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Mahler, Georg Ernst: Entwurff oder Merckbild Eines Gottergebenen Christen-Menschen. Freyberg, 1675.

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Leichen-Predigt.
gleich stürbe/ und wer da lebt und gläubt an mich/ der wird nimmermehr sterben/
Cap. 11/25.

Und was ist dieses unser irrdisches Leben anders als ein Tod/ wie es der
weise Redner Cicero so wohl in den Tußculanischen Fragen/ alß in Scipions
Traume nennet/ da wir immer in Furchten stehen/ itzo werden wir von den Tode/
wie dort Damocles von dem über ihn an einem Haare hangenden Schwerde/ ü-
berfallen/ itzo wird das Lichtlein unsers Lebens von einem rauhen Winde außge-
blasen werden. Und das ists/ was der weise Seneca vor alters geurtheilet. Wir
sterben täglich/ täglich wird unsern Leben was abgekürtzt. Und ob wir auch gleich
am Leibe und Alter zunehmen/ nimbt doch unser Leben ab. Jn welchen Fall auch/
was ins gemein der Tod heisset/ vielmehr ein Ende des Todes zu nennen ist: Weil
so dann der Mensch zusterben auffhört. Hergegen werden wir als denn erst recht
lebendig gemacht/ nachdem wir das sterben beschlossen: Leben unverändert/ be-
ständig/ gesund wohl und ewig. Drumb rufft David und mit ihm eine gläubige
Seele aus: Jch werde nicht sterben/ sondern leben/ und des HErrn Werck ver-
kündigen/ der HERR züchtiget mich wohl/ aber er gibt mich dem Tode nicht/
Ps. 118/17. 18.

Darnach erqvicket GOTT durch seine Großmachung. Du machest mich
sehr gros. So pfleget er durch das Creutz gros zu machen/ und zu ehren zu brin-
gen/ Ps. 91. Nimmermehr wäre David ein so grosser Herr worden/ wenn ihn
nicht GOtt durch das Creutz so hoch erhoben/ so gros gemacht hette/ wie er selber
bezeuget/ Ps. 18/35. Muste Joseph nicht Angst und Elend ausstehen? Angst in
Stock und Eysen/ Ps. 105/18. GOtt aber machte ihn gros/ zu einen Pflege-Va-
ter über gantz Egyptenland. Wie er sich dessen rübmet gegen seine Brüder:
GOtt hat mich hieher gesand/ und hat mich Pharao zum Vater gesetzt und zum
Herrn über alle sein Hauß/ und zum Fürsten über Egyptenland/
Gen. 45/ 8. Durch die Löwen Grube wurde Daniel gros im Königreich
Dary und Cores der Persen/ Dan. 6/28. Die drey Männer wurden durch den
Feuerofen zu grossen ansehnlichen Männern gemachet. So wird mancher/ den
Noth und Elend drücket/ veranlasset in die Höhe zu streben/ nach Ruhm und
Ehren zu trachten und es einem andern an Gemüths und andern Gaben weit
vor zu thun/ da er sonst wohl/ wenn es ihm wohl gangen/ wäre auff den Hefen si-
tzen blieben. Diß rühret von GOtt/ der uns also gros machet hier auff Erden.
Recht gros aber in Himmel/ da er uns machen wird zu Kömgen und Fürsten/
Apoc. 1/5. Da wir wie der Sonnen Glantz und wie die Sternen leuchten sollen/
immer und ewiglich/ Dan. 12/3. Denn der Leib/ der in Schmach/ Schande und
Unehre geseet wird/ wird aufferstehen in Ehre und Herrligkeit/ 1. Cor. 15/43.

Wer
D 2

Leichen-Predigt.
gleich ſtuͤrbe/ und wer da lebt und glaͤubt an mich/ der wird nimmermehr ſterben/
Cap. 11/25.

