Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.Ich hatte Bendel mit einigen Goldsäcken vorausgeschickt, Ungefähr eine Stunde vom Orte, auf einem sonnigen Und dieser Auftritt, lieber Freund, mitten in der Sonne! Ich hatte Bendel mit einigen Goldſäcken vorausgeſchickt, Ungefähr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der Sonne! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0042" n="24"/> <p>Ich hatte <hi rendition="#g">Bendel</hi> mit einigen Goldſäcken vorausgeſchickt,<lb/> um mir im Städtchen eine Wohnung nach meinen Bedürf-<lb/> niſſen einzurichten. Er hatte dort viel Geld ausgeſtreut, und<lb/> ſich über den vornehmen Fremden, dem er diente, etwas unbe-<lb/> ſtimmt ausgedrückt, denn ich wollte nicht genannt ſein, das<lb/> brachte die guten Leute auf ſonderbare Gedanken. Sobald<lb/> mein Haus zu meinem Empfang bereit war, kam <hi rendition="#g">Bendel</hi><lb/> wieder zu mir und holte mich dahin ab. Wir machten uns auf die<lb/> Reiſe.</p><lb/> <p>Ungefähr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen<lb/> Plan, ward uns der Weg durch eine feſtlich geſchmückte Menge<lb/> verſperrt. Der Wagen hielt. Muſik, Glockengeläute, Kano-<lb/> nenſchüſſe wurden gehört, ein lautes Vivat durchdrang die<lb/> Luft, — vor dem Schlage des Wagens erſchien in weißen<lb/> Kleidern ein Chor Jungfrauen von ausnehmender Schönheit,<lb/> die aber vor der Einen, wie die Sterne der Nacht vor der<lb/> Sonne, verſchwanden. Sie trat aus der Mitte der Schwe-<lb/> ſtern hervor; die hohe zarte Bildung kniete verſchämt erröthend<lb/> vor mir nieder, und hielt mir auf ſeidenem Kiſſen einen aus<lb/> Lorbeer, Oelzweigen und Roſen geflochtenen Kranz entgegen,<lb/> indem ſie von Majeſtät, Ehrfurcht und Liebe einige Worte<lb/> ſprach, die ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Silber-<lb/> klang mein Ohr und Herz berauſchte, — es war mir, als<lb/> wäre ſchon einmal die himmliſche Erſcheinung an mir vorüber<lb/> gewallt. Der Chor fiel ein und ſang das Lob eines guten<lb/> Königs und das Glück ſeines Volkes.</p><lb/> <p>Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der Sonne!<lb/> Sie kniete noch immer zwei Schritte von mir, und ich, ohne<lb/> Schatten, konnte die Kluft nicht überſpringen, nicht wieder<lb/> vor dem Engel auf die Knie fallen. O, was hätt’ ich nicht<lb/> da für einen Schatten gegeben! Ich mußte meine Scham,<lb/> meine Angſt, meine Verzweiflung tief in den Grund meines<lb/> Wagens verbergen. <hi rendition="#g">Bendel</hi> beſann ſich endlich für mich,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0042]
Ich hatte Bendel mit einigen Goldſäcken vorausgeſchickt,
um mir im Städtchen eine Wohnung nach meinen Bedürf-
niſſen einzurichten. Er hatte dort viel Geld ausgeſtreut, und
ſich über den vornehmen Fremden, dem er diente, etwas unbe-
ſtimmt ausgedrückt, denn ich wollte nicht genannt ſein, das
brachte die guten Leute auf ſonderbare Gedanken. Sobald
mein Haus zu meinem Empfang bereit war, kam Bendel
wieder zu mir und holte mich dahin ab. Wir machten uns auf die
Reiſe.
Ungefähr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen
Plan, ward uns der Weg durch eine feſtlich geſchmückte Menge
verſperrt. Der Wagen hielt. Muſik, Glockengeläute, Kano-
nenſchüſſe wurden gehört, ein lautes Vivat durchdrang die
Luft, — vor dem Schlage des Wagens erſchien in weißen
Kleidern ein Chor Jungfrauen von ausnehmender Schönheit,
die aber vor der Einen, wie die Sterne der Nacht vor der
Sonne, verſchwanden. Sie trat aus der Mitte der Schwe-
ſtern hervor; die hohe zarte Bildung kniete verſchämt erröthend
vor mir nieder, und hielt mir auf ſeidenem Kiſſen einen aus
Lorbeer, Oelzweigen und Roſen geflochtenen Kranz entgegen,
indem ſie von Majeſtät, Ehrfurcht und Liebe einige Worte
ſprach, die ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Silber-
klang mein Ohr und Herz berauſchte, — es war mir, als
wäre ſchon einmal die himmliſche Erſcheinung an mir vorüber
gewallt. Der Chor fiel ein und ſang das Lob eines guten
Königs und das Glück ſeines Volkes.
Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der Sonne!
Sie kniete noch immer zwei Schritte von mir, und ich, ohne
Schatten, konnte die Kluft nicht überſpringen, nicht wieder
vor dem Engel auf die Knie fallen. O, was hätt’ ich nicht
da für einen Schatten gegeben! Ich mußte meine Scham,
meine Angſt, meine Verzweiflung tief in den Grund meines
Wagens verbergen. Bendel beſann ſich endlich für mich,
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