Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

Bild:
<< vorherige Seite

Die bittere Klage
wird gerühmet/ er habe die Gewohnheit gehabt/ nichts zu beschliessen/ er
habe denn sein Gesichte zu zweyen unterschiedenen Bildern gewendet/ da-
von das erste der Berg Calvariae war/ woselbst unser Heyland gecreutzi-
get/ und viele Todten-Knochen und Hirn-Schedeln derer Verstorbenen
gemahlet waren; Das andere aber eine Leichen-Procession. Wodurch
es geschehen/ daß er des Todtes und seines Erlösers stets eingedenck gewe-
sen/ und alle seine Verrichtungen wohl ausgeführet habe. (Vid. Adam.
Corn. Cop. P. I. p.
15.) Und so müssen wir es alle machen/ wollen wir uns
recht zum Tode bereiten. Es muß auch endlich 3.) zu den obangeführ-
ten Stücken kommen: Ein sehnlich Verlangen nach dem Tode und
seligen Ende/
daß man mit Paulo seuffze: Cupio dissolvi, ich habe Lust
abzuscheiden/ und bey Christo zu seyn; (Philip. I, 23.) Oder wie es Herr
Joachim Beust, ein Edelmann von Planitz bey Zwickau/ machte/ der zu
seinem Symbolo aus des Heyden Persii sat. 5. die Worte führet:

Vive memor lethi.
Wo ich gehe und mich lencke/
Jch an meinen Tod gedencke.

Und diese Zubereitung zum Todte muß nicht des Jahres/ Monats oder
Woche nur einmahl/ sondern mit Paulo NB. täglich geschehen/ und heis-
sen: Jch sterbe täglich/ (1. Cor. XV, 35.) Jener frommer Haupt- und
Edelmann/ Herr Leonhard von Kottwitz/ ließ sich eine Haupt-Schnure
machen/ und darauff nachfolgende Worte sticken:

Hodie morieris.
Der heutge Tag ist mir von meinem GOtt bestimmt/
Da er mich von der Welt zu sich in Himmel nimmt.

Sprach auch bey seinem letzten Ende: Jch bin täglich gestorben/ darum
sterb ich itzo desto freudiger. (vid. Adam. Corn. Cop. P. II. p. 101.) Und so
müssen wir es auch machen/ täglich an den Todt gedencken/ zu unsern
Wahl-Spruch führen/ und täglich unserer Seelen zuruffen:

Memento mori,
Gedencke/ was du thust/
Gedencke/ daß du sterben must.

Täglich müssen wir unsere Sünde bereuen/ und um Vergebung derselben bit-
ten/ täglich an JEsu Verdienst/ Leyden und Sterben gedencken/ und seuffzen:

Turbabor, sed non perturbabor, qvia vulnerum Christi recordabor.
Mein [S]ünd mich werden kräncken sehr/
Mein Gewissen wird mich nagen/
Denn

Die bittere Klage
wird geruͤhmet/ er habe die Gewohnheit gehabt/ nichts zu beſchlieſſen/ er
habe denn ſein Geſichte zu zweyen unterſchiedenen Bildern gewendet/ da-
von das erſte der Berg Calvariæ war/ woſelbſt unſer Heyland gecreutzi-
get/ und viele Todten-Knochen und Hirn-Schedeln derer Verſtorbenen
gemahlet waren; Das andere aber eine Leichen-Proceſſion. Wodurch
es geſchehen/ daß er des Todtes und ſeines Erloͤſers ſtets eingedenck gewe-
ſen/ und alle ſeine Verrichtungen wohl ausgefuͤhret habe. (Vid. Adam.
Corn. Cop. P. I. p.
15.) Und ſo muͤſſen wir es alle machen/ wollen wir uns
recht zum Tode bereiten. Es muß auch endlich 3.) zu den obangefuͤhr-
ten Stuͤcken kommen: Ein ſehnlich Verlangen nach dem Tode und
ſeligen Ende/
daß man mit Paulo ſeuffze: Cupio diſſolvi, ich habe Luſt
abzuſcheiden/ und bey Chriſto zu ſeyn; (Philip. I, 23.) Oder wie es Herr
Joachim Beuſt, ein Edelmann von Planitz bey Zwickau/ machte/ der zu
ſeinem Symbolo aus des Heyden Perſii ſat. 5. die Worte fuͤhret:

Vive memor lethi.
Wo ich gehe und mich lencke/
Jch an meinen Tod gedencke.

