Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

er den ganzen Continent mit einem Netz gegen die
fremde Waare umspannen, daß kein Ballen ihrer
Manufacte eindringt, könnte er den Gewerbfleiß unter
den Continentalen anstacheln, daß wir gezwungen
würden für uns selbst zu erfinden, schaffen, könnte
er die Britten aushungern, daß sie sich den Tod
essen an ihren Schlauderwaaren, dann hätte er ge¬
siegt, wie er wünscht, nicht für sich, für die ganze
europäische Menschheit. Dann würden wir alle reiche,
glückliche, selbstständige Völker. Aber er allein, ein
wie großes Genie auch, kann das nicht. Er braucht
einen Bundesgenossen. Rußland kann es nicht sein,
Oestreich ist des Gedankens nicht fähig, Preußen
allein steht auf der Höhe der Civilisation und In¬
telligenz, mit Preußen Hand in Hand könnte er den
Weltgedanken ausführen. Begreifen Sie nun, warum
es in seinem Interesse ist, mit uns Freund zu
bleiben?"

"Lombard hat die Propositionen zur Alliance ver¬
muthlich schon in der Tasche?"

"Bonaparte kennt uns, und darum giebt er fast
die Hoffnung auf. Er kennt die Hindernisse. Ich
versichere Sie, mit erschreckender Genauigkeit kennt
er die Coterien an unserem Hofe, er weiß, was bei
der Radziwill, in den Kreisen der Prinzeß Wilhelm
über ihn gesprochen, wie er titulirt wird. Er weiß
die Ausdrücke, das Treiben in den Umgebungen des
Prinzen Louis Ferdinand auf ein Haar, ja er liest
die Gedanken, die der Prinz unterdrücken muß. Die

er den ganzen Continent mit einem Netz gegen die
fremde Waare umſpannen, daß kein Ballen ihrer
Manufacte eindringt, könnte er den Gewerbfleiß unter
den Continentalen anſtacheln, daß wir gezwungen
würden für uns ſelbſt zu erfinden, ſchaffen, könnte
er die Britten aushungern, daß ſie ſich den Tod
eſſen an ihren Schlauderwaaren, dann hätte er ge¬
ſiegt, wie er wünſcht, nicht für ſich, für die ganze
europäiſche Menſchheit. Dann würden wir alle reiche,
glückliche, ſelbſtſtändige Völker. Aber er allein, ein
wie großes Genie auch, kann das nicht. Er braucht
einen Bundesgenoſſen. Rußland kann es nicht ſein,
Oeſtreich iſt des Gedankens nicht fähig, Preußen
allein ſteht auf der Höhe der Civiliſation und In¬
telligenz, mit Preußen Hand in Hand könnte er den
Weltgedanken ausführen. Begreifen Sie nun, warum
es in ſeinem Intereſſe iſt, mit uns Freund zu
bleiben?“

