[Albertinus, Aegidius]: Hiren schleifer. München, [1618].Hirnschleiffer. loben. Vil Eltern vnd sonderlich die Mütterhaben jhre Kinder dermassen lieb/ daß sie nit wissen wie sie dieselbige nur zartigklich gnug erziehen sollen. Alles was sie vermeinen/ daß den Kindern geliebt vnnd gefellig ist/ das ge- ben vnd verstatten sie jhnen: Von zarter ju- gent auff müssen sie alle hoffart in Klaidern haben vnnd die beste bissel essen vnnd Wein schlecken: An allen orten tregt oder führet man sie auß/ vnd zu allen täntzen vnd gesell- schafften/ damit sie gesehen/ bekant vnd von jhrer schönheit vnnd holdtseligkeit wegen ge- lobt werden. Alles was jhre liebe Söhn- vnd Töchterlein thun/ das ist recht vnnd wol ge- than/ da darff niemandt nichts wider sagen/ so gar der Vatter darff jhnen keinen straich geben/ vnd die Praeceptores müssen sie mit dem fuchßschwantz streichen. Ist aber das nit ein Affenlieb? heist das nit das Kindt auß lieb zertrucken? heist das nit den Leib lieben vnd die Seel tödten? O grausame vnd vnbarmher- tzige Mütter/ welche selbst ein vrsach der ver- damnuß jhrer eignen Kinder seind? dann vn- derm schein der pietet, güte vnd mitleydens verderben sie jhre Kinder vnd sich selbst. Des- sen beklaget sich der Prophet vnd sagt/ dises sey J i 3
Hirnſchleiffer. loben. Vil Eltern vnd ſonderlich die Muͤtterhaben jhre Kinder dermaſſen lieb/ daß ſie nit wiſſen wie ſie dieſelbige nur zartigklich gnug erziehen ſollen. Alles was ſie vermeinen/ daß den Kindern geliebt vnnd gefellig iſt/ das ge- ben vnd verſtatten ſie jhnen: Von zarter ju- gent auff muͤſſen ſie alle hoffart in Klaidern haben vnnd die beſte biſſel eſſen vnnd Wein ſchlecken: An allen orten tregt oder fuͤhret man ſie auß/ vnd zu allen taͤntzen vnd geſell- ſchafften/ damit ſie geſehen/ bekant vnd von jhrer ſchoͤnheit vnnd holdtſeligkeit wegen ge- lobt werden. Alles was jhre liebe Soͤhn- vnd Toͤchterlein thun/ das iſt recht vnnd wol ge- than/ da darff niemandt nichts wider ſagen/ ſo gar der Vatter darff jhnen keinen ſtraich geben/ vnd die Præceptores muͤſſen ſie mit dem fuchßſchwantz ſtreichen. Iſt aber das nit ein Affenlieb? heiſt das nit das Kindt auß lieb zertrucken? heiſt das nit den Leib lieben vñ die Seel toͤdten? O grauſame vnd vnbarmher- tzige Muͤtter/ welche ſelbſt ein vrſach der ver- damnuß jhrer eignen Kinder ſeind? dann vn- derm ſchein der pietet, guͤte vnd mitleydens verderben ſie jhre Kinder vnd ſich ſelbſt. Deſ- ſen beklaget ſich der Prophet vnd ſagt/ diſes ſey J i 3
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Hirnſchleiffer.
loben. Vil Eltern vnd ſonderlich die Muͤtter
haben jhre Kinder dermaſſen lieb/ daß ſie nit
wiſſen wie ſie dieſelbige nur zartigklich gnug
erziehen ſollen. Alles was ſie vermeinen/ daß
den Kindern geliebt vnnd gefellig iſt/ das ge-
ben vnd verſtatten ſie jhnen: Von zarter ju-
gent auff muͤſſen ſie alle hoffart in Klaidern
haben vnnd die beſte biſſel eſſen vnnd Wein
ſchlecken: An allen orten tregt oder fuͤhret
man ſie auß/ vnd zu allen taͤntzen vnd geſell-
ſchafften/ damit ſie geſehen/ bekant vnd von
jhrer ſchoͤnheit vnnd holdtſeligkeit wegen ge-
lobt werden. Alles was jhre liebe Soͤhn- vnd
Toͤchterlein thun/ das iſt recht vnnd wol ge-
than/ da darff niemandt nichts wider ſagen/
ſo gar der Vatter darff jhnen keinen ſtraich
geben/ vnd die Præceptores muͤſſen ſie mit
dem fuchßſchwantz ſtreichen. Iſt aber das nit
ein Affenlieb? heiſt das nit das Kindt auß lieb
zertrucken? heiſt das nit den Leib lieben vñ die
Seel toͤdten? O grauſame vnd vnbarmher-
tzige Muͤtter/ welche ſelbſt ein vrſach der ver-
damnuß jhrer eignen Kinder ſeind? dann vn-
derm ſchein der pietet, guͤte vnd mitleydens
verderben ſie jhre Kinder vnd ſich ſelbſt. Deſ-
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ſey
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