Und dieſe Zubereitung zum Todte muß nicht des Jahres/ Monats oder
Woche nur einmahl/ ſondern mit Paulo NB. taͤglich geſchehen/ und heiſ-
ſen: Jch ſterbe taͤglich/ (1. Cor. XV, 35.) Jener frommer Haupt- und
Edelmann/ Herr Leonhard von Kottwitz/ ließ ſich eine Haupt-Schnure
machen/ und darauff nachfolgende Worte ſticken:

Hodie morieris.
Der heutge Tag iſt mir von meinem GOtt beſtimmt/
Da er mich von der Welt zu ſich in Himmel nimmt.

Sprach auch bey ſeinem letzten Ende: Jch bin taͤglich geſtorben/ darum
ſterb ich itzo deſto freudiger. (vid. Adam. Corn. Cop. P. II. p. 101.) Und ſo
muͤſſen wir es auch machen/ taͤglich an den Todt gedencken/ zu unſern
Wahl-Spruch fuͤhren/ und taͤglich unſerer Seelen zuruffen:

Memento mori,
Gedencke/ was du thuſt/
Gedencke/ daß du ſterben muſt.

Taͤglich muͤſſen wir unſere Suͤnde bereuen/ und um Vergebung derſelben bit-
ten/ taͤglich an JEſu Verdienſt/ Leyden und Sterben gedencken/ und ſeuffzen:

