Römer, Daniel: Jesus! Himmels-Verlangen Stillt Seelen-Bangen. Bautzen, 1678.Himmels-Verlangen desideratur, tanto expectantis desideria majori quadamvi amoris ignescunt, caro deficit, sed desiderium alitur & augetur; Je länger ein verlangender Mensch auf das jentge muß warten/ das er verlanget/ je mehr werden seine verlangen- de Begierden durch die Krafft und Macht der Liebe angefeuert und entzündet/ das Fleisch nimmt abe/ aber das Verlangen wird genähret und vermehret. Und ist also diß sehnendes Verlangen eine solche Hertz-innigliche Regung und Bewegung der Gemüths- Neigung/ da ein Mensch das jenige/ was er nicht in der That hat/ also verlanget zu haben/ daß er auch anders nicht/ als in demsel- ben/ mit dem selben/ durch dasselbe/ was er verlanget/ zu leben und zu sterben begehret. Damit aber E. L. diß sehnliches Ver- langen in etwas besser verstehen möge/ wil Jch Jhnen dasselbe in etlichen Gleichnissen vorstellen. Wann die natürliche Wärme eines Menschen die genossene Speise und Tranck verzehret hat/ so folget darauf bey einem lebenden Menschen ein Hunger nach warmen und truckenen Speisen/ und ein Durst nach einem feuch- Arist. de Anim. 2. Sum. 2. Text. 8.ten kühlenden Trunck/ worbey der Geschmack statt eines Gewür- tzes ist. Wann die Hitze des Creutzes/ der Aufechtungen/ des Zorus GOttes in dem Hertzen eines GOtt-ergebenen Menschen alle Krafft und Safft der Göttlichen Tröstungen/ alle Feuchtigkeit des Göttlichen Thaues/ der Gnaden GOttes ausgezehret und ausgebrant hat/ so entstehet alsdann in ihm ein solch Göttliches und Hertz-innigliches Verlangen/ welches der HERR JEsus selber einen Geistlichen Hunger und Durst benennet/ wann ER Matth. 5. vers. 6.spricht: Seelig sind/ die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit/ dann sie sollen satt werden. Von dem Ver- L. 8. c. 32.langen nach frischen Wasser derer Hirsche schreibet nicht allein Plinius, sondern auch Augustinus, Ambrosius, und andere Kirchen-Lehrer/ daß es einen Wunder- und sonderbahren Ur- sprung habe. Nemlich die gütige Natur hat diesem Thiere ein- gegeben/
Himmels-Verlangen deſideratur, tantò expectantis deſideria majori quâdamvi amoris igneſcunt, caro deficit, ſed deſiderium alitur & augetur; Je laͤnger ein verlangender Menſch auf das jentge muß warten/ das er verlanget/ je mehr werden ſeine verlangen- de Begierden durch die Krafft und Macht der Liebe angefeuert und entzuͤndet/ das Fleiſch nimmt abe/ aber das Verlangen wird genaͤhret und vermehret. Und iſt alſo diß ſehnendes Verlangen eine ſolche Hertz-innigliche Regung und Bewegung der Gemuͤths- Neigung/ da ein Menſch das jenige/ was er nicht in der That hat/ alſo verlanget zu haben/ daß er auch anders nicht/ als in demſel- ben/ mit dem ſelben/ durch daſſelbe/ was er verlanget/ zu leben und zu ſterben begehret. Damit aber E. L. diß ſehnliches Ver- langen in etwas beſſer verſtehen moͤge/ wil Jch Jhnen daſſelbe in etlichen Gleichniſſen vorſtellen. Wann die natuͤrliche Waͤrme eines Menſchen die genoſſene Speiſe und Tranck verzehret hat/ ſo folget darauf bey einem lebenden Menſchen ein Hunger nach warmen und truckenen Speiſen/ und ein Durſt nach einem feuch- Ariſt. de Anim. 2. Sum. 2. Text. 8.ten kuͤhlenden Trunck/ worbey der Geſchmack ſtatt eines Gewuͤr- tzes iſt. Wann die Hitze des Creutzes/ der Aufechtungen/ des Zorus GOttes in dem Hertzen eines GOtt-ergebenen Menſchen alle Krafft und Safft der Goͤttlichen Tröſtungen/ alle Feuchtigkeit des Göttlichen Thaues/ der Gnaden GOttes ausgezehret und ausgebrant hat/ ſo entſtehet alsdann in ihm ein ſolch Goͤttliches und Hertz-innigliches Verlangen/ welches der HERR JEſus ſelber einen Geiſtlichen Hunger und Durſt benennet/ wann ER Matth. 5. verſ. 6.ſpricht: Seelig ſind/ die da hungert und duͤrſtet nach der Gerechtigkeit/ dann ſie ſollen ſatt werden. Von dem Ver- L. 8. c. 32.langen nach friſchen Waſſer derer Hirſche ſchreibet nicht allein Plinius, ſondern auch Auguſtinus, Ambroſius, und andere Kirchen-Lehrer/ daß es einen Wunder- und ſonderbahren Ur- ſprung habe. Nemlich die guͤtige Natur hat dieſem Thiere ein- gegeben/
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Himmels-Verlangen
deſideratur, tantò expectantis deſideria majori quâdam
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& augetur; Je laͤnger ein verlangender Menſch auf das jentge
muß warten/ das er verlanget/ je mehr werden ſeine verlangen-
de Begierden durch die Krafft und Macht der Liebe angefeuert
und entzuͤndet/ das Fleiſch nimmt abe/ aber das Verlangen wird
genaͤhret und vermehret. Und iſt alſo diß ſehnendes Verlangen eine
ſolche Hertz-innigliche Regung und Bewegung der Gemuͤths-
Neigung/ da ein Menſch das jenige/ was er nicht in der That hat/
alſo verlanget zu haben/ daß er auch anders nicht/ als in demſel-
ben/ mit dem ſelben/ durch daſſelbe/ was er verlanget/ zu leben
und zu ſterben begehret. Damit aber E. L. diß ſehnliches Ver-
langen in etwas beſſer verſtehen moͤge/ wil Jch Jhnen daſſelbe in
etlichen Gleichniſſen vorſtellen. Wann die natuͤrliche Waͤrme
eines Menſchen die genoſſene Speiſe und Tranck verzehret hat/
ſo folget darauf bey einem lebenden Menſchen ein Hunger nach
warmen und truckenen Speiſen/ und ein Durſt nach einem feuch-
ten kuͤhlenden Trunck/ worbey der Geſchmack ſtatt eines Gewuͤr-
tzes iſt. Wann die Hitze des Creutzes/ der Aufechtungen/ des Zorus
GOttes in dem Hertzen eines GOtt-ergebenen Menſchen alle
Krafft und Safft der Goͤttlichen Tröſtungen/ alle Feuchtigkeit
des Göttlichen Thaues/ der Gnaden GOttes ausgezehret und
ausgebrant hat/ ſo entſtehet alsdann in ihm ein ſolch Goͤttliches
und Hertz-innigliches Verlangen/ welches der HERR JEſus
ſelber einen Geiſtlichen Hunger und Durſt benennet/ wann ER
ſpricht: Seelig ſind/ die da hungert und duͤrſtet nach der
Gerechtigkeit/ dann ſie ſollen ſatt werden. Von dem Ver-
langen nach friſchen Waſſer derer Hirſche ſchreibet nicht allein
Plinius, ſondern auch Auguſtinus, Ambroſius, und andere
Kirchen-Lehrer/ daß es einen Wunder- und ſonderbahren Ur-
ſprung habe. Nemlich die guͤtige Natur hat dieſem Thiere ein-
gegeben/
Ariſt. de
Anim. 2.
Sum. 2.
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Matth. 5.
verſ. 6.
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