Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Not und Elend zu lindern, ohne bei den Armen das peinliche Empfinden des Beschenktwerdens zu erwecken. Sie nahm Sophie immer mit, wenn es galt, Armen zu helfen und der Not ins Angesicht zu blicken. Als der Winter sich einstmals sehr hart anliess, ging sie mit Sophie und ihren anderen Kindern in den Wald und banden Reisigbündel, die sie dann in die Hütten trugen. Oder sie bereiteten selbst Brot für alle Armen der Umgebung und Suppen für die Kranken. All' dies geschah in so grossem Masstabe, kostete sie so viel Zeit und Mühe, dass es der sonstigen, bequemen Wohltätigkeit der Reichen gar nicht glich und auch den bitteren Beigeschmack der Philantropie nicht hatte. Sie begnügten sich nicht damit zu schenken, sie suchten auch die Menschen zu trösten, zu belehren und bemühten sich, ihre Menschenwürde zu schonen. Der Eindrück davon blieb Sophie fürs ganze Leben. Noch viele, viele Jahre darnach schrieb sie ihrer Mutter, wie sehr sie ihr danke, dass sie sie unterwiesen habe, Not, Elend und Krankheit gern zu lindern, wie sie durch die dankbaren Blicke der Unglücklichen gelernt habe, das Glück zu empfinden, die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen. In Frankreich existierten zur Zeit des Ausbruches der Revolution viele adelige Damenstifte. Es war Sitte, dass junge Mädchen aus diesen Kreisen eine Zeitlang dort lebten, um sich weiter zu bilden, oder sich ganz dem Stande der Nonnen zu weihen. Sophie war sehr ungern dort, es überkamen sie Anfälle von Melancholie in diesem düstern, klösterlichen Leben, fern von all den Ihren und dem freien, ungebundenen Landleben. Wie froh war sie, wieder nach Hause zu kommen! Aber welche Veränderung war in diesen 20 Monaten in ihr vorgegangen. Als sie in das Damenstift von Neuville fuhr, las sie nur fromme Bücher, bei ihrer Rückkehr war sie ungläubig geworden, Voltaire und Rousseau waren ihre Lieblingsschriftsteller! Not und Elend zu lindern, ohne bei den Armen das peinliche Empfinden des Beschenktwerdens zu erwecken. Sie nahm Sophie immer mit, wenn es galt, Armen zu helfen und der Not ins Angesicht zu blicken. Als der Winter sich einstmals sehr hart anliess, ging sie mit Sophie und ihren anderen Kindern in den Wald und banden Reisigbündel, die sie dann in die Hütten trugen. Oder sie bereiteten selbst Brot für alle Armen der Umgebung und Suppen für die Kranken. All’ dies geschah in so grossem Masstabe, kostete sie so viel Zeit und Mühe, dass es der sonstigen, bequemen Wohltätigkeit der Reichen gar nicht glich und auch den bitteren Beigeschmack der Philantropie nicht hatte. Sie begnügten sich nicht damit zu schenken, sie suchten auch die Menschen zu trösten, zu belehren und bemühten sich, ihre Menschenwürde zu schonen. Der Eindrück davon blieb Sophie fürs ganze Leben. Noch viele, viele Jahre darnach schrieb sie ihrer Mutter, wie sehr sie ihr danke, dass sie sie unterwiesen habe, Not, Elend und Krankheit gern zu lindern, wie sie durch die dankbaren Blicke der Unglücklichen gelernt habe, das Glück zu empfinden, die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen. In Frankreich existierten zur Zeit des Ausbruches der Revolution viele adelige Damenstifte. Es war Sitte, dass junge Mädchen aus diesen Kreisen eine Zeitlang dort lebten, um sich weiter zu bilden, oder sich ganz dem Stande der Nonnen zu weihen. Sophie war sehr ungern dort, es überkamen sie Anfälle von Melancholie in diesem düstern, klösterlichen Leben, fern von all den Ihren und dem freien, ungebundenen Landleben. Wie froh war sie, wieder nach Hause zu kommen! Aber welche Veränderung war in diesen 20 Monaten in ihr vorgegangen. Als sie in das Damenstift von Neuville fuhr, las sie nur fromme Bücher, bei ihrer Rückkehr war sie ungläubig geworden, Voltaire und Rousseau waren ihre Lieblingsschriftsteller! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0253" n="229"/> Not und Elend zu lindern, ohne bei den Armen das peinliche Empfinden des Beschenktwerdens zu erwecken. Sie nahm Sophie immer mit, wenn es galt, Armen zu helfen und der Not ins Angesicht zu blicken.