Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Abelin, Johann Philipp: Theatrum Europaeum, Oder Außführliche/ und Wahrhaftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten. Frankfurt (Main), 1635.

Bild:
<< vorherige Seite

darzu das Hauß biß auff den Grund nidergerissen.

Inmittelst hatte sich der alte Kayser Sultan Oßmann mit etlich seinen getrewen Fre unden / in seinem Garten an einem heimblichen Orth / da viel Falconetlein gestanden / versteckt gehabt / biß diese Fury fürvber rauschen möchte / vnd weil er sich bey Tag nicht dörffen sehen lassen / als ließ er die folgende Nacht den Secundo Vezier Vscin Bassa vnd der Janitzaren Aga (welcher wegen der empfangenen Steinwürff in Kopff verwundet war) zu sich beruffen / vnnd beneben dem Bostangi Bassa berahtschlaget / was doch in diesem Fall zuthun seyn möchte? Vnd ob wohl Oßmann in willens war / in Astam zu fliehen / so wolte es doch der Bostangi (welcher seines Kopffs förchtete / weil jm getrohet worden / wann er den Kayser davon ließ / so solte er enthauptet werden) nicht gestatten noch gut heissen / sondern sagte / es were viel besser / er gebe sich mit etlichen Beuteln voll Zechiriden Janitzaren in die Hände / vnnd trachtete zugleich / sie mit grossen Verheissungen zu stillen / weil seine Persöhnliche Gegenwart diesem leidigen Werck viel mehr als alle andere Sachen nutz seyn köndten / rc. Diesem Rath vnd Vorschlag / so eusserlich gut schiene / vnd doch zun Verlust seines Kayserthumbs / vnd eigenen Lebens gereichte / folgte er / verkleidete sich darauff / vnd begab sich den folgenden Morgen (welcher war der 10. 20. May) sehr frühe mit dem Vscin Bassa vnnd Aga Dißianizar (welchen etliche für den Aga der Spachi halten) in deß verstorbenen Aga der Janitzaren Hauß / alda hat der arme Sultan Oßmann gedachte beyde zum höchsten gebethen / sie solten allen möglichen Fleiß ankehren / damit jhm die Janitzaren verzeihen / vnd von jhrer Furi ablassen möchten: vnd damit sie solches desto leichter vnd eher erlangen könten / erlaubte er jhnen / jedem Janitzaren 50. Goldtstück vnd einen Rock von Venedischem Tuch zu verheissen / vnd daß er jhnen jhre Besoldung täglich mit drey (etliche schreiben mit 5.) Aspern verbessern wolte / rc. Vnd ob wol der Vscin Bassa vnd der bemelte Aga solche Werbung vngern auff sich nahmen / auch ohn den Sultan Oßmann sich vnder das rebellische Kriegsvolck nit wagen wolten / so hat doch endtlichen Oßmann mit vielem Bitten / Flehen vnnd Verheissungen solch sein Begehren bey jhnen erhalten: Worauff sie beyde sich zu dem versambleten Kriegsvolck begeben: vnnd als sie bey demselben vmb versicherung jhres Lebens vnd gutwillige Verzeihung (im Fall sie etwas / so jhnen nit allerdings gefiele / reden vnd vorbringen würden) angehalten / welches jnen auch zugesagt / aber doch nit gehalten worden: Dann als sie jhre Werbung vom Sultan Oßman vmbständlich vorgebracht / sind die Kriegsleut noch hefftiger erbittert worden / vnnd haben die Türckischen Spachi oder Reutter / so bey den Janitzaren waren / nach jhren Säbeln gegriffen vnd gemelte beyde Anbringer zu Stücken gehawen / vnnd nochmals offentlich geruffen / daß sie keinen andern Kayser / als den Sultan Mustapha / wissen oder haben wolten: Vnd dieweil sie auß der nidergehawenen Anbringen verstanden / daß der Sultan Oßman in deß verstorbenen Janitzaren Aga Hauß were / sind sie Sultan Oßmann wird gefangen. in voller Fury auff selbiges zugelauffen; alda sie den armen Oßmann halb nackend vnder dem Tach sitzen gefunden / welcher als sie jhn herfür gezogen / sie zum höchsten gebethen / daß man jme das Leben schencken solte / darneben sich wegen dessen so vorgangen / auffs beste als er gekönt / excusirt / vnd dem Primo Vezier Dilaver Bassa vnnd Cißlar Aga die Schuld gegeben / welche jhm also vntrewlich gerathen hetten / etc.

