Freylinghausen, Johann Anastasius: Christliches Denckmaal, Welches Seinem Seligen Herrn Eydam, HERRN M. Georg Joh. Hencken. hrsg. v. Wiegleb, Johann Hieronymus. Halle, 1720.Leichen-Carmina. Die Heerde, die er sonst mit solchem Geist undLeben Zu dem geliebten Ereutz und Wunden hin- geführt, Die kan in solcher Noth sich nicht zu frieden ge- ben, Da sie nicht mehr den Stab des treuen Hir- ten spürt. Sie hoffet, wünscht und fleht, daß die ge- schwächten Glieder Bald in verneute Kraft und frische Stärcke gehn, Sie spricht: ach hätte ich doch meinen Lehrer wieder, Ach könnt ich ihn und mich durch ihn gestär- cket sehn! Jedoch der weise HErr, der Erd' und Himmel träget, Weiß besser als ein Mensch was nütz- und dienlich sey, Ein Wunsch, der wohl bey uns der Seelen Grund beweget, Geht oft des Himmels Ohr und dessen Schluß vorbey. GOtt will, Herr Hencke soll mit seinem JEsu sterben, Dem er bißhero schon im Leiden ähnlich war: Drum muß der Wangen-Feld des Todes Pin- sel färben, Und der entseelte Leib kömmt auf die Tod- ten-Bahr. Allein
Leichen-Carmina. Die Heerde, die er ſonſt mit ſolchem Geiſt undLeben Zu dem geliebten Ereutz und Wunden hin- gefuͤhrt, Die kan in ſolcher Noth ſich nicht zu frieden ge- ben, Da ſie nicht mehr den Stab des treuen Hir- ten ſpuͤrt. Sie hoffet, wuͤnſcht und fleht, daß die ge- ſchwaͤchten Glieder Bald in verneute Kraft und friſche Staͤrcke gehn, Sie ſpricht: ach haͤtte ich doch meinen Lehrer wieder, Ach koͤnnt ich ihn und mich durch ihn geſtaͤr- cket ſehn! Jedoch der weiſe HErr, der Erd’ und Himmel traͤget, Weiß beſſer als ein Menſch was nuͤtz- und dienlich ſey, Ein Wunſch, der wohl bey uns der Seelen Grund beweget, Geht oft des Himmels Ohr und deſſen Schluß vorbey. GOtt will, Herr Hencke ſoll mit ſeinem JEſu ſterben, Dem eꝛ bißhero ſchon im Leiden aͤhnlich war: Drum muß der Wangen-Feld des Todes Pin- ſel faͤrben, Und der entſeelte Leib koͤmmt auf die Tod- ten-Bahr. Allein
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Leichen-Carmina.
Die Heerde, die er ſonſt mit ſolchem Geiſt und
Leben
Zu dem geliebten Ereutz und Wunden hin-
gefuͤhrt,
Die kan in ſolcher Noth ſich nicht zu frieden ge-
ben,
Da ſie nicht mehr den Stab des treuen Hir-
ten ſpuͤrt.
Sie hoffet, wuͤnſcht und fleht, daß die ge-
ſchwaͤchten Glieder
Bald in verneute Kraft und friſche Staͤrcke
gehn,
Sie ſpricht: ach haͤtte ich doch meinen Lehrer
wieder,
Ach koͤnnt ich ihn und mich durch ihn geſtaͤr-
cket ſehn!
Jedoch der weiſe HErr, der Erd’ und Himmel
traͤget,
Weiß beſſer als ein Menſch was nuͤtz- und
dienlich ſey,
Ein Wunſch, der wohl bey uns der Seelen
Grund beweget,
Geht oft des Himmels Ohr und deſſen
Schluß vorbey.
GOtt will, Herr Hencke ſoll mit ſeinem JEſu
ſterben,
Dem eꝛ bißhero ſchon im Leiden aͤhnlich war:
Drum muß der Wangen-Feld des Todes Pin-
ſel faͤrben,
Und der entſeelte Leib koͤmmt auf die Tod-
ten-Bahr.
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Zitationshilfe: | Freylinghausen, Johann Anastasius: Christliches Denckmaal, Welches Seinem Seligen Herrn Eydam, HERRN M. Georg Joh. Hencken. hrsg. v. Wiegleb, Johann Hieronymus. Halle, 1720, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/376914/93>, abgerufen am 16.02.2025. |