Seidel, Samuel: Schlaf wohl!. 2. Aufl. Lauban, 1733.Alsdenn brecht wieder loß, und sammlet euch vor Sie, Vor meine Böttnerin, die holde Taube die, Denn fließt, so lang ihr könnt, fließt, biß ich einst verstiebe: Jhr seyd und bleibt auch mir die Lust bestürtzter Liebe. Nur itzt, nur dieses mahl laßt Aug und Hertz in Ruh! Doch du, mein stiller Harm, du stumme Wehmuth du, Gieb gleichwohl Rath zu dem, was ich in Reime bringe, Damit mein Jammerthon nur nach dem Hertzen klinge, Das weiter nichts enthält, als ein verwirrt Geschrey, So, gleich dem Wiederhall der öden Wüsteney, Der sich im Augenblick offt hundertfach vermehret, Den Geist in Schrecken setzt, und Geist und Sinn bethöret. O drücke ja den Schmertz um dieses Todten-Haus, So, wie er würklich ist, genau und lebhafft aus, Entwirff das edle Bild der trauten Theodoren; Doch mit der Schrifft daran: Gewünscht, erlangt, verlohren! Und alles diß zugleich in gar zu kurtzer Zeit: Je schneller der Verlust; ie schmertzlicher mein Leid! Mein GOTT! wie gar zu stark hilfft dis den Harm erweitern: Sein Schiff im Haafen sehn; und noch im Haafen scheitern. Doch hilff auch du zugleich, die du mich so gebeugt, O Liebe, die du dich so hart für mich bezeigt, Und laß mich noch einmahl nach deiner Leitung fragen; Hast du mich erst erfreut, so hilff mir itzt auch klagen. Flöß meinem Geiste Krafft, den Worten Nachdruck ein, Dann wird mein Leichen-Lied erst rein und zärtlich seyn, Dann ist es ja so schön und unverfälscht zu lesen, Als meiner Böttnerin getreues Hertz gewesen. Setz alle Kunst bey Seit, und nichts sonst aufs Papier, Als den der Wahrheit selbst bekannten Ruhm von Jhr, An dessen Glantze sich die Tugend hier bespiegelt, Und dessen Werth nun gar die Ewigkeit besiegelt. Beschleunige den Zweck der matten Dichterey: Zwölff Wochen schläfft bereits das Muster keuscher Treu, Zwölff Wochen fehlt mir schon die Helffte meines Lebens; Und gleichwohl heischt die Pflicht noch immerfort vergebens, Was
Alsdenn brecht wieder loß, und ſammlet euch vor Sie, Vor meine Boͤttnerin, die holde Taube die, Denn fließt, ſo lang ihr koͤnnt, fließt, biß ich einſt verſtiebe: Jhr ſeyd und bleibt auch mir die Luſt beſtuͤrtzter Liebe. Nur itzt, nur dieſes mahl laßt Aug und Hertz in Ruh! Doch du, mein ſtiller Harm, du ſtumme Wehmuth du, Gieb gleichwohl Rath zu dem, was ich in Reime bringe, Damit mein Jammerthon nur nach dem Hertzen klinge, Das weiter nichts enthaͤlt, als ein verwirrt Geſchrey, So, gleich dem Wiederhall der oͤden Wuͤſteney, Der ſich im Augenblick offt hundertfach vermehret, Den Geiſt in Schrecken ſetzt, und Geiſt und Sinn bethoͤret. O druͤcke ja den Schmertz um dieſes Todten-Haus, So, wie er wuͤrklich iſt, genau und lebhafft aus, Entwirff das edle Bild der trauten Theodoren; Doch mit der Schrifft daran: Gewuͤnſcht, erlangt, verlohren! Und alles diß zugleich in gar zu kurtzer Zeit: Je ſchneller der Verluſt; ie ſchmertzlicher mein Leid! Mein GOTT! wie gar zu ſtark hilfft dis den Harm