Nun war die Nacht zuvor der newe Kayser Sultan Mustapha / vmb mehrer Sicherheit willen / auß dem alten Seraglio oder Pallast / in der Janitzaren Gemächer geführet worden. Darauff nahmen die Kriegsleuth den Oßmann / führeten jhn zu dem newen Kayser Mustapha / vnnd stelleten jhn demselben vor / daß er mit jhm / was jhne Mustapham für gut vnd rathsamb ansehe / vornehmen möchte. Als nun Oßmann jhn vmb Gnad vnd Verzeihung bath / auch jhn erjnnerte / daß er jhn / als er / Mustapha / hiebevor vom Kayserthumb abgesetzt worden / auch das Leben geschencket; derentwegen er an jetzo / weil sich das Glück wider gewendet / eben dergleichen von jhm auch hoffete. Darauff antwortet Mustapha; er hette das Leben durch Gottes Hülff / vnnd nicht durch jhne Oßmann / als der jhn nach seiner Müglichkeit geplaget / erhalten / da er sonsten seinerhalben längsten todt seyn müste: Vnd mit dieser harten Antwort befahle er / man solte jhn zu den sieben Thürnen führen / welches also bald geschehen; setzeten also den guten Oßmann auff ein Roß: als er aber fliehen wollen / vnnd zu solchem End das Roß mit den Füssen gestossen / haben sie jhn auffgehalten / vnd dem Pferd an die hindern Füß ein Seyl gebunden / daß es nicht hat lauffen können / hernach haben sie jn in die Mitte genommen / damit er sich nit vom Roß werffen vnnd außreissen möchte. Als Oßmann dieses gesehen / fragte er / was Vbels er dann gestifftet / daß man jhm ein so grosse Plage vnnd Spott anthäte? Dann er habe jhnen jhr Geschenck / Türckischem Gebrauch nach gegeben / jhre Besoldung richtig bezahlet / vnd sie allezeit der Gebühr nach geehret / vnnd weil sie nit haben wolten / daß er nach Mecha reysete / hette er schon verheissen / solches zu vnderlassen: So hetten sie sich wider die jenigen / so dieses Fürsatzes ein Vrsach gewesen / albereit nach jhrem Willen gerochen / daß sie also damit zu frieden seyn solten / rc. Aber die Janitzaren vnd Kriegsleut gaben jm zur Antwort / er hette alles Vbel verdienet / weil er sich vnterstanden / den Kayserlichen Schatz in Asiam zu führen / vnd ein newe Militiam oder Soldarescam zu formiren / da sie doch jres Theils jme hierzu keine Vrsach gegeben. Sie warffen jhm auch vor / er hette sich nit wie ein Kayser: sondern wie ein Subassi verhalten / weil er selbst täglich die Würtzhäusser / darinnen sie sich auffhalten / assaltirt vnd besucht / auch sie durch die Bostangi / wie die Böck binden: vnd ins Meer werffen lassen / welches seiner Vorfahren keiner gethan hette / etc.

darzu das Hauß biß auff den Grund nidergerissen.

