im Gespräch hin. Sire, erwiederte Lombard, Europa kennt den Sieger des 18ten Brumaire. Der Kaiser schüttelte mit gesenktem Blick den Kopf: Ach das war für die Straßen von Paris, für Frankreich vielleicht, aber der Genius muß noch geboren werden, der Europa wieder in seine Fugen richtet. Lombard citirte eine Stelle aus einer Schrift des jungen Ancillon. Napoleon schien sie zu kennen, aber mit einem schlauen Augenaufschlag fiel er ein: "Mich dünkt, der Sinn ist weit schlagender in den Worten ausgedrückt -- Und was citirte er? Eine Stelle aus einem von Lombards Traite's!"
"Sollte Bonaparte Lombards Schriften gelesen haben?" rief der junge Rath mit einem ungläubigen Lächeln.
"Dieselbe Frage stellte Lombard, natürlich nur mit andern Worten, und sein Gesicht mag auch dabei geglänzt haben, denn, wir wollen es nicht leugnen, er ist etwas eitel. Eitel sind wir Alle, lieber Fuchsius. Napoleon sah ihn mit seinen schönen klugen Augen vielsagend an, und griff dann nach einem Buche, das neben ihm auf dem Tische lag. Es war Pariser Druck und Band, Sie werden es sehen. Kaum, daß er darin geblättert, schlug er eine Seite auf und reichte sie dem Gesandten. Es war Lombards Dictum. Unverdiente Ehre, wenn mich ein französischer Schrift¬ steller citirt hat. -- Sie sind es ja selbst, lächelte Napoleon, und wies ihn auf den Titel. Kurzum, es waren Lombards Traite's, in einer Pariser Aus¬
im Geſpräch hin. Sire, erwiederte Lombard, Europa kennt den Sieger des 18ten Brumaire. Der Kaiſer ſchüttelte mit geſenktem Blick den Kopf: Ach das war für die Straßen von Paris, für Frankreich vielleicht, aber der Genius muß noch geboren werden, der Europa wieder in ſeine Fugen richtet. Lombard citirte eine Stelle aus einer Schrift des jungen Ancillon. Napoleon ſchien ſie zu kennen, aber mit einem ſchlauen Augenaufſchlag fiel er ein: „Mich dünkt, der Sinn iſt weit ſchlagender in den Worten ausgedrückt — Und was citirte er? Eine Stelle aus einem von Lombards Traité's!“
„Sollte Bonaparte Lombards Schriften geleſen haben?“ rief der junge Rath mit einem ungläubigen Lächeln.
„Dieſelbe Frage ſtellte Lombard, natürlich nur mit andern Worten, und ſein Geſicht mag auch dabei geglänzt haben, denn, wir wollen es nicht leugnen, er iſt etwas eitel. Eitel ſind wir Alle, lieber Fuchſius. Napoleon ſah ihn mit ſeinen ſchönen klugen Augen vielſagend an, und griff dann nach einem Buche, das neben ihm auf dem Tiſche lag. Es war Pariſer Druck und Band, Sie werden es ſehen. Kaum, daß er darin geblättert, ſchlug er eine Seite auf und reichte ſie dem Geſandten. Es war Lombards Dictum. Unverdiente Ehre, wenn mich ein franzöſiſcher Schrift¬ ſteller citirt hat. — Sie ſind es ja ſelbſt, lächelte Napoleon, und wies ihn auf den Titel. Kurzum, es waren Lombards Traité's, in einer Pariſer Aus¬
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[88/0102]
im Geſpräch hin. Sire, erwiederte Lombard, Europa
kennt den Sieger des 18ten Brumaire. Der Kaiſer
ſchüttelte mit geſenktem Blick den Kopf: Ach das war
für die Straßen von Paris, für Frankreich vielleicht,
aber der Genius muß noch geboren werden, der
Europa wieder in ſeine Fugen richtet. Lombard
citirte eine Stelle aus einer Schrift des jungen
Ancillon. Napoleon ſchien ſie zu kennen, aber mit
einem ſchlauen Augenaufſchlag fiel er ein: „Mich
dünkt, der Sinn iſt weit ſchlagender in den Worten
ausgedrückt — Und was citirte er? Eine Stelle aus
einem von Lombards Traité's!“
„Sollte Bonaparte Lombards Schriften geleſen
haben?“ rief der junge Rath mit einem ungläubigen
Lächeln.
„Dieſelbe Frage ſtellte Lombard, natürlich nur mit
andern Worten, und ſein Geſicht mag auch dabei
geglänzt haben, denn, wir wollen es nicht leugnen,
er iſt etwas eitel. Eitel ſind wir Alle, lieber Fuchſius.
Napoleon ſah ihn mit ſeinen ſchönen klugen Augen
vielſagend an, und griff dann nach einem Buche,
das neben ihm auf dem Tiſche lag. Es war Pariſer
Druck und Band, Sie werden es ſehen. Kaum,
daß er darin geblättert, ſchlug er eine Seite auf und
reichte ſie dem Geſandten. Es war Lombards Dictum.
Unverdiente Ehre, wenn mich ein franzöſiſcher Schrift¬
ſteller citirt hat. — Sie ſind es ja ſelbſt, lächelte
Napoleon, und wies ihn auf den Titel. Kurzum,
es waren Lombards Traité's, in einer Pariſer Aus¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/102>, abgerufen am 22.11.2024.
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