erweitern: Sein Schiff im Haafen ſehn; und noch im Haafen ſcheitern. Doch hilff auch du zugleich, die du mich ſo gebeugt, O Liebe, die du dich ſo hart fuͤr mich bezeigt, Und laß mich noch einmahl nach deiner Leitung fragen; Haſt du mich erſt erfreut, ſo hilff mir itzt auch klagen. Floͤß meinem Geiſte Krafft, den Worten Nachdruck ein, Dann wird mein Leichen-Lied erſt rein und zaͤrtlich ſeyn, Dann iſt es ja ſo ſchoͤn und unverfaͤlſcht zu leſen, Als meiner Boͤttnerin getreues Hertz geweſen. Setz alle Kunſt bey Seit, und nichts ſonſt aufs Papier, Als den der Wahrheit ſelbſt bekannten Ruhm von Jhr, An deſſen Glantze ſich die Tugend hier beſpiegelt, Und deſſen Werth nun gar die Ewigkeit beſiegelt. Beſchleunige den Zweck der matten Dichterey: Zwoͤlff Wochen ſchlaͤfft bereits das Muſter keuſcher Treu, Zwoͤlff Wochen fehlt mir ſchon die Helffte meines Lebens; Und gleichwohl heiſcht die Pflicht noch immerfort vergebens, Was
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Alsdenn brecht wieder loß, und ſammlet euch vor Sie,
Vor meine Boͤttnerin, die holde Taube die,
Denn fließt, ſo lang ihr koͤnnt, fließt, biß ich einſt verſtiebe:
Jhr ſeyd und bleibt auch mir die Luſt beſtuͤrtzter Liebe.
Nur itzt, nur dieſes mahl laßt Aug und Hertz in Ruh!
Doch du, mein ſtiller Harm, du ſtumme Wehmuth du,
Gieb gleichwohl Rath zu dem, was ich in Reime bringe,
Damit mein Jammerthon nur nach dem Hertzen klinge,
Das weiter nichts enthaͤlt, als ein verwirrt Geſchrey,
So, gleich dem Wiederhall der oͤden Wuͤſteney,
Der ſich im Augenblick offt hundertfach vermehret,
Den Geiſt in Schrecken ſetzt, und Geiſt und Sinn bethoͤret.
O druͤcke ja den Schmertz um dieſes Todten-Haus,
So, wie er wuͤrklich iſt, genau und lebhafft aus,
Entwirff das edle Bild der trauten Theodoren;
Doch mit der Schrifft daran: Gewuͤnſcht, erlangt, verlohren!
Und alles diß zugleich in gar zu kurtzer Zeit:
Je ſchneller der Verluſt; ie ſchmertzlicher mein Leid!
Mein GOTT! wie gar zu ſtark hilfft dis den Harm erweitern:
Sein Schiff im Haafen ſehn; und noch im Haafen ſcheitern.
Doch hilff auch du zugleich, die du mich ſo gebeugt,
O Liebe, die du dich ſo hart fuͤr mich bezeigt,
Und laß mich noch einmahl nach deiner Leitung fragen;
Haſt du mich erſt erfreut, ſo hilff mir itzt auch klagen.
Floͤß meinem Geiſte Krafft, den Worten Nachdruck ein,
Dann wird mein Leichen-Lied erſt rein und zaͤrtlich ſeyn,
Dann iſt es ja ſo ſchoͤn und unverfaͤlſcht zu leſen,
Als meiner Boͤttnerin getreues Hertz geweſen.
Setz alle Kunſt bey Seit, und nichts ſonſt aufs Papier,
Als den der Wahrheit ſelbſt bekannten Ruhm von Jhr,
An deſſen Glantze ſich die Tugend hier beſpiegelt,
Und deſſen Werth nun gar die Ewigkeit beſiegelt.
Beſchleunige den Zweck der matten Dichterey:
Zwoͤlff Wochen ſchlaͤfft bereits das Muſter keuſcher Treu,
Zwoͤlff Wochen fehlt mir ſchon die Helffte meines Lebens;
Und gleichwohl heiſcht die Pflicht noch immerfort vergebens,
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