Laube. Eine schwarze Wolke fuhr gerade über den Horizont. Es war sehr heiß, der helle Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Indem er ihn abtrocknete, verweilte er an den Augen. Er mußte auch da etwas zu trocknen haben.
"Du helle Sonne, die Du auf ihn scheinst, den Einzigen, Herr Gott, wenn Du untergesunken wärst mit dem Licht seiner Augen, und es wäre wirklich Nacht geworden --"
Er sprachs mit feierlicher, aber zitternder Stimme; es war nicht was er sprechen wollte. Darum hielt er wohl inne, das Glas in seiner Hand zitterte. Der Kriegsrath sah ihn ängstlich an, die Kriegsräthin nach der Flasche, ob er zu viel getrunken.
Da schmetterte heiter und lustig das Reiterlied aus dem Kruge. Er fuhr fort:
"Nein -- nein -- es wird wieder Tag werden. Das alles kann nicht untergegangen sein -- es kann nicht, es kann nicht. Es schläft nur eine Weile. Und wir werden aufwachen, und andre Augen werden strahlen. Unser junger, lieber, bürgerfreundlicher König, meine Freunde, daß die Sonne Preußens vor ihm aufgehe, daß sein Auge hell aufgehe, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, daß sein Sinn sich kräftige und stählern werde gegen die Rathschläge der Weichherzigen, der Schmeichler und Bösen, unser guter junger König soll leben hoch in aller Preußen Herzen!"
Man stieß an, und die Gläser klangen auch ziem¬
Laube. Eine ſchwarze Wolke fuhr gerade über den Horizont. Es war ſehr heiß, der helle Schweiß perlte ihm auf der Stirn. Indem er ihn abtrocknete, verweilte er an den Augen. Er mußte auch da etwas zu trocknen haben.
„Du helle Sonne, die Du auf ihn ſcheinſt, den Einzigen, Herr Gott, wenn Du untergeſunken wärſt mit dem Licht ſeiner Augen, und es wäre wirklich Nacht geworden —“
Er ſprachs mit feierlicher, aber zitternder Stimme; es war nicht was er ſprechen wollte. Darum hielt er wohl inne, das Glas in ſeiner Hand zitterte. Der Kriegsrath ſah ihn ängſtlich an, die Kriegsräthin nach der Flaſche, ob er zu viel getrunken.
Da ſchmetterte heiter und luſtig das Reiterlied aus dem Kruge. Er fuhr fort:
„Nein — nein — es wird wieder Tag werden. Das alles kann nicht untergegangen ſein — es kann nicht, es kann nicht. Es ſchläft nur eine Weile. Und wir werden aufwachen, und andre Augen werden ſtrahlen. Unſer junger, lieber, bürgerfreundlicher König, meine Freunde, daß die Sonne Preußens vor ihm aufgehe, daß ſein Auge hell aufgehe, das Gute vom Böſen zu unterſcheiden, daß ſein Sinn ſich kräftige und ſtählern werde gegen die Rathſchläge der Weichherzigen, der Schmeichler und Böſen, unſer guter junger König ſoll leben hoch in aller Preußen Herzen!“
Man ſtieß an, und die Gläſer klangen auch ziem¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0160"n="146"/>
Laube. Eine ſchwarze Wolke fuhr gerade über den<lb/>
Horizont. Es war ſehr heiß, der helle Schweiß<lb/>
perlte ihm auf der Stirn. Indem er ihn abtrocknete,<lb/>
verweilte er an den Augen. Er mußte auch da etwas<lb/>
zu trocknen haben.</p><lb/><p>„Du helle Sonne, die Du auf ihn ſcheinſt, den<lb/>
Einzigen, Herr Gott, wenn Du untergeſunken wärſt<lb/>
mit dem Licht ſeiner Augen, und es wäre wirklich<lb/>
Nacht geworden —“</p><lb/><p>Er ſprachs mit feierlicher, aber zitternder Stimme;<lb/>
es war nicht was er ſprechen wollte. Darum hielt<lb/>
er wohl inne, das Glas in ſeiner Hand zitterte. Der<lb/>
Kriegsrath ſah ihn ängſtlich an, die Kriegsräthin<lb/>
nach der Flaſche, ob er zu viel getrunken.</p><lb/><p>Da ſchmetterte heiter und luſtig das Reiterlied<lb/>
aus dem Kruge. Er fuhr fort:</p><lb/><p>„Nein — nein — es wird wieder Tag werden.<lb/>
Das alles kann nicht untergegangen ſein — es <hirendition="#g">kann</hi><lb/>
nicht, es <hirendition="#g">kann</hi> nicht. Es ſchläft nur eine Weile.<lb/>
Und wir werden aufwachen, und andre Augen werden<lb/>ſtrahlen. Unſer junger, lieber, bürgerfreundlicher<lb/>
König, meine Freunde, daß die Sonne Preußens<lb/>
vor ihm aufgehe, daß ſein Auge hell aufgehe, das<lb/>
Gute vom Böſen zu unterſcheiden, daß ſein Sinn<lb/>ſich kräftige und ſtählern werde gegen die Rathſchläge<lb/>
der Weichherzigen, der Schmeichler und Böſen, unſer<lb/>
guter junger König ſoll leben hoch in aller Preußen<lb/>
Herzen!“</p><lb/><p>Man ſtieß an, und die Gläſer klangen auch ziem¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[146/0160]
Laube. Eine ſchwarze Wolke fuhr gerade über den
Horizont. Es war ſehr heiß, der helle Schweiß
perlte ihm auf der Stirn. Indem er ihn abtrocknete,
verweilte er an den Augen. Er mußte auch da etwas
zu trocknen haben.
„Du helle Sonne, die Du auf ihn ſcheinſt, den
Einzigen, Herr Gott, wenn Du untergeſunken wärſt
mit dem Licht ſeiner Augen, und es wäre wirklich
Nacht geworden —“
Er ſprachs mit feierlicher, aber zitternder Stimme;
es war nicht was er ſprechen wollte. Darum hielt
er wohl inne, das Glas in ſeiner Hand zitterte. Der
Kriegsrath ſah ihn ängſtlich an, die Kriegsräthin
nach der Flaſche, ob er zu viel getrunken.
Da ſchmetterte heiter und luſtig das Reiterlied
aus dem Kruge. Er fuhr fort:
„Nein — nein — es wird wieder Tag werden.
Das alles kann nicht untergegangen ſein — es kann
nicht, es kann nicht. Es ſchläft nur eine Weile.
Und wir werden aufwachen, und andre Augen werden
ſtrahlen. Unſer junger, lieber, bürgerfreundlicher
König, meine Freunde, daß die Sonne Preußens
vor ihm aufgehe, daß ſein Auge hell aufgehe, das
Gute vom Böſen zu unterſcheiden, daß ſein Sinn
ſich kräftige und ſtählern werde gegen die Rathſchläge
der Weichherzigen, der Schmeichler und Böſen, unſer
guter junger König ſoll leben hoch in aller Preußen
Herzen!“
Man ſtieß an, und die Gläſer klangen auch ziem¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/160>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.