Heyden, Benjamin: Frommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht. St. Annaberg, 1676.Abdanckungs-Rede. set denn diß kaum recht angefangen haben zu leben? ey! waswird es denn bey denen heissen sollen/ die da sterben unter Müt- terlichen Hertzen/ als Kinder einer Spannen lang? wie die Schrifft redet/ Klagl. c. 2. v. 20. Was bey denen? welche/ gleich denen Thierlein/ die sich umb den Fluß Hypanis in Sarmatien finden sollen/ mit der auffgehenden Sonnen/ ihren Anfang; aber zugleich mit der zu rüst gehenden ihres Lebens Ende wieder neh- men. Was/ sage ich nochmals wird es mit denen heissen? welche mit der Blume Hemerocallis, (derer Leben und Schönheit nur einen Tag wäret) des Morgens anfangen zu wachsen des Mitta- ges ihre Blätter ausbreiten; aber noch selbigen Abends verwelcken müssen. Jch geschweige hier derer Extraordinari-Fälle/ do man fragen möchte/ was es mit denen müsse heissen: Welche/ in Hoffnungs-voller Blüthe entweder durch eine Cains-Keule/ oder Doegs-Spieß unvermuthet werden hingerichtet/ und öff- ters kaum erkennen mögen/ wann sie zu leben angefangen haben. Jch gestehe es gerne/ daß es mit den Menschlichen Leben Nichts desto weniger unterstehe ich mich nochmals dieses Und mit dieser meiner wundersamen Rede deucht mich sollen/ G 3
Abdanckungs-Rede. ſet denn diß kaum recht angefangen haben zu leben? ey! waswird es denn bey denen heiſſen ſollen/ die da ſterben unter Muͤt- terlichen Hertzen/ als Kinder einer Spannen lang? wie die Schrifft redet/ Klagl. c. 2. v. 20. Was bey denen? welche/ gleich denen Thierlein/ die ſich umb den Fluß Hypanis in Sarmatien finden ſollen/ mit der auffgehenden Sonnen/ ihren Anfang; aber zugleich mit der zu ruͤſt gehenden ihres Lebens Ende wieder neh- men. Was/ ſage ich nochmals wird es mit denen heiſſen? welche mit der Blume Hemerocallis, (derer Leben und Schoͤnheit nur einẽ Tag waͤret) des Morgens anfangen zu wachſen des Mitta- ges ihre Blaͤtter ausbreiten; aber noch ſelbigen Abends verwelckẽ muͤſſen. Jch geſchweige hier derer Extraordinari-Faͤlle/ do man fragen moͤchte/ was es mit denen muͤſſe heiſſen: Welche/ in Hoffnungs-voller Bluͤthe entweder durch eine Cains-Keule/ oder Doegs-Spieß unvermuthet werden hingerichtet/ und oͤff- ters kaum erkeñen moͤgen/ wann ſie zu leben angefangen haben. Jch geſtehe es gerne/ daß es mit den Menſchlichen Leben Nichts deſto weniger unterſtehe ich mich nochmals dieſes Und mit dieſer meiner wunderſamen Rede deucht mich ſollen/ G 3
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Abdanckungs-Rede.
ſet denn diß kaum recht angefangen haben zu leben? ey! was
wird es denn bey denen heiſſen ſollen/ die da ſterben unter Muͤt-
terlichen Hertzen/ als Kinder einer Spannen lang? wie die
Schrifft redet/ Klagl. c. 2. v. 20. Was bey denen? welche/ gleich
denen Thierlein/ die ſich umb den Fluß Hypanis in Sarmatien
finden ſollen/ mit der auffgehenden Sonnen/ ihren Anfang; aber
zugleich mit der zu ruͤſt gehenden ihres Lebens Ende wieder neh-
men. Was/ ſage ich nochmals wird es mit denen heiſſen? welche
mit der Blume Hemerocallis, (derer Leben und Schoͤnheit nur
einẽ Tag waͤret) des Morgens anfangen zu wachſen des Mitta-
ges ihre Blaͤtter ausbreiten; aber noch ſelbigen Abends verwelckẽ
muͤſſen. Jch geſchweige hier derer Extraordinari-Faͤlle/ do man
fragen moͤchte/ was es mit denen muͤſſe heiſſen: Welche/ in
Hoffnungs-voller Bluͤthe entweder durch eine Cains-Keule/
oder Doegs-Spieß unvermuthet werden hingerichtet/ und oͤff-
ters kaum erkeñen moͤgen/ wann ſie zu leben angefangen haben.
Jch geſtehe es gerne/ daß es mit den Menſchlichen Leben
eine uͤberaus gefaͤhrliche Bewandnuͤß habe/ und man billich mit
Seneca: Singulas dies, ſingulas vitas, moͤchte nennen/ ieden
neuen Tag fuͤr ſein neues Leben moͤchte ſchaͤtzen: Dahero dann
die H. Schrifft unſerem Leben hier eine Waſſerblaſſe/ dort einen
fuͤruͤberrauſchenden Strohm/ anderswo einen Dampff oder
Rauch in vergleichung thut vorſtellen.
Nichts deſto weniger unterſtehe ich mich nochmals dieſes
zuſagen/ daß auch kaum bey dieſen Jahren/ welche unſer ſeeliger
Herr Siegel erlebet/ es heiſſen mag: Recht angefangen ha-
ben zu leben/ oder auffs genaueſte wiſſen und verſtehen koͤnnen
was dieſes Leben ſey.
Und mit dieſer meiner wunderſamen Rede deucht mich
ſtimme gar wohl uͤber ein/ der Griechiſche Epaminondas, wel-
cher/ als er einsmals ſein Urtheil vom Menſchlichen Leben faͤllen
ſollen/
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