„Lombard hat die Propoſitionen zur Alliance ver¬
muthlich ſchon in der Taſche?“

„Bonaparte kennt uns, und darum giebt er faſt
die Hoffnung auf. Er kennt die Hinderniſſe. Ich
verſichere Sie, mit erſchreckender Genauigkeit kennt
er die Coterien an unſerem Hofe, er weiß, was bei
der Radziwill, in den Kreiſen der Prinzeß Wilhelm
über ihn geſprochen, wie er titulirt wird. Er weiß
die Ausdrücke, das Treiben in den Umgebungen des
Prinzen Louis Ferdinand auf ein Haar, ja er lieſt
die Gedanken, die der Prinz unterdrücken muß. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="94"/>
er den ganzen Continent mit einem Netz gegen die<lb/>
fremde Waare um&#x017F;pannen, daß kein Ballen ihrer<lb/>
Manufacte eindringt, könnte er den Gewerbfleiß unter<lb/>
den Continentalen an&#x017F;tacheln, daß wir gezwungen<lb/>
würden für uns &#x017F;elb&#x017F;t zu erfinden, &#x017F;chaffen, könnte<lb/>
er die Britten aushungern, daß &#x017F;ie &#x017F;ich den Tod<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en an ihren Schlauderwaaren, dann hätte er ge¬<lb/>
&#x017F;iegt, wie er wün&#x017F;cht, nicht für &#x017F;ich, für die ganze<lb/>
europäi&#x017F;che Men&#x017F;chheit. Dann würden wir alle reiche,<lb/>
glückliche, &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändige Völker. Aber er allein, ein<lb/>
wie großes Genie auch, kann das nicht. Er braucht<lb/>
einen Bundesgeno&#x017F;&#x017F;en. Rußland kann es nicht &#x017F;ein,<lb/>
Oe&#x017F;treich i&#x017F;t des Gedankens nicht fähig, Preußen<lb/>
allein &#x017F;teht auf der Höhe der Civili&#x017F;ation und In¬<lb/>
telligenz, mit Preußen Hand in Hand könnte er den<lb/>
Weltgedanken ausführen. Begreifen Sie nun, warum<lb/>
es in &#x017F;einem Intere&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t, mit uns Freund zu<lb/>
bleiben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Lombard hat die Propo&#x017F;itionen zur Alliance ver¬<lb/>
muthlich &#x017F;chon in der Ta&#x017F;che?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bonaparte kennt uns, und darum giebt er fa&#x017F;t<lb/>
die Hoffnung auf. Er kennt die Hinderni&#x017F;&#x017F;e. Ich<lb/>
ver&#x017F;ichere Sie, mit er&#x017F;chreckender Genauigkeit kennt<lb/>
er die Coterien an un&#x017F;erem Hofe, er weiß, was bei<lb/>
der Radziwill, in den Krei&#x017F;en der Prinzeß Wilhelm<lb/>
über ihn ge&#x017F;prochen, wie er titulirt wird. Er weiß<lb/>
die Ausdrücke, das Treiben in den Umgebungen des<lb/>
Prinzen Louis Ferdinand auf ein Haar, ja er lie&#x017F;t<lb/>
die Gedanken, die der Prinz unterdrücken muß. Die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0108] er den ganzen Continent mit einem Netz gegen die fremde Waare umſpannen, daß kein Ballen ihrer Manufacte eindringt, könnte er den Gewerbfleiß unter den Continentalen anſtacheln, daß wir gezwungen würden für uns ſelbſt zu erfinden, ſchaffen, könnte er die Britten aushungern, daß ſie ſich den Tod eſſen an ihren Schlauderwaaren, dann hätte er ge¬ ſiegt, wie er wünſcht, nicht für ſich, für die ganze europäiſche Menſchheit. Dann würden wir alle reiche, glückliche, ſelbſtſtändige Völker. Aber er allein, ein wie großes Genie auch, kann das nicht. Er braucht einen Bundesgenoſſen. Rußland kann es nicht ſein, Oeſtreich iſt des Gedankens nicht fähig, Preußen allein ſteht auf der Höhe der Civiliſation und In¬ telligenz, mit Preußen Hand in Hand könnte er den Weltgedanken ausführen. Begreifen Sie nun, warum es in ſeinem Intereſſe iſt, mit uns Freund zu bleiben?“ „Lombard hat die Propoſitionen zur Alliance ver¬ muthlich ſchon in der Taſche?“ „Bonaparte kennt uns, und darum giebt er faſt die Hoffnung auf. Er kennt die Hinderniſſe. Ich verſichere Sie, mit erſchreckender Genauigkeit kennt er die Coterien an unſerem Hofe, er weiß, was bei der Radziwill, in den Kreiſen der Prinzeß Wilhelm über ihn geſprochen, wie er titulirt wird. Er weiß die Ausdrücke, das Treiben in den Umgebungen des Prinzen Louis Ferdinand auf ein Haar, ja er lieſt die Gedanken, die der Prinz unterdrücken muß. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/108
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/108>, abgerufen am 26.11.2024.