Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.was zwar seinen regelmässigen Zügen nicht schadete, ihn aber mehr ehrwürdig als einnehmend erscheinen liess. Ein feines Lächeln und lebhafter Ausdruck bewirkten, dass das Gesicht sehr merkwürdig auffiel. Seine Konversation war voll von Tatsachen, wie sein Kopf voll von Ideen war, und beschäftigte mehr den Verstand des Zuhörers als sie dem Ohre schmeichelte. Manon sah im Verlaufe eines Jahres Herrn Roland wiederholt. Er kam nicht oft, blieb aber jedesmal längere Zeit; er machte die Besuche nicht aus konventionellen Rücksichten, sondern wie ein Mensch, der so lange als möglich dort bleibt, wo er sich wohl fühlt. Seine belehrende und offene Redeweise langweilte das junge Mädchen gar nicht, und er liebte es, angehört zu werden; sie hatte die Gabe zuzuhören, die, wie man sagt, besonders bei Frauen so selten ist. Herr Roland war aus Deutschland gekommen, als er Manon kennen lernte, ein Jahr später schickte er sich an, eine längere Studienreise nach Italien zu machen. Vor seiner Abreise übergab er ihr ein Paket Manuskripte zum Lesen und zum Aufbewahren, falls ihm ein Unglück zustossen sollte. Sie fühlte sich von diesem schmeichelhaften Zeichen seines Vertrauens sehr geehrt. Die Einsicht in die Manuskripte gewährten ihr einen besseren Einblick in seinen Charakter und sein Wesen, als dies selbst sehr häufiger Verkehr möglich gemacht hätte. Eine starke Seele, eine strenge Rechtlichkeit, unumstössliche Prinzipien, Wissen und Geschmack zeigten sich darin unverhüllt. Herr Roland stammte aus rechtschaffener, vornehmer Familie ab. Im Ueberfluss geboren, hatte er, noch jung, den Zusammenbruch des Vermögens seiner Eltern mitangesehen; einerseits lag die Schuld an dem Mangel an Ordnung, andererseits an massloser Verschwendung. Da er weder das Ordenskleid nehmen, noch Kaufmann werden wollte, zwei Wege, zu denen die Verwandten ihm verholfen hätten, verliess er mittellos mit neunzehn Jahren das Elternhaus. Fleissiges Studium und weitläufige Reisen hatten ihm zu einer vielseitigen Bildung verholfen. Als er sein Elternhaus was zwar seinen regelmässigen Zügen nicht schadete, ihn aber mehr ehrwürdig als einnehmend erscheinen liess. Ein feines Lächeln und lebhafter Ausdruck bewirkten, dass das Gesicht sehr merkwürdig auffiel. Seine Konversation war voll von Tatsachen, wie sein Kopf voll von Ideen war, und beschäftigte mehr den Verstand des Zuhörers als sie dem Ohre schmeichelte. Manon sah im Verlaufe eines Jahres Herrn Roland wiederholt. Er kam nicht oft, blieb aber jedesmal längere Zeit; er machte die Besuche nicht aus konventionellen Rücksichten, sondern wie ein Mensch, der so lange als möglich dort bleibt, wo er sich wohl fühlt. Seine belehrende und offene Redeweise langweilte das junge Mädchen gar nicht, und er liebte es, angehört zu werden; sie hatte die Gabe zuzuhören, die, wie man sagt, besonders bei Frauen so selten ist. Herr Roland war aus Deutschland gekommen, als er Manon kennen lernte, ein Jahr später schickte er sich an, eine längere Studienreise nach Italien zu machen. Vor seiner Abreise übergab er ihr ein Paket Manuskripte zum Lesen und zum Aufbewahren, falls ihm ein Unglück zustossen sollte. Sie fühlte sich von diesem schmeichelhaften Zeichen seines Vertrauens sehr geehrt. Die Einsicht in die Manuskripte gewährten ihr einen besseren Einblick in seinen Charakter und sein Wesen, als dies selbst sehr häufiger Verkehr möglich gemacht hätte. Eine starke Seele, eine strenge Rechtlichkeit, unumstössliche Prinzipien, Wissen und Geschmack zeigten sich darin unverhüllt. Herr Roland stammte aus rechtschaffener, vornehmer Familie ab. Im Ueberfluss geboren, hatte er, noch jung, den Zusammenbruch des Vermögens seiner Eltern mitangesehen; einerseits lag die Schuld an dem Mangel an Ordnung, andererseits an massloser Verschwendung. Da er weder das Ordenskleid nehmen, noch Kaufmann werden wollte, zwei Wege, zu denen die Verwandten ihm verholfen hätten, verliess er mittellos mit neunzehn Jahren das Elternhaus. Fleissiges Studium und weitläufige Reisen hatten ihm zu einer vielseitigen Bildung verholfen. Als er sein Elternhaus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="86"/> was