Freylinghausen, Johann Anastasius: Christliches Denckmaal, Welches Seinem Seligen Herrn Eydam, HERRN M. Georg Joh. Hencken. hrsg. v. Wiegleb, Johann Hieronymus. Halle, 1720.Leichen-Carmina. Und den schönsten Honigseim mit dem bittrenWermuth mischet: Auch durch sauren Eßigtranck wird ein mattes Hertz erfrischet; Warum wolten wir denn murren, wenn GOtt so zuwechseln pflegt? Hat er uns ein Pfand geliehen, und ein Kleinod anvertraut: So ist es nur zum Gebrauch, nicht zum Eigen- thum geschencket. Wer sich diesen fremden Schatz ewig zu ver- zollen dencket, Hat in unerlaubten Gräntzen seine Hoffnung aufgebaut. O wie herrlich ist der Wucher, den in so gar kurtzer Zeit Ein so köstliches Talent mancher Seelen abge- wonnen? Warum hat denn Ungeduld ietzo Klagen aus- ersonnen? Warum sind gelaßne Hertzen nicht vielmehr zum Danck bereit? Seliger, Dein stiller Wandel war auch nicht von dieser Welt: Deine Augen waren längst auf die Ewigkeit gerichtet, Und die Welt, diß Gauckelspiel, durch des Glaubens Bau zernichtet, Dem dis Lazareth der Krancken zur Behausung nicht gefällt. Du
Leichen-Carmina. Und den ſchoͤnſten Honigſeim mit dem bittrenWermuth miſchet: Auch durch ſauren Eßigtranck wird ein mattes Hertz erfriſchet; Warum wolten wir denn murren, wenn GOtt ſo zuwechſeln pflegt? Hat er uns ein Pfand geliehen, und ein Kleinod anvertraut: So iſt es nur zum Gebrauch, nicht zum Eigen- thum geſchencket. Wer ſich dieſen fremden Schatz ewig zu ver- zollen dencket, Hat in unerlaubten Graͤntzen ſeine Hoffnung aufgebaut. O wie herrlich iſt der Wucher, den in ſo gar kurtzer Zeit Ein ſo koͤſtliches Talent mancher Seelen abge- wonnen? Warum hat denn Ungeduld ietzo Klagen aus- erſonnen? Warum ſind gelaßne Hertzen nicht vielmehr zum Danck bereit? Seliger, Dein ſtiller Wandel war auch nicht von dieſer Welt: Deine Augen waren laͤngſt auf die Ewigkeit gerichtet, Und die Welt, diß Gauckelſpiel, durch des Glaubens Bau zernichtet, Dem dis Lazareth der Krancken zur Behauſung nicht gefaͤllt. Du
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Leichen-Carmina.
Und den ſchoͤnſten Honigſeim mit dem bittren
Wermuth miſchet:
Auch durch ſauren Eßigtranck wird ein mattes
Hertz erfriſchet;
Warum wolten wir denn murren, wenn GOtt
ſo zuwechſeln pflegt?
Hat er uns ein Pfand geliehen, und ein Kleinod
anvertraut:
So iſt es nur zum Gebrauch, nicht zum Eigen-
thum geſchencket.
Wer ſich dieſen fremden Schatz ewig zu ver-
zollen dencket,
Hat in unerlaubten Graͤntzen ſeine Hoffnung
aufgebaut.
O wie herrlich iſt der Wucher, den in ſo gar
kurtzer Zeit
Ein ſo koͤſtliches Talent mancher Seelen abge-
wonnen?
Warum hat denn Ungeduld ietzo Klagen aus-
erſonnen?
Warum ſind gelaßne Hertzen nicht vielmehr
zum Danck bereit?
Seliger, Dein ſtiller Wandel war auch nicht
von dieſer Welt:
Deine Augen waren laͤngſt auf die Ewigkeit
gerichtet,
Und die Welt, diß Gauckelſpiel, durch des
Glaubens Bau zernichtet,
Dem dis Lazareth der Krancken zur Behauſung
nicht gefaͤllt.
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