahre wardunser seeliger Herr Rector nach Lauben/ als Sub-Rector vociret. Jener brachte es in seinem Schul-Ambte in Budißin und Zittau auf 24. Jahre. Dieser führete in seiner Amts-Arbeit eben so viel Jahre in seiner Rechnung/ doch ist dieses zu beklagen/ daß/ da jener in die 14. Jahr dem hiesigen Gy- mnasio vorgestanden/ dieser noch nicht das 4te zum erwünschten Ende brin- genkönnen. Unterdessen muste Zittau nicht allein den seeligen Gerlachen in seinem 54. Jahre des Alters vermüssen/ sondern eben unsern Herrn Hoff- mann in diesem Alter der Ewigkeit überlassen. Ja die ungemeine Liebe/ welche der seel. Herr Rector gegen seine Untergebene gehabt/ muste eben- falls diese geliebte Stadt bey des Herrn Gerlachs beweinen. Jch besinne mich hierbey/ daß/ nachdem Willhelmus Nesenus, des Lutheri und Phi- lippi Melanchthonis Hertzens-Freund auf der Elbe nach Wittenberg ver- unglücket/ und Lutherus seinen verblichenen Leichnam angeschauet/ er mit vielen Thränen und wehmüthiger Stimme soll gesaget haben: Mein Bruder/ so mir GOtt hätte die Gabe gegeben/ die Todten auffzuwecken/ so wolte ich an dir meine erste Kunst beweisen. Wiewohl etliche Päbstler mit der Zeit diese Worte schändlicher weise verkehret/ und vorgegeben: Lu- therus habe diesen Nesenum von den Todten aufferwecken wollen/ wäre a- ber in seiner Kunst betrogen worden. Geliebtes Zittau/ ich weiß/ daß nie- mand in dieser volckreichen Versammlung/ ja ich wolte sagen/ in der Stadt und Land gefunden werde/ welcher nicht dem seel. Mann GOttes Luthero seinen Wunsch mit mir abborgete/ und sagete: Wenn mir GOtt hätte die Macht gegeben/ diesen werthen Mann von den Todten aufzuwecken/ so wolte ich die erste Kunst an ihm erweisen. Denn also hätten die armen Schaaffe ihren Hirten/ die Nothleidenden ihren Versorger/ die Verlasse- nen
Trauer-Rede. das dreyßigſte Jahr zu Ende gebracht. Und in eben dieſem Jahre wardunſer ſeeliger Herr Rector nach Lauben/ als Sub-Rector vociret. Jener brachte es in ſeinem Schul-Ambte in Budißin und Zittau auf 24. Jahre. Dieſer fuͤhrete in ſeiner Amts-Arbeit eben ſo viel Jahre in ſeiner Rechnung/ doch iſt dieſes zu beklagen/ daß/ da jener in die 14. Jahr dem hieſigen Gy- mnaſio vorgeſtanden/ dieſer noch nicht das 4te zum erwuͤnſchten Ende brin- genkoͤnnen. Unterdeſſen muſte Zittau nicht allein den ſeeligen Gerlachen in ſeinem 54. Jahre des Alters vermuͤſſen/ ſondern eben unſern Herrn Hoff- mann in dieſem Alter der Ewigkeit uͤberlaſſen. Ja die ungemeine Liebe/ welche der ſeel. Herr Rector gegen ſeine Untergebene gehabt/ muſte eben- falls dieſe geliebte Stadt bey des Herrn Gerlachs beweinen. Jch beſinne mich hierbey/ daß/ nachdem Willhelmus Neſenus, des Lutheri und Phi- lippi Melanchthonis Hertzens-Freund auf der Elbe nach Wittenberg ver- ungluͤcket/ und Lutherus ſeinen verblichenen Leichnam angeſchauet/ er mit vielen Thraͤnen und wehmuͤthiger Stimme ſoll geſaget haben: Mein Bruder/ ſo mir GOtt haͤtte die Gabe gegeben/ die Todten auffzuwecken/ ſo wolte ich an dir meine erſte Kunſt beweiſen. Wiewohl etliche Paͤbſtler mit der Zeit dieſe Worte ſchaͤndlicher weiſe verkehret/ und vorgegeben: Lu- therus habe dieſen Neſenum von den Todten aufferwecken wollen/ waͤre a- ber in ſeiner Kunſt betrogen worden. Geliebtes Zittau/ ich weiß/ daß nie- mand in dieſer volckreichen Verſammlung/ ja ich wolte ſagen/ in der Stadt und Land gefunden werde/ welcher nicht dem ſeel. Mann GOttes Luthero ſeinen Wunſch mit mir abborgete/ und ſagete: Wenn mir GOtt haͤtte die Macht gegeben/ dieſen werthen Mann von den Todten aufzuwecken/ ſo wolte ich die erſte Kunſt an ihm erweiſen. Denn alſo haͤtten die armen Schaaffe ihren Hirten/ die Nothleidenden ihren Verſorger/ die Verlaſſe- nen
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Trauer-Rede.