Und was iſt dieſes unſer irrdiſches Leben anders als ein Tod/ wie es der
weiſe Redner Cicero ſo wohl in den Tußculaniſchen Fragen/ alß in Scipions
Traume nennet/ da wir immer in Furchten ſtehen/ itzo werden wir von den Tode/
wie dort Damocles von dem uͤber ihn an einem Haare hangenden Schwerde/ uͤ-
berfallen/ itzo wird das Lichtlein unſers Lebens von einem rauhen Winde außge-
blaſen werden. Und das iſts/ was der weiſe Seneca vor alters geurtheilet. Wir
ſterben taͤglich/ taͤglich wird unſern Leben was abgekuͤrtzt. Und ob wir auch gleich
am Leibe und Alter zunehmen/ nimbt doch unſer Leben ab. Jn welchen Fall auch/
was ins gemein der Tod heiſſet/ vielmehr ein Ende des Todes zu neñen iſt: Weil
ſo dann der Menſch zuſterben auffhoͤrt. Hergegen werden wir als denn erſt recht
lebendig gemacht/ nachdem wir das ſterben beſchloſſen: Leben unveraͤndert/ be-
ſtaͤndig/ geſund wohl und ewig. Drumb rufft David und mit ihm eine glaͤubige
Seele aus: Jch werde nicht ſterben/ ſondern leben/ und des HErrn Werck ver-
kuͤndigen/ der HERR zuͤchtiget mich wohl/ aber er gibt mich dem Tode nicht/
Pſ. 118/17. 18.

Darnach erqvicket GOTT durch ſeine Großmachung. Du macheſt mich
ſehr gros. So pfleget er durch das Creutz gros zu machen/ und zu ehren zu brin-
gen/ Pſ. 91. Nimmermehr waͤre David ein ſo groſſer Herr worden/ wenn ihn
nicht GOtt durch das Creutz ſo hoch erhoben/ ſo gros gemacht hette/ wie er ſelber
bezeuget/ Pſ. 18/35. Muſte Joſeph nicht Angſt und Elend ausſtehen? Angſt in
Stock und Eyſen/ Pſ. 105/18. GOtt aber machte ihn gros/ zu einen Pflege-Va-
ter uͤber gantz Egyptenland. Wie er ſich deſſen ruͤbmet gegen ſeine Bruͤder:
GOtt hat mich hieher geſand/ und hat mich Pharao zum Vater geſetzt und zum
Herrn uͤber alle ſein Hauß/ und zum Fuͤrſten uͤber Egyptenland/
Gen. 45/ 8. Durch die Loͤwen Grube wurde Daniel gros im Koͤnigreich
Dary und Cores der Perſen/ Dan. 6/28. Die drey Maͤnner wurden durch den
Feuerofen zu groſſen anſehnlichen Maͤnnern gemachet. So wird mancher/ den
Noth und Elend druͤcket/ veranlaſſet in die Hoͤhe zu ſtreben/ nach Ruhm und
Ehren zu trachten und es einem andern an Gemuͤths und andern Gaben weit
vor zu thun/ da er ſonſt wohl/ wenn es ihm wohl gangen/ waͤre auff den Hefen ſi-
tzen blieben. Diß ruͤhret von GOtt/ der uns alſo gros machet hier auff Erden.
Recht gros aber in Himmel/ da er uns machen wird zu Koͤmgen und Fuͤrſten/
Apoc. 1/5. Da wir wie der Sonnen Glantz und wie die Sternen leuchten ſollen/
immer und ewiglich/ Dan. 12/3. Denn der Leib/ der in Schmach/ Schande und
Unehre geſeet wird/ wird aufferſtehen in Ehre und Herrligkeit/ 1. Cor. 15/43.

