Böttner, Konrad: Leichen- und Gedächtniß-Rede. Lauban, 1740.Dein Böttner war dein Ruhm, Er war auch unsre Lust. Sein F[a]ll verdient dein Leid, er rührt auch unsre Brust. Er rührt sie, ja, so starck, daß wirs kaum hören lassen, Wie schlecht wir vielen Gram in matte Reime fassen. Doch schweig nur, Redlichkeit, du solst und wilst es thun. Der Kummer, der dich nährt, läßt Hand und Kiel nicht ruhn. Geräth die Würckung schlecht, so tröste dich auch wieder, Dein Böttner lebt bereits durch andre nette Lieder, Noch mehr. Er lebt durch sich. Sieh seinen Wandel an, Wer ein so groß Verdienst zum Vorrecht zeigen kan, Wer jeder Tugend sich, wie Böttner, stets beflissen, Hat der Vergänglichkeit sich längst durch sich entrissen. Jhr wißt es, deren Geist ein edler Trieb bewohnt, Der immer weiter dringt, und nie des Fleisses schont, Wodurch er seinen Witz vom Pöbel weit entfernet, Und GOtt, die Welt und sich stets tieffer kennen lernet. Jhr wißt es, was für Danck ihr denen schuldig seyd, Die eurer Seelen Krafft bey früher Jugendzeit Erweckt, gelenkt, geschärft, geübt, vermehrt, gestützet, Jhr wißt es, was der Welt ein guter Schulmann nützet. So ists. Ein junger Baum, den seines Gärtners Fleiß, Weil er noch biegsam ist, geschickt zu beugen weiß, Wächst zur Verwundrung schön, durch sparsam kluges Pflegen Erhebt sein Gipfel sich des ersten Fleisses wegen. Nun laßt ein wildes Reiß, wenn sichs noch lencken läßt, Jn seiner Krümme stehn. Der weiche Theil wird fest, Zuletzt wird sich die Hand vergebens schwer bemühen, Den ungezognen Stamm dem andern gleich zu ziehen. Dieß
Dein Boͤttner war dein Ruhm, Er war auch unſre Luſt. Sein F[a]ll verdient dein Leid, er ruͤhrt auch unſre Bruſt. Er ruͤhrt ſie, ja, ſo ſtarck, daß wirs kaum hoͤren laſſen, Wie ſchlecht wir vielen Gram in matte Reime faſſen. Doch ſchweig nur, Redlichkeit, du ſolſt und wilſt es thun. Der Kummer, der dich naͤhrt, laͤßt Hand und Kiel nicht ruhn. Geraͤth die Wuͤrckung ſchlecht, ſo troͤſte dich auch wieder, Dein Boͤttner lebt bereits durch andre nette Lieder, Noch mehr. Er lebt durch ſich. Sieh ſeinen Wandel an, Wer ein ſo groß Verdienſt zum Vorrecht zeigen kan, Wer jeder Tugend ſich, wie Boͤttner, ſtets befliſſen, Hat der Vergaͤnglichkeit ſich laͤngſt durch ſich entriſſen. Jhr wißt es, deren Geiſt ein edler Trieb bewohnt, Der immer weiter dringt, und nie des Fleiſſes ſchont, Wodurch er ſeinen Witz vom Poͤbel weit entfernet, Und GOtt, die Welt und ſich ſtets tieffer kennen lernet. Jhr wißt es, was fuͤr Danck ihr denen ſchuldig ſeyd, Die eurer Seelen Krafft bey fruͤher Jugendzeit Erweckt, gelenkt, geſchaͤrft, geuͤbt, vermehrt, geſtuͤtzet, Jhr wißt es, was der Welt ein guter Schulmann nuͤtzet. So iſts. Ein junger Baum, den ſeines Gaͤrtners Fleiß, Weil er noch biegſam iſt, geſchickt zu beugen weiß, Waͤchſt zur Verwundrung ſchoͤn, durch ſparſam kluges Pflegen Erhebt ſein Gipfel ſich des erſten Fleiſſes wegen. Nun laßt ein wildes Reiß, wenn ſichs noch lencken laͤßt, Jn ſeiner Kruͤmme ſtehn. Der weiche Theil wird feſt, Zuletzt wird ſich die Hand vergebens ſchwer bemuͤhen, Den ungezognen Stamm dem andern gleich zu ziehen. Dieß
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Dein Boͤttner war dein Ruhm, Er war auch unſre Luſt.
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Er ruͤhrt ſie, ja, ſo ſtarck, daß wirs kaum hoͤren laſſen,
Wie ſchlecht wir vielen Gram in matte Reime faſſen.
Doch ſchweig nur, Redlichkeit, du ſolſt und wilſt es thun.
Der Kummer, der dich naͤhrt, laͤßt Hand und Kiel nicht ruhn.
Geraͤth die Wuͤrckung ſchlecht, ſo troͤſte dich auch wieder,
Dein Boͤttner lebt bereits durch andre nette Lieder,
Noch mehr. Er lebt durch ſich. Sieh ſeinen Wandel an,
Wer ein ſo groß Verdienſt zum Vorrecht zeigen kan,
Wer jeder Tugend ſich, wie Boͤttner, ſtets befliſſen,
Hat der Vergaͤnglichkeit ſich laͤngſt durch ſich entriſſen.
Jhr wißt es, deren Geiſt ein edler Trieb bewohnt,
Der immer weiter dringt, und nie des Fleiſſes ſchont,
Wodurch er ſeinen Witz vom Poͤbel weit entfernet,
Und GOtt, die Welt und ſich ſtets tieffer kennen lernet.
Jhr wißt es, was fuͤr Danck ihr denen ſchuldig ſeyd,
Die eurer Seelen Krafft bey fruͤher Jugendzeit
Erweckt, gelenkt, geſchaͤrft, geuͤbt, vermehrt, geſtuͤtzet,
Jhr wißt es, was der Welt ein guter Schulmann nuͤtzet.
So iſts. Ein junger Baum, den ſeines Gaͤrtners Fleiß,
Weil er noch biegſam iſt, geſchickt zu beugen weiß,
Waͤchſt zur Verwundrung ſchoͤn, durch ſparſam kluges Pflegen
Erhebt ſein Gipfel ſich des erſten Fleiſſes wegen.
Nun laßt ein wildes Reiß, wenn ſichs noch lencken laͤßt,
Jn ſeiner Kruͤmme ſtehn. Der weiche Theil wird feſt,
Zuletzt wird ſich die Hand vergebens ſchwer bemuͤhen,
Den ungezognen Stamm dem andern gleich zu ziehen.
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