das dreyßigſte Jahr zu Ende gebracht. Und in eben dieſem Jahre ward
unſer ſeeliger Herr Rector nach Lauben/ als Sub-Rector vociret. Jener
brachte es in ſeinem Schul-Ambte in Budißin und Zittau auf 24. Jahre.
Dieſer fuͤhrete in ſeiner Amts-Arbeit eben ſo viel Jahre in ſeiner Rechnung/
doch iſt dieſes zu beklagen/ daß/ da jener in die 14. Jahr dem hieſigen Gy-
mnaſio vorgeſtanden/ dieſer noch nicht das 4te zum erwuͤnſchten Ende brin-
genkoͤnnen. Unterdeſſen muſte Zittau nicht allein den ſeeligen Gerlachen
in ſeinem 54. Jahre des Alters vermuͤſſen/ ſondern eben unſern Herrn Hoff-
mann in dieſem Alter der Ewigkeit uͤberlaſſen. Ja die ungemeine Liebe/
welche der ſeel. Herr Rector gegen ſeine Untergebene gehabt/ muſte eben-
falls dieſe geliebte Stadt bey des Herrn Gerlachs beweinen. Jch beſinne
mich hierbey/ daß/ nachdem Willhelmus Neſenus, des Lutheri und Phi-
lippi Melanchthonis Hertzens-Freund auf der Elbe nach Wittenberg ver-
ungluͤcket/ und Lutherus ſeinen verblichenen Leichnam angeſchauet/ er
mit vielen Thraͤnen und wehmuͤthiger Stimme ſoll geſaget haben: Mein
Bruder/ ſo mir GOtt haͤtte die Gabe gegeben/ die Todten auffzuwecken/
ſo wolte ich an dir meine erſte Kunſt beweiſen. Wiewohl etliche Paͤbſtler
mit der Zeit dieſe Worte ſchaͤndlicher weiſe verkehret/ und vorgegeben: Lu-
therus habe dieſen Neſenum von den Todten aufferwecken wollen/ waͤre a-
ber in ſeiner Kunſt betrogen worden. Geliebtes Zittau/ ich weiß/ daß nie-
mand in dieſer volckreichen Verſammlung/ ja ich wolte ſagen/ in der Stadt
und Land gefunden werde/ welcher nicht dem ſeel. Mann GOttes Luthero
ſeinen Wunſch mit mir abborgete/ und ſagete: Wenn mir GOtt haͤtte
die Macht gegeben/ dieſen werthen Mann von den Todten aufzuwecken/ ſo
wolte ich die erſte Kunſt an ihm erweiſen. Denn alſo haͤtten die armen
Schaaffe ihren Hirten/ die Nothleidenden ihren Verſorger/ die Verlaſſe-
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