Inmittelst hatte sich der alte Kayser Sultan Oßmann mit etlich seinen getrewen Fre unden / in seinem Garten an einem heimblichen Orth / da viel Falconetlein gestanden / versteckt gehabt / biß diese Fury fürvber rauschen möchte / vnd weil er sich bey Tag nicht dörffen sehen lassen / als ließ er die folgende Nacht den Secundo Vezier Vscin Bassa vnd der Janitzaren Aga (welcher wegen der empfangenen Steinwürff in Kopff verwundet war) zu sich beruffen / vnnd beneben dem Bostangi Bassa berahtschlaget / was doch in diesem Fall zuthun seyn möchte? Vnd ob wohl Oßmann in willens war / in Astam zu fliehen / so wolte es doch der Bostangi (welcher seines Kopffs förchtete / weil jm getrohet worden / wann er den Kayser davon ließ / so solte er enthauptet werden) nicht gestatten noch gut heissen / sondern sagte / es were viel besser / er gebe sich mit etlichen Beuteln voll Zechiriden Janitzaren in die Hände / vnnd trachtete zugleich / sie mit grossen Verheissungen zu stillen / weil seine Persöhnliche Gegenwart diesem leidigen Werck viel mehr als alle andere Sachen nutz seyn köndten / rc. Diesem Rath vñ Vorschlag / so eusserlich gut schiene / vnd doch zũ Verlust seines Kayserthumbs / vnd eigenen Lebens gereichte / folgte er / verkleidete sich darauff / vñ begab sich den folgenden Morgen (welcher war der 10. 20. May) sehr frühe mit dem Vscin Bassa vnnd Aga Dißianizar (welchen etliche für den Aga der Spachi halten) in deß verstorbenen Aga der Janitzaren Hauß / alda hat der arme Sultan Oßmann gedachte beyde zum höchsten gebethen / sie solten allen möglichen Fleiß ankehren / damit jhm die Janitzaren verzeihen / vnd von jhrer Furi ablassen möchten: vnd damit sie solches desto leichter vnd eher erlangen könten / erlaubte er jhnen / jedem Janitzaren 50. Goldtstück vnd einen Rock von Venedischem Tuch zu verheissen / vnd daß er jhnen jhre Besoldung täglich mit drey (etliche schreiben mit 5.) Aspern verbessern wolte / rc. Vnd ob wol der Vscin Bassa vnd der bemelte Aga solche Werbung vngern auff sich nahmen / auch ohn den Sultan Oßmann sich vnder das rebellische Kriegsvolck nit wagen wolten / so hat doch endtlichen Oßmann mit vielem Bitten / Flehen vnnd Verheissungen solch sein Begehren bey jhnen erhalten: Worauff sie beyde sich zu dem versambleten Kriegsvolck begeben: vnnd als sie bey demselben vmb versicherung jhres Lebens vnd gutwillige Verzeihung (im Fall sie etwas / so jhnen nit allerdings gefiele / reden vnd vorbringen würden) angehalten / welches jnen auch zugesagt / aber doch nit gehalten worden: Dann als sie jhre Werbũg vom Sultan Oßman vmbständlich vorgebracht / sind die Kriegsleut noch hefftiger erbittert worden / vnnd haben die Türckischen Spachi oder Reutter / so bey den Janitzaren waren / nach jhren Säbeln gegriffen vnd gemelte beyde Anbringer zu Stücken gehawen / vnnd nochmals offentlich geruffen / daß sie keinen andern Kayser / als den Sultan Mustapha / wissen oder haben wolten: Vnd dieweil sie auß der nidergehawenẽ Anbringen verstanden / daß der Sultan Oßman in deß verstorbenen Janitzarẽ Aga Hauß were / sind sie Sultan Oßmann wird gefangen. in voller Fury auff selbiges zugelauffen; alda sie den armen Oßmann halb nackend vnder dem Tach sitzen gefunden / welcher als sie jhn herfür gezogen / sie zum höchsten gebethen / daß man jme das Leben schencken solte / darneben sich wegen dessen so vorgangen / auffs beste als er gekönt / excusirt / vnd dem Primo Vezier Dilaver Bassa vnnd Cißlar Aga die Schuld gegeben / welche jhm also vntrewlich gerathen hetten / etc.

