Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733].

Bild:
<< vorherige Seite

Was liegen hier vor viele Hertzen!*
Was muß das vor ein Palm-Baum seyn,
Der sich nicht zu der Erden bieget,
Wenn ihme eine solche Last,
Wie Böttnern, auf dem Halse lieget,
Und die viel Centner in sich faßt!

Seht! wie mein Geist, bey dem Erblicken
So vieler Gräber, stutzig ist;
Seht! wie, die Wehmuth auszudrücken,
Er solches mit sich selbst vergist;
Jedoch die Schrifft, so Deine Glieder,
Erblaßte Theodora, deckt,
Hat die erstaunten Sinnen wieder
Aus seinem Schlummer aufgeweckt.
Du Ausbund reinester Narcissen,
Du, derer Rosen Ebenbild,
Die Lethens Hand zerpflückt, zerrissen,
Die Moder, Asch und Staub verhüllt!
Die Sonne nahet sich zum Lentzen,
Und dichtet schon, das kahle Feld
Mit neuen Blumen zu bekräntzen,
Die sie zur Zeit vergraben hält.
O Einfall! der den trüben Sinnen
Nur leere Freude vorgemahlt,
O Schatten! der nicht zu gewinnen;
Was einmahl die Natur bezahlt,
Kan nicht aus seiner Erde gehen,
Biß daß die letzte Sommers-Zeit
Durch allgemeines Auferstehen
Uns auf dergleichen Art erfreut.
Wenn Phoebus mit verhängtem Zügel
Von unserm Erden-Kreysse flieht,
Und
* Auf dem Kirchhofe zum Creutze Christi liegen nunmehro Sieben Zwei-
ge
von dem Böttnerischen Stamme begraben.

Was liegen hier vor viele Hertzen!*
Was muß das vor ein Palm-Baum ſeyn,
Der ſich nicht zu der Erden bieget,
Wenn ihme eine ſolche Laſt,
Wie Boͤttnern, auf dem Halſe lieget,
Und die viel Centner in ſich faßt!

