Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Vorwort. Dies Buch gilt den Frauen der grossen französischen Revolution. Nicht jenen allein, die den einzelnen Abschnitten des Buches ihren Namen geben; sondern all denen, die der grosse Augenblick, die gesteigerte Spannkraft allen Lebens zu Heldinnen machte, deren Taten unbeachtet blieben, weil sie für selbstverständlich galten. Die Revolution hatte Weiber entmenscht. Das Mitansehen von Hinrichtungen wurde weibliches Vergnügen; um die Zeit von einer Hinrichtung zur anderen nützlich zu verbringen, arbeitete man friedlich an einem Strickstrumpf; das Schauspiel der Guillotinierung selbst wurde mit Geschrei und Tänzen begleitet, deren abscheulicher Anblick den ruchlosen Weibern zuerst den Namen "Sansculotten" eintrug; mit tierischem Jubel wurde der Moment des "Karpfensprungs" und "In den Sack niesen" begrüsst, wenn das Blut aufspritzte und der Kopf hinabfiel. Immer neue Erfindungen perverser Blutgier halfen über die Abstumpfung der täglichen Wiederholung hinweg. Aber dieselbe Revolution hatte in jener anderen Gruppe von Frauen, der die Gestalten dieses Buches angehören und wie eine bessere, höhere Menschengattung von den Hyänen der Guillotine geschieden ist, die tiefsten, herzlichsten Instinkte geweckt, von dem tatkräftigsten Mitleid bis zum heroischen Kampf, von der stürmischsten Lebensenergie bis zur gleichgültigen Todesverachtung. Viele kämpften und starben mit dem Bewusstsein, dass ihr Andenken sich im Dunkel der Zeiten verlieren werde. Manche von ihnen, die nicht in die Zahl der grossen Gestalten aufgenommen werden kann, Vorwort. Dies Buch gilt den Frauen der grossen französischen Revolution. Nicht jenen allein, die den einzelnen Abschnitten des Buches ihren Namen geben; sondern all denen, die der grosse Augenblick, die gesteigerte Spannkraft allen Lebens zu Heldinnen machte, deren Taten unbeachtet blieben, weil sie für selbstverständlich galten. Die Revolution hatte Weiber entmenscht. Das Mitansehen von Hinrichtungen wurde weibliches Vergnügen; um die Zeit von einer Hinrichtung zur anderen nützlich zu verbringen, arbeitete man friedlich an einem Strickstrumpf; das Schauspiel der Guillotinierung selbst wurde mit Geschrei und Tänzen begleitet, deren abscheulicher Anblick den ruchlosen Weibern zuerst den Namen „Sansculotten“ eintrug; mit tierischem Jubel wurde der Moment des „Karpfensprungs“ und „In den Sack niesen“ begrüsst, wenn das Blut aufspritzte und der Kopf hinabfiel. Immer neue Erfindungen perverser Blutgier halfen über die Abstumpfung der täglichen Wiederholung hinweg. Aber dieselbe Revolution hatte in jener anderen Gruppe von Frauen, der die Gestalten dieses Buches angehören und wie eine bessere, höhere Menschengattung von den Hyänen der Guillotine geschieden ist, die tiefsten, herzlichsten Instinkte geweckt, von dem tatkräftigsten Mitleid bis zum heroischen Kampf, von der stürmischsten Lebensenergie bis zur gleichgültigen Todesverachtung. Viele kämpften und starben mit dem Bewusstsein, dass ihr Andenken sich im Dunkel der Zeiten verlieren werde. Manche von ihnen, die nicht in die Zahl der grossen Gestalten aufgenommen werden kann, <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0008" n="[VII]"/> <div type="preface"> <head>Vorwort.<lb/></head> <p> Dies Buch gilt den Frauen der grossen französischen Revolution. Nicht jenen allein, die den einzelnen Abschnitten des Buches ihren Namen geben; sondern all denen, die der grosse Augenblick, die gesteigerte Spannkraft allen Lebens zu Heldinnen machte, deren Taten unbeachtet blieben, weil sie für selbstverständlich galten. Die Revolution hatte Weiber entmenscht. Das Mitansehen von Hinrichtungen wurde weibliches Vergnügen; um die Zeit von einer Hinrichtung zur anderen nützlich zu verbringen, arbeitete man friedlich an einem Strickstrumpf; das Schauspiel der Guillotinierung selbst wurde mit Geschrei und Tänzen begleitet, deren abscheulicher Anblick den ruchlosen Weibern zuerst den Namen „Sansculotten“ eintrug; mit tierischem Jubel wurde der Moment des „Karpfensprungs“ und „In den Sack niesen“ begrüsst, wenn das Blut aufspritzte und der Kopf hinabfiel. Immer neue Erfindungen perverser Blutgier halfen über die Abstumpfung der täglichen Wiederholung hinweg. Aber dieselbe Revolution hatte in jener anderen Gruppe von Frauen, der die Gestalten dieses Buches angehören und wie eine bessere, höhere Menschengattung von den Hyänen der Guillotine geschieden ist, die tiefsten, herzlichsten Instinkte geweckt, von dem tatkräftigsten Mitleid bis zum heroischen Kampf, von der stürmischsten Lebensenergie bis zur gleichgültigen Todesverachtung. Viele kämpften und starben mit dem Bewusstsein, dass ihr Andenken sich im Dunkel der Zeiten verlieren werde. Manche von ihnen, die nicht in die Zahl der grossen Gestalten aufgenommen werden kann, </p> </div> </front> </text> </TEI> [[VII]/0008]
Vorwort.
Dies Buch gilt den Frauen der grossen französischen Revolution. Nicht jenen allein, die den einzelnen Abschnitten des Buches ihren Namen geben; sondern all denen, die der grosse Augenblick, die gesteigerte Spannkraft allen Lebens zu Heldinnen machte, deren Taten unbeachtet blieben, weil sie für selbstverständlich galten. Die Revolution hatte Weiber entmenscht. Das Mitansehen von Hinrichtungen wurde weibliches Vergnügen; um die Zeit von einer Hinrichtung zur anderen nützlich zu verbringen, arbeitete man friedlich an einem Strickstrumpf; das Schauspiel der Guillotinierung selbst wurde mit Geschrei und Tänzen begleitet, deren abscheulicher Anblick den ruchlosen Weibern zuerst den Namen „Sansculotten“ eintrug; mit tierischem Jubel wurde der Moment des „Karpfensprungs“ und „In den Sack niesen“ begrüsst, wenn das Blut aufspritzte und der Kopf hinabfiel. Immer neue Erfindungen perverser Blutgier halfen über die Abstumpfung der täglichen Wiederholung hinweg. Aber dieselbe Revolution hatte in jener anderen Gruppe von Frauen, der die Gestalten dieses Buches angehören und wie eine bessere, höhere Menschengattung von den Hyänen der Guillotine geschieden ist, die tiefsten, herzlichsten Instinkte geweckt, von dem tatkräftigsten Mitleid bis zum heroischen Kampf, von der stürmischsten Lebensenergie bis zur gleichgültigen Todesverachtung. Viele kämpften und starben mit dem Bewusstsein, dass ihr Andenken sich im Dunkel der Zeiten verlieren werde. Manche von ihnen, die nicht in die Zahl der grossen Gestalten aufgenommen werden kann,
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