Nun war die Nacht zuvor der newe Kayser Sultan Mustapha / vmb mehrer Sicherheit willen / auß dem alten Seraglio oder Pallast / in der Janitzaren Gemächer geführet worden. Darauff nahmen die Kriegsleuth den Oßmann / führeten jhn zu dem newen Kayser Mustapha / vnnd stelleten jhn demselben vor / daß er mit jhm / was jhne Mustapham für gut vnd rathsamb ansehe / vornehmen möchte. Als nun Oßmann jhn vmb Gnad vnd Verzeihung bath / auch jhn erjnnerte / daß er jhn / als er / Mustapha / hiebevor vom Kayserthumb abgesetzt worden / auch das Leben geschẽcket; derentwegen er an jetzo / weil sich das Glück wider gewendet / eben dergleichen von jhm auch hoffete. Darauff antwortet Mustapha; er hette das Leben durch Gottes Hülff / vnnd nicht durch jhne Oßmann / als der jhn nach seiner Müglichkeit geplaget / erhalten / da er sonsten seinerhalben längsten todt seyn müste: Vnd mit dieser harten Antwort befahle er / man solte jhn zu den sieben Thürnen führen / welches also bald geschehen; setzeten also den guten Oßmann auff ein Roß: als er aber fliehen wollen / vnnd zu solchem End das Roß mit den Füssen gestossen / haben sie jhn auffgehalten / vnd dem Pferd an die hindern Füß ein Seyl gebunden / daß es nicht hat lauffen können / hernach haben sie jn in die Mitte genommen / damit er sich nit vom Roß werffen vnnd außreissen möchte. Als Oßmann dieses gesehen / fragte er / was Vbels er dann gestifftet / daß man jhm ein so grosse Plage vnnd Spott anthäte? Dann er habe jhnen jhr Geschenck / Türckischem Gebrauch nach gegeben / jhre Besoldung richtig bezahlet / vñ sie allezeit der Gebühr nach geehret / vnnd weil sie nit haben wolten / daß er nach Mecha reysete / hette er schon verheissen / solches zu vnderlassen: So hetten sie sich wider die jenigẽ / so dieses Fürsatzes ein Vrsach gewesen / albereit nach jhrem Willen gerochen / daß sie also damit zu frieden seyn solten / rc. Aber die Janitzaren vñ Kriegsleut gaben jm zur Antwort / er hette alles Vbel verdienet / weil er sich vnterstanden / den Kayserlichen Schatz in Asiam zu führen / vnd ein newe Militiam oder Soldarescam zu formiren / da sie doch jres Theils jme hierzu keine Vrsach gegeben. Sie warffen jhm auch vor / er hette sich nit wie ein Kayser: sondern wie ein Subassi verhalten / weil er selbst täglich die Würtzhäusser / darinnen sie sich auffhalten / assaltirt vnd besucht / auch sie durch die Bostangi / wie die Böck binden: vñ ins Meer werffen lassen / welches seiner Vorfahren keiner gethan hette / etc.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <pb facs="#f0880" n="777"/>
          <p>darzu das Hauß biß auff den Grund nidergerissen.</p>
          <p>Inmittelst hatte sich der alte Kayser Sultan Oßmann mit etlich seinen getrewen                      Fre unden / in seinem Garten an einem heimblichen Orth / da viel Falconetlein                      gestanden / versteckt gehabt / biß diese Fury fürvber rauschen möchte / vnd weil                      er sich bey Tag nicht dörffen sehen lassen / als ließ er die folgende Nacht den                      Secundo Vezier Vscin Bassa vnd der Janitzaren Aga (welcher wegen der empfangenen                      Steinwürff in Kopff verwundet war) zu sich beruffen / vnnd beneben dem Bostangi                      Bassa berahtschlaget / was doch in diesem Fall zuthun seyn möchte? Vnd ob wohl                      Oßmann in willens war / in Astam zu fliehen / so wolte es doch der Bostangi                      (welcher seines Kopffs förchtete / weil jm getrohet worden / wann er den Kayser                      davon ließ / so solte er enthauptet werden) nicht gestatten noch gut heissen /                      sondern sagte / es were viel besser / er gebe sich mit etlichen Beuteln voll                      Zechiriden Janitzaren in die Hände / vnnd trachtete zugleich / sie mit grossen                      Verheissungen zu stillen / weil seine Persöhnliche Gegenwart diesem leidigen                      Werck viel mehr als alle andere Sachen nutz seyn köndten / rc. Diesem Rath vn&#x0303; Vorschlag / so eusserlich gut schiene / vnd doch zu&#x0303; Verlust seines Kayserthumbs / vnd eigenen Lebens gereichte / folgte er /                      verkleidete sich darauff / vn&#x0303; begab sich den folgenden Morgen                      (welcher war der 10. 