Rehefeldt, Tobias: Mori lucrum. Leipzig, 1615.Leichpredigt. erkenne ich heute mit danckbarn Hertzen vnd kan mich vorgrosser frewde deß weinens nicht enthalten. Vber solcher re- de verwundert sich der Cardinal/ reitet wieder zu seinem Ge- sellen vnd spricht: Fürwar/ fürwar/ dieses arme vnansehn- liche Schaffhirtlein ist viel heiliger vnd andächtiger als wir geistlichen Praelaten sein/ den wenn ich alle warheit sagen sol- te/ so müste ich bekennen/ daß ich diesen sachen noch niemals so wert nachgedacht/ viel weniger Gott dem Herren dafür ge- dancket habe/ daß er mich zu einem Vernünfftigen Mensch- en erschaffen. Meine Geliebten/ solten wir heute vnter vns ein Exa- Nach dem andern Artickel vnsers Christlichen Glau-2. in den
Leichpredigt. erkenne ich heute mit danckbarn Hertzen vnd kan mich vorgroſſer frewde deß weinens nicht enthalten. Vber ſolcher re- de verwundert ſich der Cardinal/ reitet wieder zu ſeinem Ge- ſellen vnd ſpricht: Fuͤrwar/ fuͤrwar/ dieſes arme vnanſehn- liche Schaffhirtlein iſt viel heiliger vnd andaͤchtiger als wir geiſtlichen Prælaten ſein/ den wenn ich alle warheit ſagen ſol- te/ ſo muͤſte ich bekennen/ daß ich dieſen ſachen noch niemals ſo wert nachgedacht/ viel weniger Gott dem Herren dafuͤr ge- dancket habe/ daß er mich zu einem Vernuͤnfftigen Menſch- en erſchaffen. Meine Geliebten/ ſolten wir heute vnter vns ein Exa- Nach dem andern Artickel vnſers Chriſtlichen Glau-2. in den
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Leichpredigt.
erkenne ich heute mit danckbarn Hertzen vnd kan mich vor
groſſer frewde deß weinens nicht enthalten. Vber ſolcher re-
de verwundert ſich der Cardinal/ reitet wieder zu ſeinem Ge-
ſellen vnd ſpricht: Fuͤrwar/ fuͤrwar/ dieſes arme vnanſehn-
liche Schaffhirtlein iſt viel heiliger vnd andaͤchtiger als wir
geiſtlichen Prælaten ſein/ den wenn ich alle warheit ſagen ſol-
te/ ſo muͤſte ich bekennen/ daß ich dieſen ſachen noch niemals
ſo wert nachgedacht/ viel weniger Gott dem Herren dafuͤr ge-
dancket habe/ daß er mich zu einem Vernuͤnfftigen Menſch-
en erſchaffen.
Meine Geliebten/ ſolten wir heute vnter vns ein Exa-
men anſtellen/ gewißlich wuͤrde mancher gefunden werden/
der mit dieſem Cardinal gleicher complexion ſich befinde.
Aber ſeyd doch nicht wie Roſſe vnd Meuler die keinen ver-
ſtand haben ſagt David Pſal. 32. ſondern ein jeglicher er-
muntere ſein Hertz zu einer Chriſtlichen danckſagung vnnd
ſpreche mit David aus dem 139. Pſal. Ach Herr/ ich dancke
dir daruͤber/ daß ich wunderbarlich gemacht bin/ wunder-
barlich ſind deine Werck/ vnnd das erkennet meine Seele
wohl.
Pſalm. 32.
Pſalm. 139.
Nach dem andern Artickel vnſers Chriſtlichen Glau-
bens gibt vns der Herr Chriſtus vitam gratiæ das gnaden
leben oder das geiſtliche leben welches von dem natuͤrlichen
leben weit abgeſondert iſt/ denn ob zwar wol anfenglich der
Menſch heilig vnd ohne alle Suͤnde war erſchaffen worden/
ſo iſt er doch in ſolchem ſeligen Zuſtande nicht lange blie-
ben/ ſondern hat ſich zum Teuffel geſellet vnnd mit dem-
ſelben Kundſchafft gemacht/ welcher jhn auch gar bald
in den
2.
Das geiſtli-
che Leben.
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