Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

gekommen war, begab man sich in den Salon und legte überall die Gerichtssiegel an. Ein besonders Eifriger verlangte auch, dass ein Siegel sogar auf dem Klavier angebracht werde. Mit Mühe konnte Madame Roland durchsetzen, dass man ihr erlaubte, das ihrer Tochter Gehörige an Wäsche und Kleidern und für sich das Allernotwendigste für die Nacht aus den Schränken zu nehmen.

Währenddessen kamen und gingen so an hundert Leute von der Strasse in der Wohnung ein und aus, die Luft war ganz verpestet, keiner der Kommissäre hatte den Mut, diese Menge Neugieriger fortzuweisen, einer oder der andere wagte eine schüchterne Bitte, die jedoch von gar keinem Erfolg begleitet war! Dabei lagen hunderterlei Dinge umher, die leicht fortgetragen werden konnten, ohne dass man es bemerkt hätte, ohne dass man es hätte verhindern können.

Während sich all' das zutrug, sass Madame Roland an einem Tisch, um an einen Freund zu schreiben, dessen Obsorge sie ihr Kind empfahl. Als aber der Kommissär die Durchsicht des Briefes forderte, zerriss sie ihn, um den Freund nicht zu kompromittieren.

Um sieben Uhr früh verliess Madame Roland ihre Tochter, die sie der Obhut ihrer Leute überlassen musste; sie ermahnte alle zur Ruhe und Geduld; sie fühlte sich durch die Tränen ihrer Leute sehr geehrt und nichts vermochte ihren Mut zu beugen. Der Kommissär bemerkte: "Sie haben Leute um sich, die Sie lieben." "Ich hatte niemals andere," antwortete Madame Roland und stieg die Treppe hinab. Vor dem Toreingang, vom Treppenabsatz bis zum bereitstehenden Wagen auf der anderen Seite der Strasse standen zwei Spaliere bewaffneter Männer und ein Haufen Neugieriger. Madame Roland ging mit kleinen Schritten tapfer vorwärts, indem sie diese feige, verführte Schar aufmerksam betrachtete. Die bewaffnete Macht folgte dem Wagen in zwei Reihen. Das Volk hielt am Wege, an dem der Wagen vorbeikam, inne und schrie: "Auf die Guillotine"!

gekommen war, begab man sich in den Salon und legte überall die Gerichtssiegel an. Ein besonders Eifriger verlangte auch, dass ein Siegel sogar auf dem Klavier angebracht werde. Mit Mühe konnte Madame Roland durchsetzen, dass man ihr erlaubte, das ihrer Tochter Gehörige an Wäsche und Kleidern und für sich das Allernotwendigste für die Nacht aus den Schränken zu nehmen.

Währenddessen kamen und gingen so an hundert Leute von der Strasse in der Wohnung ein und aus, die Luft war ganz verpestet, keiner der Kommissäre hatte den Mut, diese Menge Neugieriger fortzuweisen, einer oder der andere wagte eine schüchterne Bitte, die jedoch von gar keinem Erfolg begleitet war! Dabei lagen hunderterlei Dinge umher, die leicht fortgetragen werden konnten, ohne dass man es bemerkt hätte, ohne dass man es hätte verhindern können.

Während sich all’ das zutrug, sass Madame Roland an einem Tisch, um an einen Freund zu schreiben, dessen Obsorge sie ihr Kind empfahl. Als aber der Kommissär die Durchsicht des Briefes forderte, zerriss sie ihn, um den Freund nicht zu kompromittieren.

Um sieben Uhr früh verliess Madame Roland ihre Tochter, die sie der Obhut ihrer Leute überlassen musste; sie ermahnte alle zur Ruhe und Geduld; sie fühlte sich durch die Tränen ihrer Leute sehr geehrt und nichts vermochte ihren Mut zu beugen. Der Kommissär bemerkte: „Sie haben Leute um sich, die Sie lieben.“ „Ich hatte niemals andere,“ antwortete Madame Roland und stieg die Treppe hinab. Vor dem Toreingang, vom Treppenabsatz bis zum bereitstehenden Wagen auf der anderen Seite der Strasse standen zwei Spaliere bewaffneter Männer und ein Haufen Neugieriger. Madame Roland ging mit kleinen Schritten tapfer vorwärts, indem sie diese feige, verführte Schar aufmerksam betrachtete. Die bewaffnete Macht folgte dem Wagen in zwei Reihen. Das Volk hielt am Wege, an dem der Wagen vorbeikam, inne und schrie: „Auf die Guillotine“!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0134" n="115"/>
gekommen war, begab man sich in den Salon und legte überall die Gerichtssiegel an. Ein besonders Eifriger verlangte auch, dass ein Siegel sogar auf dem Klavier angebracht werde. Mit Mühe konnte Madame Roland durchsetzen, dass man ihr erlaubte, das ihrer Tochter Gehörige an Wäsche und Kleidern und für sich das Allernotwendigste für die Nacht aus den Schränken zu nehmen.</p>
        <p>Währenddessen kamen und gingen so an hundert Leute von der Strasse in der Wohnung ein und aus, die Luft war ganz verpestet, keiner der Kommissäre hatte den Mut, diese Menge Neugieriger fortzuweisen, einer oder der andere wagte eine schüchterne Bitte, die jedoch von gar keinem Erfolg begleitet war! Dabei lagen hunderterlei Dinge umher, die leicht fortgetragen werden konnten, ohne dass man es bemerkt hätte, ohne dass man es hätte verhindern können.</p>
        <p>Während sich all&#x2019; das zutrug, sass Madame Roland an einem Tisch, um an einen Freund zu schreiben, dessen Obsorge sie ihr Kind empfahl. Als aber der Kommissär die Durchsicht des Briefes forderte, zerriss sie ihn, um den Freund nicht zu kompromittieren.</p>
        <p>Um sieben Uhr früh verliess Madame Roland ihre Tochter, die sie der Obhut ihrer Leute überlassen musste; sie ermahnte alle zur Ruhe und Geduld; sie fühlte sich durch die Tränen ihrer Leute sehr geehrt und nichts vermochte ihren Mut zu beugen. Der Kommissär bemerkte: &#x201E;Sie haben Leute um sich, die Sie lieben.&#x201C; &#x201E;Ich hatte niemals andere,&#x201C; antwortete Madame Roland und stieg die Treppe hinab. Vor dem Toreingang, vom Treppenabsatz bis zum bereitstehenden Wagen auf der anderen Seite der Strasse standen zwei Spaliere bewaffneter Männer und ein Haufen Neugieriger. Madame Roland ging mit kleinen Schritten tapfer vorwärts, indem sie diese feige, verführte Schar aufmerksam betrachtete. Die bewaffnete Macht folgte dem Wagen in zwei Reihen. Das Volk hielt am Wege, an dem der Wagen vorbeikam, inne und schrie: &#x201E;Auf die Guillotine&#x201C;!</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0134] gekommen war, begab man sich in den Salon und legte überall die Gerichtssiegel an. Ein besonders Eifriger verlangte auch, dass ein Siegel sogar auf dem Klavier angebracht werde. Mit Mühe konnte Madame Roland durchsetzen, dass man ihr erlaubte, das ihrer Tochter Gehörige an Wäsche und Kleidern und für sich das Allernotwendigste für die Nacht aus den Schränken zu nehmen. Währenddessen kamen und gingen so an hundert Leute von der Strasse in der Wohnung ein und aus, die Luft war ganz verpestet, keiner der Kommissäre hatte den Mut, diese Menge Neugieriger fortzuweisen, einer oder der andere wagte eine schüchterne Bitte, die jedoch von gar keinem Erfolg begleitet war! Dabei lagen hunderterlei Dinge umher, die leicht fortgetragen werden konnten, ohne dass man es bemerkt hätte, ohne dass man es hätte verhindern können. Während sich all’ das zutrug, sass Madame Roland an einem Tisch, um an einen Freund zu schreiben, dessen Obsorge sie ihr Kind empfahl. Als aber der Kommissär die Durchsicht des Briefes forderte, zerriss sie ihn, um den Freund nicht zu kompromittieren. Um sieben Uhr früh verliess Madame Roland ihre Tochter, die sie der Obhut ihrer Leute überlassen musste; sie ermahnte alle zur Ruhe und Geduld; sie fühlte sich durch die Tränen ihrer Leute sehr geehrt und nichts vermochte ihren Mut zu beugen. Der Kommissär bemerkte: „Sie haben Leute um sich, die Sie lieben.“ „Ich hatte niemals andere,“ antwortete Madame Roland und stieg die Treppe hinab. Vor dem Toreingang, vom Treppenabsatz bis zum bereitstehenden Wagen auf der anderen Seite der Strasse standen zwei Spaliere bewaffneter Männer und ein Haufen Neugieriger. Madame Roland ging mit kleinen Schritten tapfer vorwärts, indem sie diese feige, verführte Schar aufmerksam betrachtete. Die bewaffnete Macht folgte dem Wagen in zwei Reihen. Das Volk hielt am Wege, an dem der Wagen vorbeikam, inne und schrie: „Auf die Guillotine“!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-02-11T11:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-11T11:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/134
Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/134>, abgerufen am 24.11.2024.