20. May) sehr frühe mit dem Vscin Bassa vnnd Aga Dißianizar                      (welchen etliche für den Aga der Spachi halten) in deß verstorbenen Aga der                      Janitzaren Hauß / alda hat der arme Sultan Oßmann gedachte beyde zum höchsten                      gebethen / sie solten allen möglichen Fleiß ankehren / damit jhm die Janitzaren                      verzeihen / vnd von jhrer Furi ablassen möchten: vnd damit sie solches desto                      leichter vnd eher erlangen könten / erlaubte er jhnen / jedem Janitzaren 50.                      Goldtstück vnd einen Rock von Venedischem Tuch zu verheissen / vnd daß er jhnen                      jhre Besoldung täglich mit drey (etliche schreiben mit 5.) Aspern verbessern                      wolte / rc. Vnd ob wol der Vscin Bassa vnd der bemelte Aga solche Werbung vngern                      auff sich nahmen / auch ohn den Sultan Oßmann sich vnder das rebellische                      Kriegsvolck nit wagen wolten / so hat doch endtlichen Oßmann mit vielem Bitten /                      Flehen vnnd Verheissungen solch sein Begehren bey jhnen erhalten: Worauff sie                      beyde sich zu dem versambleten Kriegsvolck begeben: vnnd als sie bey demselben                      vmb versicherung jhres Lebens vnd gutwillige Verzeihung (im Fall sie etwas / so                      jhnen nit allerdings gefiele / reden vnd vorbringen würden) angehalten / welches                      jnen auch zugesagt / aber doch nit gehalten worden: Dann als sie jhre Werbu&#x0303;g vom Sultan Oßman vmbständlich vorgebracht / sind die Kriegsleut                      noch hefftiger erbittert worden / vnnd haben die Türckischen Spachi oder Reutter                      / so bey den Janitzaren waren / nach jhren Säbeln gegriffen vnd gemelte beyde                      Anbringer zu Stücken gehawen / vnnd nochmals offentlich geruffen / daß sie                      keinen andern Kayser / als den Sultan Mustapha / wissen oder haben wolten: Vnd                      dieweil sie auß der nidergehawene&#x0303; Anbringen verstanden / daß der Sultan Oßman in                      deß verstorbenen Janitzare&#x0303; Aga Hauß were / sind sie <note place="right">Sultan Oßmann wird gefangen.</note> in voller Fury auff selbiges                      zugelauffen; alda sie den armen Oßmann halb nackend vnder dem Tach sitzen                      gefunden / welcher als sie jhn herfür gezogen / sie zum höchsten gebethen / daß                      man jme das Leben schencken solte / darneben sich wegen dessen so vorgangen /                      auffs beste als er gekönt / excusirt / vnd dem Primo Vezier Dilaver Bassa vnnd                      Cißlar Aga die Schuld gegeben / welche jhm also vntrewlich gerathen hetten / etc.</p>
          <p>Nun war die Nacht zuvor der newe Kayser Sultan Mustapha / vmb mehrer Sicherheit                      willen / auß dem alten Seraglio oder Pallast / in der Janitzaren Gemächer                      geführet worden. Darauff nahmen die Kriegsleuth den Oßmann / führeten jhn zu dem                      newen Kayser Mustapha / vnnd stelleten jhn demselben vor / daß er mit jhm / was                      jhne Mustapham für gut vnd rathsamb ansehe / vornehmen möchte. Als nun Oßmann                      jhn vmb Gnad vnd Verzeihung bath / auch jhn erjnnerte / daß er jhn / als er /                      Mustapha / hiebevor vom Kayserthumb abgesetzt worden / auch das Leben                      gesche&#x0303;cket; derentwegen er an jetzo / weil sich das Glück wider gewendet / eben                      dergleichen von jhm auch hoffete. Darauff antwortet Mustapha; er hette das Leben                      durch Gottes Hülff / vnnd nicht durch jhne Oßmann / als der jhn nach seiner                      Müglichkeit geplaget / erhalten / da er sonsten seinerhalben längsten todt seyn                      müste: Vnd mit dieser harten Antwort befahle er / man solte jhn zu den sieben                      Thürnen führen / welches also bald geschehen; setzeten also den guten Oßmann                      auff ein Roß: als er aber fliehen wollen / vnnd zu solchem End das Roß mit den                      Füssen gestossen / haben sie jhn auffgehalten / vnd dem Pferd an die hindern Füß                      ein Seyl gebunden / daß es nicht hat lauffen können / hernach haben sie jn in                      die Mitte genommen / damit er sich nit vom Roß werffen vnnd außreissen möchte.                      