Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.niedergeschrieben hat. Die Dinge, die sie darin über die Ereignisse der französischen Revolution, mit denen sie in Zusammenhang gebracht wird, sagt, sind gewiss wahr. Sie hätte sich all der ihr zugeschriebenen Taten lieber gerühmt, als sie in Abrede gestellt. Ueberdies hatte sie auch gar keine Ursache Dinge zu leugnen, die auf den Hochverratsprozess, den man ihr anhängig gemacht hatte, von gar keinem Einfluss gewesen wären. Und wie leicht hätte man ihr damals alles nachweisen können, falls es falsch gewesen wäre, wo die Ereignisse noch so frisch im Gedächtnis aller lebten! Sie war eine Idealistin, die von allem Guten und Schönen, von der Freiheit begeistert, gewiss jeden Augenblick bereit gewesen wäre, ihr Leben zu opfern. Aber all das, was man ihr andichtet, ist sicherlich nicht wahr, nicht das Gute, nicht das Böse. Viel länger als ein Jahrhundert existiert diese kostbare Selbstbiographie und noch immer wird Theroigne als Courtisane, als eine von Ausschweifungen völlig kranke Person dargestellt. Da sie viel Geld hatte, so nahm man an, sie habe viele Liebhaber besessen, denn dass ihr Bräutigam ihr ein Vermögen geschenkt hatte, das wusste man nicht und erging sich daher in so lieblichen Phantasien. Auch an ihren garstigen Krankheiten ist kein wahres Wort. Der berühmte Psychiater Esquirol, der sie in der Salpetriere viele Jahre hindurch behandelte, schrieb über ihre Geisteskrankheit; er erzählt, dass sie sich körperlich sehr wohl fühle, trotzdem sie in ihrer feuchten, finsteren, kleinen Zelle, ohne alle Einrichtung, ein Dasein führe, dass es geradezu ein Wunder sei, wie ihre Gesundheit all diesen bösen Einflüssen widerstehen könne. Selbst im Winter ging sie immer völlig unbekleidet, barfuss auf den Steinfliesen ihrer Zelle auf und ab. Sie goss überdies Wasser aus, das dann fror. Nie konnte sie, selbst in der grimmigsten Kälte, dazu gebracht werden, etwas anzuziehen, noch des nachts sich wärmer niedergeschrieben hat. Die Dinge, die sie darin über die Ereignisse der französischen Revolution, mit denen sie in Zusammenhang gebracht wird, sagt, sind gewiss wahr. Sie hätte sich all der ihr zugeschriebenen Taten lieber gerühmt, als sie in Abrede gestellt. Ueberdies hatte sie auch gar keine Ursache Dinge zu leugnen, die auf den Hochverratsprozess, den man ihr anhängig gemacht hatte, von gar keinem Einfluss gewesen wären. Und wie leicht hätte man ihr damals alles nachweisen können, falls es falsch gewesen wäre, wo die Ereignisse noch so frisch im Gedächtnis aller lebten! Sie war eine Idealistin, die von allem Guten und Schönen, von der Freiheit begeistert, gewiss jeden Augenblick bereit gewesen wäre, ihr Leben zu opfern. Aber all das, was man ihr andichtet, ist sicherlich nicht wahr, nicht das Gute, nicht das Böse. Viel länger als ein Jahrhundert existiert diese kostbare Selbstbiographie und noch immer wird Théroigne als Courtisane, als eine von Ausschweifungen völlig kranke Person dargestellt. Da sie viel Geld hatte, so nahm man an, sie habe viele Liebhaber besessen, denn dass ihr Bräutigam ihr ein Vermögen geschenkt hatte, das wusste man nicht und erging sich daher in so lieblichen Phantasien. Auch an ihren garstigen Krankheiten ist kein wahres Wort. Der berühmte Psychiater Esquirol, der sie in der Salpêtrière viele Jahre hindurch behandelte, schrieb über ihre Geisteskrankheit; er erzählt, dass sie sich körperlich sehr wohl fühle, trotzdem sie in ihrer feuchten, finsteren, kleinen Zelle, ohne alle Einrichtung, ein Dasein führe, dass es geradezu ein Wunder sei, wie ihre Gesundheit all diesen bösen Einflüssen widerstehen könne. Selbst im Winter ging sie immer völlig unbekleidet, barfuss auf den Steinfliesen ihrer Zelle auf und ab. Sie goss überdies Wasser aus, das dann fror. Nie konnte sie, selbst in der grimmigsten Kälte, dazu gebracht werden, etwas anzuziehen, noch des nachts sich wärmer <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0013" n="XII"/> niedergeschrieben hat. Die Dinge, die sie darin über die Ereignisse der französischen Revolution, mit denen sie in Zusammenhang gebracht wird, sagt, sind gewiss wahr. Sie hätte sich all der ihr zugeschriebenen Taten lieber gerühmt, als sie in Abrede gestellt. Ueberdies hatte sie auch gar keine Ursache Dinge zu leugnen, die auf den Hochverratsprozess, den man ihr anhängig gemacht hatte, von gar keinem Einfluss gewesen wären. Und wie leicht hätte man ihr damals alles nachweisen können, falls es falsch gewesen wäre, wo die Ereignisse noch so frisch im Gedächtnis aller lebten!