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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100.

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in einem schnellen Blicke aufleuchtete. Er galt für ei-
nen wohlhabenden, gewichtigen Mann in dieser Ge-
gend, hielt sich zur Ultrapartei, war mit dem Könige
bei der Wiederkehr des Usurpators nach Gent gegan-
gen und zurückgekommen. Er war daher ein eben so
großer Vertheidiger des Absolutismus neben den alten
Adelsvorrechten, als ein Feind der revolutionairen und
liberalen Meinungen. Da indessen seine Nachbarn, be-
sonders die Landleute im Dorfe, nicht mit ihm gleiche
Gesinnung theilten, namentlich bei'm Streite über alte
Rechte und Abgaben, so hatte er manche Kämpfe zu
bestehen, welche von Seiten der Bauern mit höchstem
Trotz, von seiner mit mehr List, Ausdauer und glück-
licherm Erfolge durchgefochten wurden. Der Haß ge-
gen ihn war um so größer, da er, gegenwärtig als
Maire auf seinem ehemaligen Dorfe, mit den Anfüh-
rern der feindlichen Truppen in freundschaftlichem Ver-
kehr stand, und vielleicht noch mehr, weil man sich er-
innerte, daß er einst eine ganz andere Rolle gespielt
hatte. Er sollte ein eifriger Jacobiner in den ersten
Tagen der Revolution, gewesen seyn, und in der Schrek-
kenszeit sogar in Robespierre's Anhang den öffentlichen
Anklägern gedient haben. Als ihm nach seines Bru-
ders Tode dieses Schloß eigenthümlich zugefallen, schien
er bald ein treuer Anhänger Napoleon's. Beide Erin-
nerungen hielt man für die Ursach, wenn man den

in einem ſchnellen Blicke aufleuchtete. Er galt für ei-
nen wohlhabenden, gewichtigen Mann in dieſer Ge-
gend, hielt ſich zur Ultrapartei, war mit dem Könige
bei der Wiederkehr des Uſurpators nach Gent gegan-
gen und zurückgekommen. Er war daher ein eben ſo
großer Vertheidiger des Abſolutismus neben den alten
Adelsvorrechten, als ein Feind der revolutionairen und
liberalen Meinungen. Da indeſſen ſeine Nachbarn, be-
ſonders die Landleute im Dorfe, nicht mit ihm gleiche
Geſinnung theilten, namentlich bei’m Streite über alte
Rechte und Abgaben, ſo hatte er manche Kämpfe zu
beſtehen, welche von Seiten der Bauern mit höchſtem
Trotz, von ſeiner mit mehr Liſt, Ausdauer und glück-
licherm Erfolge durchgefochten wurden. Der Haß ge-
gen ihn war um ſo größer, da er, gegenwärtig als
Maire auf ſeinem ehemaligen Dorfe, mit den Anfüh-
rern der feindlichen Truppen in freundſchaftlichem Ver-
kehr ſtand, und vielleicht noch mehr, weil man ſich er-
innerte, daß er einſt eine ganz andere Rolle geſpielt
hatte. Er ſollte ein eifriger Jacobiner in den erſten
Tagen der Revolution, geweſen ſeyn, und in der Schrek-
kenszeit ſogar in Robespierre’s Anhang den öffentlichen
Anklägern gedient haben. Als ihm nach ſeines Bru-
ders Tode dieſes Schloß eigenthümlich zugefallen, ſchien
er bald ein treuer Anhänger Napoleon’s. Beide Erin-
nerungen hielt man für die Urſach, wenn man den

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[0062] in einem ſchnellen Blicke aufleuchtete. Er galt für ei- nen wohlhabenden, gewichtigen Mann in dieſer Ge- gend, hielt ſich zur Ultrapartei, war mit dem Könige bei der Wiederkehr des Uſurpators nach Gent gegan- gen und zurückgekommen. Er war daher ein eben ſo großer Vertheidiger des Abſolutismus neben den alten Adelsvorrechten, als ein Feind der revolutionairen und liberalen Meinungen. Da indeſſen ſeine Nachbarn, be- ſonders die Landleute im Dorfe, nicht mit ihm gleiche Geſinnung theilten, namentlich bei’m Streite über alte Rechte und Abgaben, ſo hatte er manche Kämpfe zu beſtehen, welche von Seiten der Bauern mit höchſtem Trotz, von ſeiner mit mehr Liſt, Ausdauer und glück- licherm Erfolge durchgefochten wurden. Der Haß ge- gen ihn war um ſo größer, da er, gegenwärtig als Maire auf ſeinem ehemaligen Dorfe, mit den Anfüh- rern der feindlichen Truppen in freundſchaftlichem Ver- kehr ſtand, und vielleicht noch mehr, weil man ſich er- innerte, daß er einſt eine ganz andere Rolle geſpielt hatte. Er ſollte ein eifriger Jacobiner in den erſten Tagen der Revolution, geweſen ſeyn, und in der Schrek- kenszeit ſogar in Robespierre’s Anhang den öffentlichen Anklägern gedient haben. Als ihm nach ſeines Bru- ders Tode dieſes Schloß eigenthümlich zugefallen, ſchien er bald ein treuer Anhänger Napoleon’s. Beide Erin- nerungen hielt man für die Urſach, wenn man den

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/62>, abgerufen am 28.03.2024.