Als Oßmann dieses gesehen / fragte er / was Vbels er dann gestifftet / daß man                      jhm ein so grosse Plage vnnd Spott anthäte? Dann er habe jhnen jhr Geschenck /                      Türckischem Gebrauch nach gegeben / jhre Besoldung richtig bezahlet / vn&#x0303; sie allezeit der Gebühr nach geehret / vnnd weil sie nit haben                      wolten / daß er nach Mecha reysete / hette er schon verheissen / solches zu                      vnderlassen: So hetten sie sich wider die jenige&#x0303; / so dieses Fürsatzes ein                      Vrsach gewesen / albereit nach jhrem Willen gerochen / daß sie also damit zu                      frieden seyn solten / rc. Aber die Janitzaren vn&#x0303; Kriegsleut gaben                      jm zur Antwort / er hette alles Vbel verdienet / weil er sich vnterstanden / den                      Kayserlichen Schatz in Asiam zu führen / vnd ein newe Militiam oder Soldarescam                      zu formiren / da sie doch jres Theils jme hierzu keine Vrsach gegeben. Sie                      warffen jhm auch vor / er hette sich nit wie ein Kayser: sondern wie ein Subassi                      verhalten / weil er selbst täglich die Würtzhäusser / darinnen sie sich                      auffhalten / assaltirt vnd besucht / auch sie durch die Bostangi / wie die Böck                      binden: vn&#x0303; ins Meer werffen lassen / welches seiner Vorfahren                      keiner gethan hette / etc.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[777/0880] darzu das Hauß biß auff den Grund nidergerissen. Inmittelst hatte sich der alte Kayser Sultan Oßmann mit etlich seinen getrewen Fre unden / in seinem Garten an einem heimblichen Orth / da viel Falconetlein gestanden / versteckt gehabt / biß diese Fury fürvber rauschen möchte / vnd weil er sich bey Tag nicht dörffen sehen lassen / als ließ er die folgende Nacht den Secundo Vezier Vscin Bassa vnd der Janitzaren Aga (welcher wegen der empfangenen Steinwürff in Kopff verwundet war) zu sich beruffen / vnnd beneben dem Bostangi Bassa berahtschlaget / was doch in diesem Fall zuthun seyn möchte? Vnd ob wohl Oßmann in willens war / in Astam zu fliehen / so wolte es doch der Bostangi (welcher seines Kopffs förchtete / weil jm getrohet worden / wann er den Kayser davon ließ / so solte er enthauptet werden) nicht gestatten noch gut heissen / sondern sagte / es were viel besser / er gebe sich mit etlichen Beuteln voll Zechiriden Janitzaren in die Hände / vnnd trachtete zugleich / sie mit grossen Verheissungen zu stillen / weil seine Persöhnliche Gegenwart diesem leidigen Werck viel mehr als alle andere Sachen nutz seyn köndten / rc. Diesem Rath vñ Vorschlag / so eusserlich gut schiene / vnd doch zũ Verlust seines Kayserthumbs / vnd eigenen Lebens gereichte / folgte er / verkleidete sich darauff / vñ begab sich den folgenden Morgen (welcher war der 10. 20. May) sehr frühe mit dem Vscin Bassa vnnd Aga Dißianizar (welchen etliche für den Aga der Spachi halten) in deß verstorbenen Aga der Janitzaren Hauß / alda hat der arme Sultan Oßmann gedachte beyde zum höchsten gebethen / sie solten allen möglichen Fleiß ankehren / damit jhm die Janitzaren verzeihen / vnd von jhrer Furi ablassen möchten: vnd damit sie solches desto leichter vnd eher erlangen könten / erlaubte er jhnen / jedem Janitzaren 50. Goldtstück vnd einen Rock von Venedischem Tuch zu verheissen / vnd daß er jhnen jhre Besoldung täglich mit drey (etliche schreiben mit 5.) Aspern verbessern wolte / rc. Vnd ob wol der Vscin Bassa vnd der bemelte Aga solche Werbung vngern auff sich nahmen / auch ohn den Sultan Oßmann sich vnder das rebellische Kriegsvolck nit wagen wolten / so hat doch endtlichen Oßmann mit vielem Bitten / Flehen vnnd Verheissungen solch sein Begehren bey jhnen erhalten: Worauff sie beyde sich zu dem versambleten Kriegsvolck begeben: vnnd als sie bey demselben vmb versicherung jhres