Seht! wie mein Geiſt, bey dem Erblicken
So vieler Graͤber, ſtutzig iſt;
Seht! wie, die Wehmuth auszudruͤcken,
Er ſolches mit ſich ſelbſt vergiſt;
Jedoch die Schrifft, ſo Deine Glieder,
Erblaßte Theodora, deckt,
Hat die erſtaunten Sinnen wieder
Aus ſeinem Schlummer aufgeweckt.
Du Ausbund reineſter Narciſſen,
Du, derer Roſen Ebenbild,
Die Lethens Hand zerpfluͤckt, zerriſſen,
Die Moder, Aſch und Staub verhuͤllt!
Die Sonne nahet ſich zum Lentzen,
Und dichtet ſchon, das kahle Feld
Mit neuen Blumen zu bekraͤntzen,
Die ſie zur Zeit vergraben haͤlt.
O Einfall! der den truͤben Sinnen
Nur leere Freude vorgemahlt,
O Schatten! der nicht zu gewinnen;
Was einmahl die Natur bezahlt,
Kan nicht aus ſeiner Erde gehen,
Biß daß die letzte Sommers-Zeit
Durch allgemeines Auferſtehen
Uns auf dergleichen Art erfreut.
Wenn Phœbus mit verhaͤngtem Zuͤgel
Von unſerm Erden-Kreyſſe flieht,
Und
* Auf dem Kirchhofe zum Creutze Chriſti liegen nunmehro Sieben Zwei-
ge
von dem Boͤttneriſchen Stamme begraben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsEpicedia" n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="2">
              <pb facs="#f0074" n="[74]"/>
              <l> <hi rendition="#fr">Was liegen hier vor viele Hertzen!</hi> <note place="foot" n="*">Auf dem Kirchhofe zum Creutze Chri&#x017F;ti liegen nunmehro <hi rendition="#fr">Sieben Zwei-<lb/>
ge</hi> von dem Bo&#x0364;ttneri&#x017F;chen Stamme begraben.</note>
              </l><lb/>
              <l>Was muß das vor ein Palm-Baum &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ich nicht zu der Erden bieget,</l><lb/>
              <l>Wenn ihme eine &#x017F;olche La&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Wie <hi rendition="#fr">Bo&#x0364;ttnern,</hi> auf dem Hal&#x017F;e lieget,</l><lb/>
              <l>Und die viel Centner in &#x017F;ich faßt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Seht! wie mein Gei&#x017F;t, bey dem Erblicken</l><lb/>
              <l>So <hi rendition="#fr">vieler Gra&#x0364;ber,</hi> &#x017F;tutzig i&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Seht! wie, die Wehmuth auszudru&#x0364;cken,</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;olches mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vergi&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Jedoch die <hi rendition="#fr">Schrifft,</hi> &#x017F;o <hi rendition="#fr">Deine</hi> Glieder,</l><lb/>
              <l><hi rendition="#fr">Erblaßte Theodora,</hi> deckt,</l><lb/>
              <l>Hat die er&#x017F;taunten Sinnen wieder</l><lb/>
              <l>Aus &#x017F;einem Schlummer aufgeweckt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Du <hi rendition="#fr">Ausbund</hi> reine&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Narci&#x017F;&#x017F;</hi>en,</l><lb/>
              <l>Du, derer Ro&#x017F;en Ebenbild,</l><lb/>
              <l>Die <hi rendition="#aq">Leth</hi>ens Hand zerpflu&#x0364;ckt, zerri&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Die Moder, A&#x017F;ch und Staub verhu&#x0364;llt!</l><lb/>
              <l>Die Sonne nahet &#x017F;ich zum Lentzen,</l><lb/>
              <l>Und dichtet &#x017F;chon, das kahle Feld</l><lb/>
              <l>Mit neuen Blumen zu bekra&#x0364;ntzen,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ie zur Zeit vergraben ha&#x0364;lt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>O Einfall! der den tru&#x0364;ben Sinnen</l><lb/>
              <l>Nur leere Freude vorgemahlt,</l><lb/>
              <l>O Schatten! der nicht zu gewinnen;</l><lb/>
              <l>Was einmahl die Natur bezahlt,</l><lb/>
              <l>Kan nicht aus &#x017F;einer Erde gehen,</l><lb/>
              <l>Biß daß die letzte Sommers-Zeit</l><lb/>
              <l>Durch allgemeines Aufer&#x017F;tehen</l><lb/>
              <l>Uns auf dergleichen Art erfreut.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Wenn <hi rendition="#aq">Ph&#x0153;bus</hi> mit verha&#x0364;ngtem Zu&#x0364;gel</l><lb/>
              <l>Von un&#x017F;erm Erden-Krey&#x017F;&#x017F;e flieht,</l><lb/>
              <fw type="catch" place="bottom">Und</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[74]/0074] Was liegen hier vor viele Hertzen! * Was muß das vor ein Palm-Baum ſeyn, Der ſich nicht zu der Erden bieget, Wenn ihme eine ſolche Laſt, Wie Boͤttnern, auf dem Halſe lieget, Und die viel Centner in ſich faßt! Seht! wie mein Geiſt, bey dem Erblicken So vieler Graͤber, ſtutzig iſt; Seht! wie, die Wehmuth auszudruͤcken, Er ſolches mit ſich ſelbſt vergiſt; Jedoch die Schrifft, ſo Deine Glieder, Erblaßte Theodora, deckt, Hat die erſtaunten Sinnen wieder Aus ſeinem Schlummer aufgeweckt. Du Ausbund reineſter Narciſſen, Du, derer Roſen Ebenbild, Die Lethens Hand zerpfluͤckt, zerriſſen, Die Moder, Aſch und Staub verhuͤllt! Die Sonne nahet ſich zum Lentzen, Und dichtet ſchon, das kahle Feld Mit neuen Blumen zu bekraͤntzen, Die ſie zur Zeit vergraben haͤlt. O Einfall! der den truͤben Sinnen Nur leere Freude vorgemahlt, O Schatten! der nicht zu gewinnen; Was einmahl die Natur bezahlt, Kan nicht aus ſeiner Erde gehen, Biß daß die letzte Sommers-Zeit Durch allgemeines Auferſtehen Uns auf dergleichen Art erfreut. Wenn Phœbus mit verhaͤngtem Zuͤgel Von unſerm Erden-Kreyſſe flieht, Und * Auf dem Kirchhofe zum Creutze Chriſti liegen nunmehro Sieben Zwei- ge von dem Boͤttneriſchen Stamme begraben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/542451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/542451/74
Zitationshilfe: Böttner, Konrad: I. N. J. Der Nach Gottes Willen seelig entschlaffenen Gott und Tugend ergebenen Jungfer. Lauban, [1733], S. [74]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/542451/74>, abgerufen am 24.11.2024.