zwar seinen regelmässigen Zügen nicht schadete, ihn aber mehr ehrwürdig als einnehmend erscheinen liess. Ein feines Lächeln und lebhafter Ausdruck bewirkten, dass das Gesicht sehr merkwürdig auffiel. Seine Konversation war voll von Tatsachen, wie sein Kopf voll von Ideen war, und beschäftigte mehr den Verstand des Zuhörers als sie dem Ohre schmeichelte. Manon sah im Verlaufe eines Jahres Herrn Roland wiederholt. Er kam nicht oft, blieb aber jedesmal längere Zeit; er machte die Besuche nicht aus konventionellen Rücksichten, sondern wie ein Mensch, der so lange als möglich dort bleibt, wo er sich wohl fühlt. Seine belehrende und offene Redeweise langweilte das junge Mädchen gar nicht, und er liebte es, angehört zu werden; sie hatte die Gabe zuzuhören, die, wie man sagt, besonders bei Frauen so selten ist. Herr Roland war aus Deutschland gekommen, als er Manon kennen lernte, ein Jahr später schickte er sich an, eine längere Studienreise nach Italien zu machen. Vor seiner Abreise übergab er ihr ein Paket Manuskripte zum Lesen und zum Aufbewahren, falls ihm ein Unglück zustossen sollte. Sie fühlte sich von diesem schmeichelhaften Zeichen seines Vertrauens sehr geehrt. Die Einsicht in die Manuskripte gewährten ihr einen besseren Einblick in seinen Charakter und sein Wesen, als dies selbst sehr häufiger Verkehr möglich gemacht hätte.</p> <p>Eine starke Seele, eine strenge Rechtlichkeit, unumstössliche Prinzipien, Wissen und Geschmack zeigten sich darin unverhüllt. Herr Roland stammte aus rechtschaffener, vornehmer Familie ab. Im Ueberfluss geboren, hatte er, noch jung, den Zusammenbruch des Vermögens seiner Eltern mitangesehen; einerseits lag die Schuld an dem Mangel an Ordnung, andererseits an massloser Verschwendung. Da er weder das Ordenskleid nehmen, noch Kaufmann werden wollte, zwei Wege, zu denen die Verwandten ihm verholfen hätten, verliess er mittellos mit neunzehn Jahren das Elternhaus. Fleissiges Studium und weitläufige Reisen hatten ihm zu einer vielseitigen Bildung verholfen. Als er sein Elternhaus </p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0105]
was zwar seinen regelmässigen Zügen nicht schadete, ihn aber mehr ehrwürdig als einnehmend erscheinen liess. Ein feines Lächeln und lebhafter Ausdruck bewirkten, dass das Gesicht sehr merkwürdig auffiel. Seine Konversation war voll von Tatsachen, wie sein Kopf voll von Ideen war, und beschäftigte mehr den Verstand des Zuhörers als sie dem Ohre schmeichelte. Manon sah im Verlaufe eines Jahres Herrn Roland wiederholt. Er kam nicht oft, blieb aber jedesmal längere Zeit; er machte die Besuche nicht aus konventionellen Rücksichten, sondern wie ein Mensch, der so lange als möglich dort bleibt, wo er sich wohl fühlt. Seine belehrende und offene Redeweise langweilte das junge Mädchen gar nicht, und er liebte es, angehört zu werden; sie hatte die Gabe zuzuhören, die, wie man sagt, besonders bei Frauen so selten ist. Herr Roland war aus Deutschland gekommen, als er Manon kennen lernte, ein Jahr später schickte er sich an, eine längere Studienreise nach Italien zu machen. Vor seiner Abreise übergab er ihr ein Paket Manuskripte zum Lesen und zum Aufbewahren, falls ihm ein Unglück zustossen sollte. Sie fühlte sich von diesem schmeichelhaften Zeichen seines Vertrauens sehr geehrt. Die Einsicht in die Manuskripte gewährten ihr einen besseren Einblick in seinen Charakter und sein Wesen, als dies selbst sehr häufiger Verkehr möglich gemacht hätte.
Eine starke Seele, eine strenge Rechtlichkeit, unumstössliche Prinzipien, Wissen und Geschmack zeigten sich darin unverhüllt. Herr Roland stammte aus rechtschaffener, vornehmer Familie ab. Im Ueberfluss geboren, hatte er, noch jung, den Zusammenbruch des Vermögens seiner Eltern mitangesehen; einerseits lag die Schuld an dem Mangel an Ordnung, andererseits an massloser Verschwendung. Da er weder das Ordenskleid nehmen, noch Kaufmann werden wollte, zwei Wege, zu denen die Verwandten ihm verholfen hätten, verliess er mittellos mit neunzehn Jahren das Elternhaus. Fleissiges Studium und weitläufige Reisen hatten ihm zu einer vielseitigen Bildung verholfen. Als er sein Elternhaus
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