Freylinghausen, Johann Anastasius: Christliches Denckmaal, Welches Seinem Seligen Herrn Eydam, HERRN M. Georg Joh. Hencken. hrsg. v. Wiegleb, Johann Hieronymus. Halle, 1720.Leichen-Carmina. Jedoch was richten wir noch tiefre Wundenan/ Da so ja alles schon in bittern Thränen schwim- met/ Und Theil an dem Verlust des werthen Mannes nimmet/ Wer ist/ der seinen Tod ohn Jammer hören kan? Kaum hieß es ja/ das Er nicht mehr auf Erden lebte/ Als ein gezognes Ach! auf aller Zungen schwebte. Wie wenn ein zartes Kind von seiner Mutter Brust/ Aus der es kurtze Zeit die süsse Milch gesogen/ Gantz früh und unverhoft wird schmertzlich ab- gezogen/ Jhm nichts als kläglich thun und wimmern ist bewust: So hört man jetzund auch verlassne Kinder kla- gen/ Ach möcht er uns doch noch an seinen Brüsten tragen! Ach hörte unser Ohr doch seine Reden noch/ Die wie die lautre Milch doch scharf gewürtzet waren! Ach muß uns schon so früh gleich in den ersten Jahren Der Trost entrissen seyn? Ach allzuhartes Joch! Die Lehrer lassen selbst aus allen Mienen lesen/ Wie schmertzlich Jhnen sey sein früher Tod ge- wesen. Al-
Leichen-Carmina. Jedoch was richten wir noch tiefre Wundenan/ Da ſo ja alles ſchon in bittern Thraͤnen ſchwim- met/ Und Theil an dem Verluſt des werthen Mannes nimmet/ Wer iſt/ der ſeinen Tod ohn Jammer hoͤren kan? Kaum hieß es ja/ das Er nicht mehr auf Erden lebte/ Als ein gezognes Ach! auf aller Zungen ſchwebte. Wie wenn ein zartes Kind von ſeiner Mutter Bruſt/ Aus der es kurtze Zeit die ſuͤſſe Milch geſogen/ Gantz fruͤh und unverhoft wird ſchmertzlich ab- gezogen/ Jhm nichts als klaͤglich thun und wimmern iſt bewuſt: So hoͤrt man jetzund auch verlaſſne Kinder kla- gen/ Ach moͤcht er uns doch noch an ſeinen Bruͤſten tragen! Ach hoͤrte unſer Ohr doch ſeine Reden noch/ Die wie die lautre Milch doch ſcharf gewuͤrtzet waren! Ach muß uns ſchon ſo fruͤh gleich in den erſten Jahren Der Troſt entriſſen ſeyn? Ach allzuhartes Joch! Die Lehrer laſſen ſelbſt aus allen Mienen leſen/ Wie ſchmertzlich Jhnen ſey ſein fruͤher Tod ge- weſen. Al-
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Leichen-Carmina.
Jedoch was richten wir noch tiefre Wunden
an/
Da ſo ja alles ſchon in bittern Thraͤnen ſchwim-
met/
Und Theil an dem Verluſt des werthen Mannes
nimmet/
Wer iſt/ der ſeinen Tod ohn Jammer hoͤren
kan?
Kaum hieß es ja/ das Er nicht mehr auf Erden
lebte/
Als ein gezognes Ach! auf aller Zungen ſchwebte.
Wie wenn ein zartes Kind von ſeiner Mutter
Bruſt/
Aus der es kurtze Zeit die ſuͤſſe Milch geſogen/
Gantz fruͤh und unverhoft wird ſchmertzlich ab-
gezogen/
Jhm nichts als klaͤglich thun und wimmern iſt
bewuſt:
So hoͤrt man jetzund auch verlaſſne Kinder kla-
gen/
Ach moͤcht er uns doch noch an ſeinen Bruͤſten
tragen!
Ach hoͤrte unſer Ohr doch ſeine Reden noch/
Die wie die lautre Milch doch ſcharf gewuͤrtzet
waren!
Ach muß uns ſchon ſo fruͤh gleich in den erſten
Jahren
Der Troſt entriſſen ſeyn? Ach allzuhartes
Joch!
Die Lehrer laſſen ſelbſt aus allen Mienen leſen/
Wie ſchmertzlich Jhnen ſey ſein fruͤher Tod ge-
weſen.
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