Lebens vnd gutwillige Verzeihung (im Fall sie etwas / so jhnen nit allerdings gefiele / reden vnd vorbringen würden) angehalten / welches jnen auch zugesagt / aber doch nit gehalten worden: Dann als sie jhre Werbũg vom Sultan Oßman vmbständlich vorgebracht / sind die Kriegsleut noch hefftiger erbittert worden / vnnd haben die Türckischen Spachi oder Reutter / so bey den Janitzaren waren / nach jhren Säbeln gegriffen vnd gemelte beyde Anbringer zu Stücken gehawen / vnnd nochmals offentlich geruffen / daß sie keinen andern Kayser / als den Sultan Mustapha / wissen oder haben wolten: Vnd dieweil sie auß der nidergehawenẽ Anbringen verstanden / daß der Sultan Oßman in deß verstorbenen Janitzarẽ Aga Hauß were / sind sie in voller Fury auff selbiges zugelauffen; alda sie den armen Oßmann halb nackend vnder dem Tach sitzen gefunden / welcher als sie jhn herfür gezogen / sie zum höchsten gebethen / daß man jme das Leben schencken solte / darneben sich wegen dessen so vorgangen / auffs beste als er gekönt / excusirt / vnd dem Primo Vezier Dilaver Bassa vnnd Cißlar Aga die Schuld gegeben / welche jhm also vntrewlich gerathen hetten / etc. Sultan Oßmann wird gefangen. Nun war die Nacht zuvor der newe Kayser Sultan Mustapha / vmb mehrer Sicherheit willen / auß dem alten Seraglio oder Pallast / in der Janitzaren Gemächer geführet worden. Darauff nahmen die Kriegsleuth den Oßmann / führeten jhn zu dem newen Kayser Mustapha / vnnd stelleten jhn demselben vor / daß er mit jhm / was jhne Mustapham für gut vnd rathsamb ansehe / vornehmen möchte. Als nun Oßmann jhn vmb Gnad vnd Verzeihung bath / auch jhn erjnnerte / daß er jhn / als er / Mustapha / hiebevor vom Kayserthumb abgesetzt worden / auch das Leben geschẽcket; derentwegen er an jetzo / weil sich das Glück wider gewendet / eben dergleichen von jhm auch hoffete. Darauff antwortet Mustapha; er hette das Leben durch Gottes Hülff / vnnd nicht durch jhne Oßmann / als der jhn nach seiner Müglichkeit geplaget / erhalten / da er sonsten seinerhalben längsten todt seyn müste: Vnd mit dieser harten Antwort befahle er / man solte jhn zu den sieben Thürnen führen / welches also bald geschehen; setzeten also den guten Oßmann auff ein Roß: als er aber fliehen wollen / vnnd zu solchem End das Roß mit den Füssen gestossen / haben sie jhn auffgehalten / vnd dem Pferd an die hindern Füß ein Seyl gebunden / daß es nicht hat lauffen können / hernach haben sie jn in die Mitte genommen / damit er sich nit vom Roß werffen vnnd außreissen möchte. Als Oßmann dieses gesehen / fragte er / was Vbels er dann gestifftet / daß man jhm ein so grosse Plage vnnd Spott anthäte? Dann er habe jhnen jhr Geschenck / Türckischem Gebrauch nach gegeben / jhre Besoldung richtig bezahlet / vñ sie allezeit der Gebühr nach geehret / vnnd weil sie nit haben wolten / daß er nach Mecha reysete / hette er schon verheissen / solches zu vnderlassen: So hetten sie sich wider die jenigẽ / so dieses Fürsatzes ein Vrsach gewesen / albereit nach jhrem Willen gerochen / daß sie also damit zu frieden seyn solten / rc. Aber die Janitzaren vñ Kriegsleut gaben jm zur Antwort / er hette alles Vbel verdienet / weil er sich vnterstanden / den Kayserlichen Schatz in Asiam zu führen / vnd ein newe Militiam oder Soldarescam zu formiren / da sie doch jres Theils jme hierzu keine Vrsach gegeben. Sie warffen jhm auch vor / er hette sich nit wie ein Kayser: sondern wie ein Subassi verhalten / weil er selbst täglich die Würtzhäusser / darinnen sie sich auffhalten / assaltirt vnd besucht / auch sie durch die Bostangi / wie die Böck binden: vñ ins Meer werffen lassen / welches seiner Vorfahren keiner gethan hette / etc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Frederike Neuber, Marcus Baumgarten: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Das zweispaltige Layout wurde bei Transkription und Auszeichnung des Textes nicht berücksichtigt.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635/880
Zitationshilfe: Abelin, Johann Philipp: Theatrum Europaeum, Oder Außführliche/ und Wahrhaftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten. Frankfurt (Main), 1635, S. 777. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abelinus_theatrum_1635/880>, abgerufen am 22.11.2024.