Turbabor, ſed non perturbabor, qvia vulnerum Chriſti recordabor.
Mein [S]uͤnd mich werden kraͤncken ſehr/
Mein Gewiſſen wird mich nagen/
Denn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsMainPart" n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="34"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Die bittere Klage</hi></fw><lb/>
wird geru&#x0364;hmet/ er habe die Gewohnheit gehabt/ nichts zu be&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ er<lb/>
habe denn &#x017F;ein Ge&#x017F;ichte zu zweyen unter&#x017F;chiedenen Bildern gewendet/ da-<lb/>
von das er&#x017F;te der Berg <hi rendition="#aq">Calvariæ</hi> war/ wo&#x017F;elb&#x017F;t un&#x017F;er Heyland gecreutzi-<lb/>
get/ und viele Todten-Knochen und Hirn-Schedeln derer Ver&#x017F;torbenen<lb/>
gemahlet waren; Das andere aber eine Leichen-<hi rendition="#aq">Proce&#x017F;&#x017F;ion.</hi> Wodurch<lb/>
es ge&#x017F;chehen/ daß er des Todtes und &#x017F;eines Erlo&#x0364;&#x017F;ers &#x017F;tets eingedenck gewe-<lb/>
&#x017F;en/ und alle &#x017F;eine Verrichtungen wohl ausgefu&#x0364;hret habe. (<hi rendition="#aq">Vid. Adam.<lb/>
Corn. Cop. P. I. p.</hi> 15.) Und &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir es alle machen/ wollen wir uns<lb/>
recht zum Tode bereiten. Es muß auch endlich 3.) zu den obangefu&#x0364;hr-<lb/>
ten Stu&#x0364;cken kommen: <hi rendition="#fr">Ein &#x017F;ehnlich Verlangen nach dem Tode und<lb/>
&#x017F;eligen Ende/</hi> daß man mit Paulo &#x017F;euffze: <hi rendition="#aq">Cupio di&#x017F;&#x017F;olvi,</hi> ich habe Lu&#x017F;t<lb/>
abzu&#x017F;cheiden/ und bey Chri&#x017F;to zu &#x017F;eyn; (<hi rendition="#aq">Philip. I,</hi> 23.) Oder wie es Herr<lb/><hi rendition="#aq">Joachim Beu&#x017F;t,</hi> ein Edelmann von Planitz bey Zwickau/ machte/ der zu<lb/>
&#x017F;einem <hi rendition="#aq">Symbolo</hi> aus des Heyden <hi rendition="#aq">Per&#x017F;ii &#x017F;at.</hi> 5. die Worte fu&#x0364;hret:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Vive memor lethi.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Wo ich gehe und mich lencke/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jch an meinen Tod gedencke.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Und die&#x017F;e Zubereitung zum Todte muß nicht des Jahres/ Monats oder<lb/>
Woche nur einmahl/ &#x017F;ondern mit Paulo <hi rendition="#aq">NB.</hi> <hi rendition="#fr">ta&#x0364;glich</hi> ge&#x017F;chehen/ und hei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en: <hi rendition="#fr">Jch &#x017F;terbe ta&#x0364;glich/</hi> (1. <hi rendition="#aq">Cor. XV,</hi> 35.) Jener frommer Haupt- und<lb/>
Edelmann/ Herr <hi rendition="#aq">Leonhard</hi> von Kottwitz/ ließ &#x017F;ich eine Haupt-Schnure<lb/>
machen/ und darauff nachfolgende Worte &#x017F;ticken:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Hodie morieris.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Der heutge Tag i&#x017F;t mir von meinem GOtt be&#x017F;timmt/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Da er mich von der Welt zu &#x017F;ich in Himmel nimmt.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Sprach auch bey &#x017F;einem letzten Ende: Jch bin ta&#x0364;glich ge&#x017F;torben/ darum<lb/>
&#x017F;terb ich itzo de&#x017F;to freudiger. (<hi rendition="#aq">vid. Adam. Corn. Cop. P. II. p.</hi> 101.) Und &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir es auch machen/ ta&#x0364;glich an den Todt gedencken/ zu un&#x017F;ern<lb/>
Wahl-Spruch fu&#x0364;hren/ und ta&#x0364;glich un&#x017F;erer Seelen zuruffen:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Memento mori,</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Gedencke/ was du thu&#x017F;t/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Gedencke/ daß du &#x017F;terben mu&#x017F;t.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Ta&#x0364;glich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir un&#x017F;ere Su&#x0364;nde bereuen/ und um Vergebung der&#x017F;elben bit-<lb/>
ten/ ta&#x0364;glich an JE&#x017F;u Verdien&#x017F;t/ Leyden und Sterben gedencken/ und &#x017F;euffzen:<lb/></p>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Turbabor, &#x017F;ed non perturbabor, qvia vulnerum Chri&#x017F;ti recordabor.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Mein <supplied>S</supplied>u&#x0364;nd mich werden kra&#x0364;ncken &#x017F;ehr/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Mein Gewi&#x017F;&#x017F;en wird mich nagen/</hi> </hi> </l><lb/>
            <fw type="catch" place="bottom"> <hi rendition="#fr">Denn</hi> </fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0034] Die bittere Klage wird geruͤhmet/ er habe die Gewohnheit gehabt/ nichts zu beſchlieſſen/ er habe denn ſein Geſichte zu zweyen unterſchiedenen Bildern gewendet/ da- von das erſte der Berg Calvariæ war/ woſelbſt unſer Heyland gecreutzi- get/ und viele Todten-Knochen und Hirn-Schedeln derer Verſtorbenen gemahlet waren; Das andere aber eine Leichen-Proceſſion. Wodurch es geſchehen/ daß er des Todtes und ſeines Erloͤſers ſtets eingedenck gewe- ſen/ und alle ſeine Verrichtungen wohl ausgefuͤhret habe. (Vid. Adam. Corn. Cop. P. I. p. 15.) Und ſo muͤſſen wir es alle machen/ wollen wir uns recht zum Tode bereiten. Es muß auch endlich 3.) zu den obangefuͤhr- ten Stuͤcken kommen: Ein ſehnlich Verlangen nach dem Tode und ſeligen Ende/ daß man mit Paulo ſeuffze: Cupio diſſolvi, ich habe Luſt abzuſcheiden/ und bey Chriſto zu ſeyn; (Philip. I, 23.) Oder wie es Herr Joachim Beuſt, ein Edelmann von Planitz bey Zwickau/ machte/ der zu ſeinem Symbolo aus des Heyden Perſii ſat. 5. die Worte fuͤhret: Vive memor lethi. Wo ich gehe und mich lencke/ Jch an meinen Tod gedencke. Und dieſe Zubereitung zum Todte muß nicht des Jahres/ Monats oder Woche nur einmahl/ ſondern mit Paulo NB. taͤglich geſchehen/ und heiſ- ſen: Jch ſterbe taͤglich/ (1. Cor. XV, 35.) Jener frommer Haupt- und Edelmann/ Herr Leonhard von Kottwitz/ ließ ſich eine Haupt-Schnure machen/ und darauff nachfolgende Worte ſticken: Hodie morieris. Der heutge Tag iſt mir von meinem GOtt beſtimmt/ Da er mich von der Welt zu ſich in Himmel nimmt. Sprach auch bey ſeinem letzten Ende: Jch bin taͤglich geſtorben/ darum ſterb ich itzo deſto freudiger. (vid. Adam. Corn. Cop. P. II. p. 101.) Und ſo muͤſſen wir es auch machen/ taͤglich an den Todt gedencken/ zu unſern Wahl-Spruch fuͤhren/ und taͤglich unſerer Seelen zuruffen: Memento mori, Gedencke/ was du thuſt/ Gedencke/ daß du ſterben muſt. Taͤglich muͤſſen wir unſere Suͤnde bereuen/ und um Vergebung derſelben bit- ten/ taͤglich an JEſu Verdienſt/ Leyden und Sterben gedencken/ und ſeuffzen: Turbabor, ſed non perturbabor, qvia vulnerum Chriſti recordabor. Mein Suͤnd mich werden kraͤncken ſehr/ Mein Gewiſſen wird mich nagen/ Denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/392439
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/392439/34
Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/34>, abgerufen am 21.11.2024.