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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.

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hörte dem wohlberedten Manne gerne zu, der meine Auf-
merksamkeit von meinen Leiden auf sich selbst abgelenkt, und
ich hätte mich ihm willig ergeben, wenn er meine Seele wie
meinen Verstand in Anspruch genommen hätte.

Mittlerweile war die Zeit hingegangen, und unbemerkt
hatte schon die Morgendämmerung den Himmel erhellt; ich
erschrak, als ich mit einem Mal aufblickte und im Osten die
Pracht der Farben sich entfalten sah, die die nahe Sonne ver-
künden, und gegen sie war in dieser Stunde, wo die Schlag-
schatten mit ihrer ganzen Ausdehnung prunken, kein Schutz,
kein Bollwerk in der offenen Gegend zu erseh'n! und ich war
nicht allein! Ich warf einen Blick auf meinen Begleiter, und
erschrak wieder. -- Es war kein Anderer, als der Mann im
grauen Rock.

Er lächelte über meine Bestürzung, und fuhr fort, ohne
mich zum Wort kommen zu lassen: "Laßt doch, wie es einmal
in der Welt Sitte ist, unsern wechselseitigen Vortheil uns auf
eine Weile verbinden, zu scheiden haben wir immer noch
Zeit. Die Straße hier längs dem Gebirge, ob Sie gleich
noch nicht daran gedacht haben, ist doch die einzige, die Sie
vernünftiger Weise einschlagen können; hinab in das Thal
dürfen Sie nicht, und über das Gebirg werden Sie noch we-
niger zurückkehren wollen, von wo Sie hergekommen sind --
diese ist auch gerade meine Straße. -- Ich sehe Sie schon
vor der aufgehenden Sonne erblassen. Ich will Ihnen Ihren
Schatten auf die Zeit unserer Gesellschaft leihen, und Sie
dulden mich dafür in Ihrer Nähe; Sie haben so Ihren Ben-
del
nicht mehr bei sich; ich will Ihnen gute Dienste leisten.
Sie lieben mich nicht, das ist mir leid. Sie können mich
darum doch benutzen. Der Teufel ist nicht so schwarz, als man
ihn malt. Gestern haben Sie mich geärgert, das ist wahr,
heute will ich's Ihnen nicht nachtragen, und ich habe Ihnen
schon den Weg bis hieher verkürzt, das müssen Sie selbst ge-

hörte dem wohlberedten Manne gerne zu, der meine Auf-
merkſamkeit von meinen Leiden auf ſich ſelbſt abgelenkt, und
ich hätte mich ihm willig ergeben, wenn er meine Seele wie
meinen Verſtand in Anſpruch genommen hätte.

Mittlerweile war die Zeit hingegangen, und unbemerkt
hatte ſchon die Morgendämmerung den Himmel erhellt; ich
erſchrak, als ich mit einem Mal aufblickte und im Oſten die
Pracht der Farben ſich entfalten ſah, die die nahe Sonne ver-
künden, und gegen ſie war in dieſer Stunde, wo die Schlag-
ſchatten mit ihrer ganzen Ausdehnung prunken, kein Schutz,
kein Bollwerk in der offenen Gegend zu erſeh’n! und ich war
nicht allein! Ich warf einen Blick auf meinen Begleiter, und
erſchrak wieder. — Es war kein Anderer, als der Mann im
grauen Rock.

Er lächelte über meine Beſtürzung, und fuhr fort, ohne
mich zum Wort kommen zu laſſen: »Laßt doch, wie es einmal
in der Welt Sitte iſt, unſern wechſelſeitigen Vortheil uns auf
eine Weile verbinden, zu ſcheiden haben wir immer noch
Zeit. Die Straße hier längs dem Gebirge, ob Sie gleich
noch nicht daran gedacht haben, iſt doch die einzige, die Sie
vernünftiger Weiſe einſchlagen können; hinab in das Thal
dürfen Sie nicht, und über das Gebirg werden Sie noch we-
niger zurückkehren wollen, von wo Sie hergekommen ſind —
dieſe iſt auch gerade meine Straße. — Ich ſehe Sie ſchon
vor der aufgehenden Sonne erblaſſen. Ich will Ihnen Ihren
Schatten auf die Zeit unſerer Geſellſchaft leihen, und Sie
dulden mich dafür in Ihrer Nähe; Sie haben ſo Ihren Ben-
del
nicht mehr bei ſich; ich will Ihnen gute Dienſte leiſten.
Sie lieben mich nicht, das iſt mir leid. Sie können mich
darum doch benutzen. Der Teufel iſt nicht ſo ſchwarz, als man
ihn malt. Geſtern haben Sie mich geärgert, das iſt wahr,
heute will ich’s Ihnen nicht nachtragen, und ich habe Ihnen
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[59/0077] hörte dem wohlberedten Manne gerne zu, der meine Auf- merkſamkeit von meinen Leiden auf ſich ſelbſt abgelenkt, und ich hätte mich ihm willig ergeben, wenn er meine Seele wie meinen Verſtand in Anſpruch genommen hätte. Mittlerweile war die Zeit hingegangen, und unbemerkt hatte ſchon die Morgendämmerung den Himmel erhellt; ich erſchrak, als ich mit einem Mal aufblickte und im Oſten die Pracht der Farben ſich entfalten ſah, die die nahe Sonne ver- künden, und gegen ſie war in dieſer Stunde, wo die Schlag- ſchatten mit ihrer ganzen Ausdehnung prunken, kein Schutz, kein Bollwerk in der offenen Gegend zu erſeh’n! und ich war nicht allein! Ich warf einen Blick auf meinen Begleiter, und erſchrak wieder. — Es war kein Anderer, als der Mann im grauen Rock. Er lächelte über meine Beſtürzung, und fuhr fort, ohne mich zum Wort kommen zu laſſen: »Laßt doch, wie es einmal in der Welt Sitte iſt, unſern wechſelſeitigen Vortheil uns auf eine Weile verbinden, zu ſcheiden haben wir immer noch Zeit. Die Straße hier längs dem Gebirge, ob Sie gleich noch nicht daran gedacht haben, iſt doch die einzige, die Sie vernünftiger Weiſe einſchlagen können; hinab in das Thal dürfen Sie nicht, und über das Gebirg werden Sie noch we- niger zurückkehren wollen, von wo Sie hergekommen ſind — dieſe iſt auch gerade meine Straße. — Ich ſehe Sie ſchon vor der aufgehenden Sonne erblaſſen. Ich will Ihnen Ihren Schatten auf die Zeit unſerer Geſellſchaft leihen, und Sie dulden mich dafür in Ihrer Nähe; Sie haben ſo Ihren Ben- del nicht mehr bei ſich; ich will Ihnen gute Dienſte leiſten. Sie lieben mich nicht, das iſt mir leid. Sie können mich darum doch benutzen. Der Teufel iſt nicht ſo ſchwarz, als man ihn malt. Geſtern haben Sie mich geärgert, das iſt wahr, heute will ich’s Ihnen nicht nachtragen, und ich habe Ihnen ſchon den Weg bis hieher verkürzt, das müſſen Sie ſelbſt ge-

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/Yw_7531_1/77>, abgerufen am 21.11.2024.