Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.Mein Vetter, ach! wie unverdrossen Folgst Du der Schickung höhern Macht. Dein Auge liegt uns schon verschlossen, Es liegt und schwimmt in lauter Nacht. Ach! werden wohlverdiente Leute Denn auch des Todes fetter Raub? Ach ja! itzt wirst Du seine Beute. Und kömmst uns allzufrüh in Staub. Nun lern ich erst bey Deinem Grabe, Jn dem Dich Sarg und Sand umschlüßt, Was ich an Dir verlohren habe, Und was Du mir gewesen bist; Nun merk ich erst die Treu und Liebe, Worzu Dich Amt und Blut verband. O hätt ich eh dergleichen Triebe Mit rechter Gegentreu erkannt. Doch, was ich nicht in Deinem Leben Für Abtrag meiner Pflicht gethan, Das laß Dir noch im Grabe geben, Und nimm dafür die Thränen an; Wiewohl ein Auge voller Zähren, Die gleich dem Thau im Grase stehn, Statt aller Pflichten zu gewähren, Pflegt allzuschmerzlich einzugehn. Hier steh ich voller Angst und Zagen, Und welchen Jammer seh ich da? Der Pallas Kinder schreyn und klagen, Sie selber tritt der Bahre nah. Was
Mein Vetter, ach! wie unverdroſſen Folgſt Du der Schickung hoͤhern Macht. Dein Auge liegt uns ſchon verſchloſſen, Es liegt und ſchwimmt in lauter Nacht. Ach! werden wohlverdiente Leute Denn auch des Todes fetter Raub? Ach ja! itzt wirſt Du ſeine Beute. Und koͤmmſt uns allzufruͤh in Staub. Nun lern ich erſt bey Deinem Grabe, Jn dem Dich Sarg und Sand umſchluͤßt, Was ich an Dir verlohren habe, Und was Du mir geweſen biſt; Nun merk ich erſt die Treu und Liebe, Worzu Dich Amt und Blut verband. O haͤtt ich eh dergleichen Triebe Mit rechter Gegentreu erkannt. Doch, was ich nicht in Deinem Leben Fuͤr Abtrag meiner Pflicht gethan, Das laß Dir noch im Grabe geben, Und nimm dafuͤr die Thraͤnen an; Wiewohl ein Auge voller Zaͤhren, Die gleich dem Thau im Graſe ſtehn, Statt aller Pflichten zu gewaͤhren, Pflegt allzuſchmerzlich einzugehn. Hier ſteh ich voller Angſt und Zagen, Und welchen Jammer ſeh ich da? Der Pallas Kinder ſchreyn und klagen, Sie ſelber tritt der Bahre nah. Was
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Mein Vetter, ach! wie unverdroſſen
Folgſt Du der Schickung hoͤhern Macht.
Dein Auge liegt uns ſchon verſchloſſen,
Es liegt und ſchwimmt in lauter Nacht.
Ach! werden wohlverdiente Leute
Denn auch des Todes fetter Raub?
Ach ja! itzt wirſt Du ſeine Beute.
Und koͤmmſt uns allzufruͤh in Staub.
Nun lern ich erſt bey Deinem Grabe,
Jn dem Dich Sarg und Sand umſchluͤßt,
Was ich an Dir verlohren habe,
Und was Du mir geweſen biſt;
Nun merk ich erſt die Treu und Liebe,
Worzu Dich Amt und Blut verband.
O haͤtt ich eh dergleichen Triebe
Mit rechter Gegentreu erkannt.
Doch, was ich nicht in Deinem Leben
Fuͤr Abtrag meiner Pflicht gethan,
Das laß Dir noch im Grabe geben,
Und nimm dafuͤr die Thraͤnen an;
Wiewohl ein Auge voller Zaͤhren,
Die gleich dem Thau im Graſe ſtehn,
Statt aller Pflichten zu gewaͤhren,
Pflegt allzuſchmerzlich einzugehn.
Hier ſteh ich voller Angſt und Zagen,
Und welchen Jammer ſeh ich da?
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