Wer
D 2
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[0027] Leichen-Predigt. gleich ſtuͤrbe/ und wer da lebt und glaͤubt an mich/ der wird nimmermehr ſterben/ Cap. 11/25. Und was iſt dieſes unſer irrdiſches Leben anders als ein Tod/ wie es der weiſe Redner Cicero ſo wohl in den Tußculaniſchen Fragen/ alß in Scipions Traume nennet/ da wir immer in Furchten ſtehen/ itzo werden wir von den Tode/ wie dort Damocles von dem uͤber ihn an einem Haare hangenden Schwerde/ uͤ- berfallen/ itzo wird das Lichtlein unſers Lebens von einem rauhen Winde außge- blaſen werden. Und das iſts/ was der weiſe Seneca vor alters geurtheilet. Wir ſterben taͤglich/ taͤglich wird unſern Leben was abgekuͤrtzt. Und ob wir auch gleich am Leibe und Alter zunehmen/ nimbt doch unſer Leben ab. Jn welchen Fall auch/ was ins gemein der Tod heiſſet/ vielmehr ein Ende des Todes zu neñen iſt: Weil ſo dann der Menſch zuſterben auffhoͤrt. Hergegen werden wir als denn erſt recht lebendig gemacht/ nachdem wir das ſterben beſchloſſen: Leben unveraͤndert/ be- ſtaͤndig/ geſund wohl und ewig. Drumb rufft David und mit ihm eine glaͤubige Seele aus: Jch werde nicht ſterben/ ſondern leben/ und des HErrn Werck ver- kuͤndigen/ der HERR zuͤchtiget mich wohl/ aber er gibt mich dem Tode nicht/ Pſ. 118/17. 18. Darnach erqvicket GOTT durch ſeine Großmachung. Du macheſt mich ſehr gros. So pfleget er durch das Creutz gros zu machen/ und zu ehren zu brin- gen/ Pſ. 91. Nimmermehr waͤre David ein ſo groſſer Herr worden/ wenn ihn nicht GOtt durch das Creutz ſo hoch erhoben/ ſo gros gemacht hette/ wie er ſelber bezeuget/ Pſ. 18/35. Muſte Joſeph nicht Angſt und Elend ausſtehen? Angſt in Stock und Eyſen/ Pſ. 105/18. GOtt aber machte ihn gros/ zu einen Pflege-Va- ter uͤber gantz Egyptenland. Wie er ſich deſſen ruͤbmet gegen ſeine Bruͤder: GOtt hat mich hieher geſand/ und hat mich Pharao zum Vater geſetzt und zum Herrn uͤber alle ſein Hauß/ und zum Fuͤrſten uͤber Egyptenland/ Gen. 45/ 8. Durch die Loͤwen Grube wurde Daniel gros im Koͤnigreich Dary und Cores der Perſen/ Dan. 6/28. Die drey Maͤnner wurden durch den Feuerofen zu groſſen anſehnlichen Maͤnnern gemachet. So wird mancher/ den Noth und Elend druͤcket/ veranlaſſet in die Hoͤhe zu ſtreben/ nach Ruhm und Ehren zu trachten und es einem andern an Gemuͤths und andern Gaben weit vor zu thun/ da er ſonſt wohl/ wenn es ihm wohl gangen/ waͤre auff den Hefen ſi- tzen blieben. Diß ruͤhret von GOtt/ der uns alſo gros machet hier auff Erden. Recht gros aber in Himmel/ da er uns machen wird zu Koͤmgen und Fuͤrſten/ Apoc. 1/5. Da wir wie der Sonnen Glantz und wie die Sternen leuchten ſollen/ immer und ewiglich/ Dan. 12/3. Denn der Leib/ der in Schmach/ Schande und Unehre geſeet wird/ wird aufferſtehen in Ehre und Herrligkeit/ 1. Cor. 15/43. Wer D 2

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Zitationshilfe: Mahler, Georg Ernst: Entwurff oder Merckbild Eines Gottergebenen Christen-Menschen. Freyberg, 1675, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/508321/27>, abgerufen am 21.11.2024.