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Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917.

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rungsverbandes. Ohne die Streitfragen zu berühren,
welche über diese eventuelle Bestimmung bekanntlich herr-
schen, ist indessen augenscheinlich, dass auch die "Gleich-
heit" der Wählerstimmen untereinander für den
von uns ins Auge gefassten Zweck (der im Parlamente zah-
lenmässig messbaren Volksstimmungen) immerhin nur
unter der wesentlichsten Vorbedingung dienlich sein kann,
wenn es kein tatsächliches Mitglied des betreffenden Be-
völkerungsverbandes gibt, das nicht gleichzeitig "Wähler"
wäre. Denn was nutzt es zur richtigen Erkenntnis
der Volksstimmung, dass alle "Wähler" untereinan-
der
gleich sind, wenn es gleichzeitig zahlreiche Teile der
Bevölkerung gäbe, die überhaupt nicht "Wähler" wären?
Der langen Rede kurzer Sinn ist der, dass, sofern ein wie
immer geartetes Parlament in Betracht kommt, für unse-
ren speziellen Gesichtspunkt der Messbarkeit der Volks-
stimmung (der aber für jede parteipolitische Richtung
staatserhaltender Natur, für jede Regierung wie immer
gearteter Tendenzen und für jedes politische Macht-
regime logisch anwendbar und sogar notwendig ist) als
allerwichtigste Qualität des Wahlrechts dessen "Allge-
meinheit" erscheint. Die anderen drei Glieder der zitier-
ten Formel, in "gleich, direkt und geheim" bestehend,
sind, so hoch man sie auch schätzen möge, im Vergleich
mit dem ersten Gliede "allgemein" immerhin nur
minderwertiger Natur und sollten eigentlich nur in dem
Masse verwirklicht werden, in welchem sie die "Allge-
meinheit
" des Wahlrechts ergänzen, mit derselben
vereinbar erscheinen oder ihr mindestens keinen Abbruch
tun. Selbstverständlich ist diese "Allgemeinheit"
des Wahlrechts nur massvoll und ohne doktrinäre Ueber-
treibungen in dem praktischen Sinne zu verstehen, dass
nur nennenswert einflussfähige Kreise der Bevölke-
rung aus dem Wahlrechte nicht ausgeschlossen werden

rungsverbandes. Ohne die Streitfragen zu berühren,
welche über diese eventuelle Bestimmung bekanntlich herr-
schen, ist indessen augenscheinlich, dass auch die „Gleich-
heit“ der Wählerstimmen untereinander für den
von uns ins Auge gefassten Zweck (der im Parlamente zah-
lenmässig messbaren Volksstimmungen) immerhin nur
unter der wesentlichsten Vorbedingung dienlich sein kann,
wenn es kein tatsächliches Mitglied des betreffenden Be-
völkerungsverbandes gibt, das nicht gleichzeitig „Wähler“
wäre. Denn was nutzt es zur richtigen Erkenntnis
der Volksstimmung, dass alle „Wähler“ untereinan-
der
gleich sind, wenn es gleichzeitig zahlreiche Teile der
Bevölkerung gäbe, die überhaupt nicht „Wähler“ wären?
Der langen Rede kurzer Sinn ist der, dass, sofern ein wie
immer geartetes Parlament in Betracht kommt, für unse-
ren speziellen Gesichtspunkt der Messbarkeit der Volks-
stimmung (der aber für jede parteipolitische Richtung
staatserhaltender Natur, für jede Regierung wie immer
gearteter Tendenzen und für jedes politische Macht-
regime logisch anwendbar und sogar notwendig ist) als
allerwichtigste Qualität des Wahlrechts dessen „Allge-
meinheit“ erscheint. Die anderen drei Glieder der zitier-
ten Formel, in „gleich, direkt und geheim“ bestehend,
sind, so hoch man sie auch schätzen möge, im Vergleich
mit dem ersten Gliede „allgemein“ immerhin nur
minderwertiger Natur und sollten eigentlich nur in dem
Masse verwirklicht werden, in welchem sie die „Allge-
meinheit
“ des Wahlrechts ergänzen, mit derselben
vereinbar erscheinen oder ihr mindestens keinen Abbruch
tun. Selbstverständlich ist diese „Allgemeinheit
des Wahlrechts nur massvoll und ohne doktrinäre Ueber-
treibungen in dem praktischen Sinne zu verstehen, dass
nur nennenswert einflussfähige Kreise der Bevölke-
rung aus dem Wahlrechte nicht ausgeschlossen werden

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[9/0011] rungsverbandes. Ohne die Streitfragen zu berühren, welche über diese eventuelle Bestimmung bekanntlich herr- schen, ist indessen augenscheinlich, dass auch die „Gleich- heit“ der Wählerstimmen untereinander für den von uns ins Auge gefassten Zweck (der im Parlamente zah- lenmässig messbaren Volksstimmungen) immerhin nur unter der wesentlichsten Vorbedingung dienlich sein kann, wenn es kein tatsächliches Mitglied des betreffenden Be- völkerungsverbandes gibt, das nicht gleichzeitig „Wähler“ wäre. Denn was nutzt es zur richtigen Erkenntnis der Volksstimmung, dass alle „Wähler“ untereinan- der gleich sind, wenn es gleichzeitig zahlreiche Teile der Bevölkerung gäbe, die überhaupt nicht „Wähler“ wären? Der langen Rede kurzer Sinn ist der, dass, sofern ein wie immer geartetes Parlament in Betracht kommt, für unse- ren speziellen Gesichtspunkt der Messbarkeit der Volks- stimmung (der aber für jede parteipolitische Richtung staatserhaltender Natur, für jede Regierung wie immer gearteter Tendenzen und für jedes politische Macht- regime logisch anwendbar und sogar notwendig ist) als allerwichtigste Qualität des Wahlrechts dessen „Allge- meinheit“ erscheint. Die anderen drei Glieder der zitier- ten Formel, in „gleich, direkt und geheim“ bestehend, sind, so hoch man sie auch schätzen möge, im Vergleich mit dem ersten Gliede „allgemein“ immerhin nur minderwertiger Natur und sollten eigentlich nur in dem Masse verwirklicht werden, in welchem sie die „Allge- meinheit“ des Wahlrechts ergänzen, mit derselben vereinbar erscheinen oder ihr mindestens keinen Abbruch tun. Selbstverständlich ist diese „Allgemeinheit“ des Wahlrechts nur massvoll und ohne doktrinäre Ueber- treibungen in dem praktischen Sinne zu verstehen, dass nur nennenswert einflussfähige Kreise der Bevölke- rung aus dem Wahlrechte nicht ausgeschlossen werden

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Zitationshilfe: Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alapin_kapitel_1917/11>, abgerufen am 21.11.2024.