</p> <p>Als der Winter sich einstmals sehr hart anliess, ging sie mit Sophie und ihren anderen Kindern in den Wald und banden Reisigbündel, die sie dann in die Hütten trugen. Oder sie bereiteten selbst Brot für alle Armen der Umgebung und Suppen für die Kranken. All’ dies geschah in so grossem Masstabe, kostete sie so viel Zeit und Mühe, dass es der sonstigen, bequemen Wohltätigkeit der Reichen gar nicht glich und auch den bitteren Beigeschmack der Philantropie nicht hatte. Sie begnügten sich nicht damit zu schenken, sie suchten auch die Menschen zu trösten, zu belehren und bemühten sich, ihre Menschenwürde zu schonen. Der Eindrück davon blieb Sophie fürs ganze Leben. Noch viele, viele Jahre darnach schrieb sie ihrer Mutter, wie sehr sie ihr danke, dass sie sie unterwiesen habe, Not, Elend und Krankheit gern zu lindern, wie sie durch die dankbaren Blicke der Unglücklichen gelernt habe, das Glück zu empfinden, die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen.</p> <p>In Frankreich existierten zur Zeit des Ausbruches der Revolution viele adelige Damenstifte. Es war Sitte, dass junge Mädchen aus diesen Kreisen eine Zeitlang dort lebten, um sich weiter zu bilden, oder sich ganz dem Stande der Nonnen zu weihen.</p> <p>Sophie war sehr ungern dort, es überkamen sie Anfälle von Melancholie in diesem düstern, klösterlichen Leben, fern von all den Ihren und dem freien, ungebundenen Landleben. Wie froh war sie, wieder nach Hause zu kommen! Aber welche Veränderung war in diesen 20 Monaten in ihr vorgegangen.</p> <p>Als sie in das Damenstift von Neuville fuhr, las sie nur fromme Bücher, bei ihrer Rückkehr war sie ungläubig geworden, Voltaire und Rousseau waren ihre Lieblingsschriftsteller! </p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0253]
Not und Elend zu lindern, ohne bei den Armen das peinliche Empfinden des Beschenktwerdens zu erwecken. Sie nahm Sophie immer mit, wenn es galt, Armen zu helfen und der Not ins Angesicht zu blicken.
Als der Winter sich einstmals sehr hart anliess, ging sie mit Sophie und ihren anderen Kindern in den Wald und banden Reisigbündel, die sie dann in die Hütten trugen. Oder sie bereiteten selbst Brot für alle Armen der Umgebung und Suppen für die Kranken. All’ dies geschah in so grossem Masstabe, kostete sie so viel Zeit und Mühe, dass es der sonstigen, bequemen Wohltätigkeit der Reichen gar nicht glich und auch den bitteren Beigeschmack der Philantropie nicht hatte. Sie begnügten sich nicht damit zu schenken, sie suchten auch die Menschen zu trösten, zu belehren und bemühten sich, ihre Menschenwürde zu schonen. Der Eindrück davon blieb Sophie fürs ganze Leben. Noch viele, viele Jahre darnach schrieb sie ihrer Mutter, wie sehr sie ihr danke, dass sie sie unterwiesen habe, Not, Elend und Krankheit gern zu lindern, wie sie durch die dankbaren Blicke der Unglücklichen gelernt habe, das Glück zu empfinden, die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen.
In Frankreich existierten zur Zeit des Ausbruches der Revolution viele adelige Damenstifte. Es war Sitte, dass junge Mädchen aus diesen Kreisen eine Zeitlang dort lebten, um sich weiter zu bilden, oder sich ganz dem Stande der Nonnen zu weihen.
Sophie war sehr ungern dort, es überkamen sie Anfälle von Melancholie in diesem düstern, klösterlichen Leben, fern von all den Ihren und dem freien, ungebundenen Landleben. Wie froh war sie, wieder nach Hause zu kommen! Aber welche Veränderung war in diesen 20 Monaten in ihr vorgegangen.
Als sie in das Damenstift von Neuville fuhr, las sie nur fromme Bücher, bei ihrer Rückkehr war sie ungläubig geworden, Voltaire und Rousseau waren ihre Lieblingsschriftsteller!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-02-11T11:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-02-11T11:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |