"Zum Geier mit Ihren Intentionen. Wissen Sie, wie der König in die Lippen biß, wie die Königin blaß ward, wie ein Jemand, den ich nicht nennen will, die Achseln zückte und zu Ihrer Majestät flüsterte: das sind die Freunde des Herrn Lombard! wie Seine Majestät, die Hände auf dem Rücken, stumm durchs Zimmer gingen: das muß anders werden! -- heißt das Ordnung! Das nennt man Humanität, daß man Gottes Ordnung umkehrt und die Verbrecher Saufgelage feiern läßt. -- Es muß, es soll anders werden! schlossen Seine Majestät. Beyme hat ihn noch nie so gesehen. Die Cabinetsordre an den Justiz¬ minister war ihm noch nicht stark genug, er mußte sie umschreiben. Was sagen Sie nun?"
Lupinus wußte nichts zu sagen. Er kaute mit den trockenen Lippen und rieb mechanisch die Hände über den Hut bis der Wirkliche ihm zu Hülfe kam: "Erleichtern Sie Ihr Herz und schenken mir reinen Wein, aber verstehen Sie ganz reinen, und bis auf den Grund."
Ob der Wein ganz rein war, lassen wir auf sich beruhen. Es war so ziemlich derselbe, den wir in Lupinus Gespräch mit seiner Schwägerin gekostet. Nur blieb der tolle Sohn des Geheimraths aus dem Spiele. Der Zuhörer, welcher besonders am Schluß aufmerksam den Kopf wiegte, schien einigermaßen befrie¬ digt, denn er sagte, als der Andere zu Ende war: "Kön¬ nen Sie nun mit gutem Gewissen behaupten, daß Sie nichts hinzugethan, noch davon genommen haben; ich
„Zum Geier mit Ihren Intentionen. Wiſſen Sie, wie der König in die Lippen biß, wie die Königin blaß ward, wie ein Jemand, den ich nicht nennen will, die Achſeln zückte und zu Ihrer Majeſtät flüſterte: das ſind die Freunde des Herrn Lombard! wie Seine Majeſtät, die Hände auf dem Rücken, ſtumm durchs Zimmer gingen: das muß anders werden! — heißt das Ordnung! Das nennt man Humanität, daß man Gottes Ordnung umkehrt und die Verbrecher Saufgelage feiern läßt. — Es muß, es ſoll anders werden! ſchloſſen Seine Majeſtät. Beyme hat ihn noch nie ſo geſehen. Die Cabinetsordre an den Juſtiz¬ miniſter war ihm noch nicht ſtark genug, er mußte ſie umſchreiben. Was ſagen Sie nun?“
Lupinus wußte nichts zu ſagen. Er kaute mit den trockenen Lippen und rieb mechaniſch die Hände über den Hut bis der Wirkliche ihm zu Hülfe kam: „Erleichtern Sie Ihr Herz und ſchenken mir reinen Wein, aber verſtehen Sie ganz reinen, und bis auf den Grund.“
Ob der Wein ganz rein war, laſſen wir auf ſich beruhen. Es war ſo ziemlich derſelbe, den wir in Lupinus Geſpräch mit ſeiner Schwägerin gekoſtet. Nur blieb der tolle Sohn des Geheimraths aus dem Spiele. Der Zuhörer, welcher beſonders am Schluß aufmerkſam den Kopf wiegte, ſchien einigermaßen befrie¬ digt, denn er ſagte, als der Andere zu Ende war: „Kön¬ nen Sie nun mit gutem Gewiſſen behaupten, daß Sie nichts hinzugethan, noch davon genommen haben; ich
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„Zum Geier mit Ihren Intentionen. Wiſſen Sie,
wie der König in die Lippen biß, wie die Königin blaß
ward, wie ein Jemand, den ich nicht nennen will,
die Achſeln zückte und zu Ihrer Majeſtät flüſterte:
das ſind die Freunde des Herrn Lombard! wie Seine
Majeſtät, die Hände auf dem Rücken, ſtumm durchs
Zimmer gingen: das muß anders werden! — heißt
das Ordnung! Das nennt man Humanität, daß
man Gottes Ordnung umkehrt und die Verbrecher
Saufgelage feiern läßt. — Es muß, es ſoll anders
werden! ſchloſſen Seine Majeſtät. Beyme hat ihn noch
nie ſo geſehen. Die Cabinetsordre an den Juſtiz¬
miniſter war ihm noch nicht ſtark genug, er mußte
ſie umſchreiben. Was ſagen Sie nun?“
Lupinus wußte nichts zu ſagen. Er kaute mit
den trockenen Lippen und rieb mechaniſch die Hände
über den Hut bis der Wirkliche ihm zu Hülfe kam:
„Erleichtern Sie Ihr Herz und ſchenken mir reinen
Wein, aber verſtehen Sie ganz reinen, und bis auf
den Grund.“
Ob der Wein ganz rein war, laſſen wir auf
ſich beruhen. Es war ſo ziemlich derſelbe, den wir
in Lupinus Geſpräch mit ſeiner Schwägerin gekoſtet.
Nur blieb der tolle Sohn des Geheimraths aus dem
Spiele. Der Zuhörer, welcher beſonders am Schluß
aufmerkſam den Kopf wiegte, ſchien einigermaßen befrie¬
digt, denn er ſagte, als der Andere zu Ende war: „Kön¬
nen Sie nun mit gutem Gewiſſen behaupten, daß Sie
nichts hinzugethan, noch davon genommen haben; ich
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/117>, abgerufen am 26.11.2024.
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