</p> <p>Sie war eine Idealistin, die von allem Guten und Schönen, von der Freiheit begeistert, gewiss jeden Augenblick bereit gewesen wäre, ihr Leben zu opfern. Aber all das, was man ihr andichtet, ist sicherlich nicht wahr, nicht das Gute, nicht das Böse.</p> <p>Viel länger als ein Jahrhundert existiert diese kostbare Selbstbiographie und noch immer wird Théroigne als Courtisane, als eine von Ausschweifungen völlig kranke Person dargestellt.</p> <p>Da sie viel Geld hatte, so nahm man an, sie habe viele Liebhaber besessen, denn dass ihr Bräutigam ihr ein Vermögen geschenkt hatte, das wusste man nicht und erging sich daher in so lieblichen Phantasien. Auch an ihren garstigen Krankheiten ist kein wahres Wort. Der berühmte Psychiater <hi rendition="#g">Esquirol</hi>, der sie in der Salpêtrière viele Jahre hindurch behandelte, schrieb über ihre Geisteskrankheit; er erzählt, dass sie sich körperlich sehr wohl fühle, trotzdem sie in ihrer feuchten, finsteren, kleinen Zelle, ohne alle Einrichtung, ein Dasein führe, dass es geradezu ein Wunder sei, wie ihre Gesundheit all diesen bösen Einflüssen widerstehen könne. Selbst im Winter ging sie immer völlig unbekleidet, barfuss auf den Steinfliesen ihrer Zelle auf und ab. Sie goss überdies Wasser aus, das dann fror. Nie konnte sie, selbst in der grimmigsten Kälte, dazu gebracht werden, etwas anzuziehen, noch des nachts sich wärmer </p> </div> </front> </text> </TEI> [XII/0013]
niedergeschrieben hat. Die Dinge, die sie darin über die Ereignisse der französischen Revolution, mit denen sie in Zusammenhang gebracht wird, sagt, sind gewiss wahr. Sie hätte sich all der ihr zugeschriebenen Taten lieber gerühmt, als sie in Abrede gestellt. Ueberdies hatte sie auch gar keine Ursache Dinge zu leugnen, die auf den Hochverratsprozess, den man ihr anhängig gemacht hatte, von gar keinem Einfluss gewesen wären. Und wie leicht hätte man ihr damals alles nachweisen können, falls es falsch gewesen wäre, wo die Ereignisse noch so frisch im Gedächtnis aller lebten!
Sie war eine Idealistin, die von allem Guten und Schönen, von der Freiheit begeistert, gewiss jeden Augenblick bereit gewesen wäre, ihr Leben zu opfern. Aber all das, was man ihr andichtet, ist sicherlich nicht wahr, nicht das Gute, nicht das Böse.
Viel länger als ein Jahrhundert existiert diese kostbare Selbstbiographie und noch immer wird Théroigne als Courtisane, als eine von Ausschweifungen völlig kranke Person dargestellt.
Da sie viel Geld hatte, so nahm man an, sie habe viele Liebhaber besessen, denn dass ihr Bräutigam ihr ein Vermögen geschenkt hatte, das wusste man nicht und erging sich daher in so lieblichen Phantasien. Auch an ihren garstigen Krankheiten ist kein wahres Wort. Der berühmte Psychiater Esquirol, der sie in der Salpêtrière viele Jahre hindurch behandelte, schrieb über ihre Geisteskrankheit; er erzählt, dass sie sich körperlich sehr wohl fühle, trotzdem sie in ihrer feuchten, finsteren, kleinen Zelle, ohne alle Einrichtung, ein Dasein führe, dass es geradezu ein Wunder sei, wie ihre Gesundheit all diesen bösen Einflüssen widerstehen könne. Selbst im Winter ging sie immer völlig unbekleidet, barfuss auf den Steinfliesen ihrer Zelle auf und ab. Sie goss überdies Wasser aus, das dann fror. Nie konnte sie, selbst in der grimmigsten Kälte, dazu gebracht werden, etwas anzuziehen, noch des nachts sich wärmer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-02-11T11:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-02-11T11:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |