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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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auffasste, es schien, als wäre ihr Geist krank. Das Bild ihrer geliebten Mutter stand immer vor ihrem geistigen Auge und rief ihr den furchtbaren Verlust in Erinnerung. Entsetzte Schreie entfuhren ihr, die ausgebreiteten Arme wurden steif und sie verlor die Besinnung.

Nach und nach festigte sich ihre Gesundheit wieder. Sie war einundzwanzig Jahre alt geworden, da kamen ihr die Werke Rousseaus zum erstenmal in die Hand. Sie war hingerissen, und voll Begeisterung verschlang sie alles, was sie von seinen Schriften bekommen konnte; es schien, als wäre dies die richtige Geistesnahrung für sie. Sie hatte die Zeit ihrer Krankheit und Wiedergenesung im Hause gütiger Verwandter zugebracht, nun war sie gesund und nun hiess es zu ihrem Vater zurückkehren. Schmerzlich war das Wiedersehen in den verödeten Räumen. Man glaubte besonders rücksichtsvoll zu handeln, indem man das Blld ihrer Mutter von der Wand entfernte. Sie verlangte es auf der Stelle zurück. Die Sorgen des Haushaltes waren ihr nun allein zugefallen, doch war die Arbeit für drei Personen nicht gar gross.

Die grosse Angelegenheit ihres Lebens war ihre persönliche Zukunft. Sie wollte der eigene Schmied ihres Glückes sein und liebte es nicht, wenn sich andere in ihre Privatangelegenheiten mischten. Herr Phlipon versuchte in der ersten Zeit seiner Witwerschaft mit aufrichtigem Bestreben, sich mehr daheim aufzuhalten. Aber er langweilte sich bald. Manon wollte mit ihm reden, doch sie hatten wenig gemeinsame Gedanken, und überdies neigte er damals zu solchen, in denen er seine Tochter nicht bewandert zu sehen wünschte. Er wusste, dass seine Tochter Kartenspielen hasste und es nur ihm zuliebe tat. Umso langweiliger war es Herrn Phlipon, mit seiner Tochter zu spielen. Der Kreis, in dem sich der Vater mit Vorliebe bewegte, schien ihm für die Tochter dennoch nicht schicklich genug.

Die Mutter hatte die Einsamkeit immer vorgezogen,

auffasste, es schien, als wäre ihr Geist krank. Das Bild ihrer geliebten Mutter stand immer vor ihrem geistigen Auge und rief ihr den furchtbaren Verlust in Erinnerung. Entsetzte Schreie entfuhren ihr, die ausgebreiteten Arme wurden steif und sie verlor die Besinnung.

Nach und nach festigte sich ihre Gesundheit wieder. Sie war einundzwanzig Jahre alt geworden, da kamen ihr die Werke Rousseaus zum erstenmal in die Hand. Sie war hingerissen, und voll Begeisterung verschlang sie alles, was sie von seinen Schriften bekommen konnte; es schien, als wäre dies die richtige Geistesnahrung für sie. Sie hatte die Zeit ihrer Krankheit und Wiedergenesung im Hause gütiger Verwandter zugebracht, nun war sie gesund und nun hiess es zu ihrem Vater zurückkehren. Schmerzlich war das Wiedersehen in den verödeten Räumen. Man glaubte besonders rücksichtsvoll zu handeln, indem man das Blld ihrer Mutter von der Wand entfernte. Sie verlangte es auf der Stelle zurück. Die Sorgen des Haushaltes waren ihr nun allein zugefallen, doch war die Arbeit für drei Personen nicht gar gross.

Die grosse Angelegenheit ihres Lebens war ihre persönliche Zukunft. Sie wollte der eigene Schmied ihres Glückes sein und liebte es nicht, wenn sich andere in ihre Privatangelegenheiten mischten. Herr Phlipon versuchte in der ersten Zeit seiner Witwerschaft mit aufrichtigem Bestreben, sich mehr daheim aufzuhalten. Aber er langweilte sich bald. Manon wollte mit ihm reden, doch sie hatten wenig gemeinsame Gedanken, und überdies neigte er damals zu solchen, in denen er seine Tochter nicht bewandert zu sehen wünschte. Er wusste, dass seine Tochter Kartenspielen hasste und es nur ihm zuliebe tat. Umso langweiliger war es Herrn Phlipon, mit seiner Tochter zu spielen. Der Kreis, in dem sich der Vater mit Vorliebe bewegte, schien ihm für die Tochter dennoch nicht schicklich genug.

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[83/0102] auffasste, es schien, als wäre ihr Geist krank. Das Bild ihrer geliebten Mutter stand immer vor ihrem geistigen Auge und rief ihr den furchtbaren Verlust in Erinnerung. Entsetzte Schreie entfuhren ihr, die ausgebreiteten Arme wurden steif und sie verlor die Besinnung. Nach und nach festigte sich ihre Gesundheit wieder. Sie war einundzwanzig Jahre alt geworden, da kamen ihr die Werke Rousseaus zum erstenmal in die Hand. Sie war hingerissen, und voll Begeisterung verschlang sie alles, was sie von seinen Schriften bekommen konnte; es schien, als wäre dies die richtige Geistesnahrung für sie. Sie hatte die Zeit ihrer Krankheit und Wiedergenesung im Hause gütiger Verwandter zugebracht, nun war sie gesund und nun hiess es zu ihrem Vater zurückkehren. Schmerzlich war das Wiedersehen in den verödeten Räumen. Man glaubte besonders rücksichtsvoll zu handeln, indem man das Blld ihrer Mutter von der Wand entfernte. Sie verlangte es auf der Stelle zurück. Die Sorgen des Haushaltes waren ihr nun allein zugefallen, doch war die Arbeit für drei Personen nicht gar gross. Die grosse Angelegenheit ihres Lebens war ihre persönliche Zukunft. Sie wollte der eigene Schmied ihres Glückes sein und liebte es nicht, wenn sich andere in ihre Privatangelegenheiten mischten. Herr Phlipon versuchte in der ersten Zeit seiner Witwerschaft mit aufrichtigem Bestreben, sich mehr daheim aufzuhalten. Aber er langweilte sich bald. Manon wollte mit ihm reden, doch sie hatten wenig gemeinsame Gedanken, und überdies neigte er damals zu solchen, in denen er seine Tochter nicht bewandert zu sehen wünschte. Er wusste, dass seine Tochter Kartenspielen hasste und es nur ihm zuliebe tat. Umso langweiliger war es Herrn Phlipon, mit seiner Tochter zu spielen. Der Kreis, in dem sich der Vater mit Vorliebe bewegte, schien ihm für die Tochter dennoch nicht schicklich genug. Die Mutter hatte die Einsamkeit immer vorgezogen,

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/102>, abgerufen am 24.11.2024.