Wasser unergründlich, danach hatte er nicht gefragt, es auch wohl nicht untersucht; er war ein guter Schwimmer, der sich im Wasser nach Lust getummelt. Er ruhte jetzt von der Anstrengung und um die Kühle abzuwarten, vielleicht auch um sich mit der Einsamkeit zu unterhalten. Nach der Wasserseite zu verbarg ihn ein großer Hagebuttenstrauch. Die Hände unter'm Kopfe sah er dem Zuge der Wolken nach, der Flucht der Vögel. Vielleicht horchte er auch auf die Lieder, welche die rauschenden Aehren ihm sangen.
Ein Geräusch, was sich näherte, störte ihn auf. Den Fahr- oder Reitweg, der in einer Krümmung eine Seite des Tümpelrandes berührte, hatte er beim Herkommen durch die Felder nicht bemerkt. Ein schaumbedecktes Pferd schoß aus dem Aehrenfelde. Noch zwei Sätze, und es konnte sich auf dem ab¬ schüssigen Rande nicht mehr halten und stürzte sich und den Reiter in die Tiefe. Dieser sah die Gefahr nicht, er ließ dem Roß die Zügel; der Instinct des Thieres bewahrte beide. Im Augenblick, wo es galt, bäumte es und warf den Reiter ab. -- Oder er gleitete aus Sattel und Bügel, die er längst ver¬ loren, denn er strauchelte nur etwas und stand gleich wieder auf seinen Füßen. Vielleicht aus einem Traum erwachend, denn ohne sich um das Pferd zu kümmern, das seinen eignen Weg suchte, stand er und hielt sich mit den Händen das Gesicht.
Entweder ein Rasender oder ein Betrunkener, hatte der Liegende geschlossen, denn durchgegangen
I. 11
Waſſer unergründlich, danach hatte er nicht gefragt, es auch wohl nicht unterſucht; er war ein guter Schwimmer, der ſich im Waſſer nach Luſt getummelt. Er ruhte jetzt von der Anſtrengung und um die Kühle abzuwarten, vielleicht auch um ſich mit der Einſamkeit zu unterhalten. Nach der Waſſerſeite zu verbarg ihn ein großer Hagebuttenſtrauch. Die Hände unter'm Kopfe ſah er dem Zuge der Wolken nach, der Flucht der Vögel. Vielleicht horchte er auch auf die Lieder, welche die rauſchenden Aehren ihm ſangen.
Ein Geräuſch, was ſich näherte, ſtörte ihn auf. Den Fahr- oder Reitweg, der in einer Krümmung eine Seite des Tümpelrandes berührte, hatte er beim Herkommen durch die Felder nicht bemerkt. Ein ſchaumbedecktes Pferd ſchoß aus dem Aehrenfelde. Noch zwei Sätze, und es konnte ſich auf dem ab¬ ſchüſſigen Rande nicht mehr halten und ſtürzte ſich und den Reiter in die Tiefe. Dieſer ſah die Gefahr nicht, er ließ dem Roß die Zügel; der Inſtinct des Thieres bewahrte beide. Im Augenblick, wo es galt, bäumte es und warf den Reiter ab. — Oder er gleitete aus Sattel und Bügel, die er längſt ver¬ loren, denn er ſtrauchelte nur etwas und ſtand gleich wieder auf ſeinen Füßen. Vielleicht aus einem Traum erwachend, denn ohne ſich um das Pferd zu kümmern, das ſeinen eignen Weg ſuchte, ſtand er und hielt ſich mit den Händen das Geſicht.
Entweder ein Raſender oder ein Betrunkener, hatte der Liegende geſchloſſen, denn durchgegangen
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Waſſer unergründlich, danach hatte er nicht gefragt,
es auch wohl nicht unterſucht; er war ein guter
Schwimmer, der ſich im Waſſer nach Luſt getummelt.
Er ruhte jetzt von der Anſtrengung und um die
Kühle abzuwarten, vielleicht auch um ſich mit der
Einſamkeit zu unterhalten. Nach der Waſſerſeite zu
verbarg ihn ein großer Hagebuttenſtrauch. Die Hände
unter'm Kopfe ſah er dem Zuge der Wolken nach,
der Flucht der Vögel. Vielleicht horchte er auch auf die
Lieder, welche die rauſchenden Aehren ihm ſangen.
Ein Geräuſch, was ſich näherte, ſtörte ihn auf.
Den Fahr- oder Reitweg, der in einer Krümmung
eine Seite des Tümpelrandes berührte, hatte er beim
Herkommen durch die Felder nicht bemerkt. Ein
ſchaumbedecktes Pferd ſchoß aus dem Aehrenfelde.
Noch zwei Sätze, und es konnte ſich auf dem ab¬
ſchüſſigen Rande nicht mehr halten und ſtürzte ſich
und den Reiter in die Tiefe. Dieſer ſah die Gefahr
nicht, er ließ dem Roß die Zügel; der Inſtinct des
Thieres bewahrte beide. Im Augenblick, wo es galt,
bäumte es und warf den Reiter ab. — Oder er
gleitete aus Sattel und Bügel, die er längſt ver¬
loren, denn er ſtrauchelte nur etwas und ſtand gleich
wieder auf ſeinen Füßen. Vielleicht aus einem
Traum erwachend, denn ohne ſich um das Pferd zu
kümmern, das ſeinen eignen Weg ſuchte, ſtand er
und hielt ſich mit den Händen das Geſicht.
Entweder ein Raſender oder ein Betrunkener,
hatte der Liegende geſchloſſen, denn durchgegangen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/175>, abgerufen am 24.11.2024.
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