Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Aus dem Kruge schallte Tanzmusik. Reiter gal¬
loppirten auf dem Fahrwege heran, es waren Gens¬
d'armerieofficiere. Sie hielten plötzlich an, und lorg¬
nirten die Gesellschaft. Mit einem häßlichen Gelächter
gab der eine ein Zeichen. Die Frauen schrien, sie
glaubten, die Reiter wollten den Tisch umreiten; sie
ritten nur um den Tisch, einer hinter dem andern
im Kreise, oft so nahe, daß die Pferde die Stuhl¬
lehnen berührten. Die Kriegsräthin ward blaß vor
Schreck, der Kriegsrath vor Unwillen, die jungen
Mädchen senkten die Köpfe, die Kinder waren ängst¬
lich vor den Pferden. Die Obristin faßte den Arm
des Kriegsraths unter dem Tisch, und flüsterte ihm
zu: "es sind junge Leute." Die jungen Leute aber
beugten sich seltsam im Sattel, sie warfen Kußhände
zu mit den Fingern, mit beiden Händen, sie miauten,
schnalzten, krähten. Endlich waren sie wie der Sturm¬
wind verschwunden, nachdem sie ein: "Auf Wiedersehn,
allerliebste Engelchen!" der Gesellschaft zugerufen.

Der Schemel hinter ihm fiel auf die Erde, als
der Kriegsrath aufsprang und der Aufbruch war
damit gemacht. "Gerechter Gott! rief er, den Stock
auf die Erde stampfend, wann wird das endlich mal
ein Ende nehmen! Giebts denn keinen Fleck auf der
Erde, wo man seine Töchter ruhig hinführen kann!
Giebts denn Niemand, der dem Könige das sagt,
denn er ist gütig und gerecht."

Die Frau Kriegsräthin wehrte still die Obristin
ab, die beruhigende Worte auf der Lippe hatte, von

Aus dem Kruge ſchallte Tanzmuſik. Reiter gal¬
loppirten auf dem Fahrwege heran, es waren Gens¬
d'armerieofficiere. Sie hielten plötzlich an, und lorg¬
nirten die Geſellſchaft. Mit einem häßlichen Gelächter
gab der eine ein Zeichen. Die Frauen ſchrien, ſie
glaubten, die Reiter wollten den Tiſch umreiten; ſie
ritten nur um den Tiſch, einer hinter dem andern
im Kreiſe, oft ſo nahe, daß die Pferde die Stuhl¬
lehnen berührten. Die Kriegsräthin ward blaß vor
Schreck, der Kriegsrath vor Unwillen, die jungen
Mädchen ſenkten die Köpfe, die Kinder waren ängſt¬
lich vor den Pferden. Die Obriſtin faßte den Arm
des Kriegsraths unter dem Tiſch, und flüſterte ihm
zu: „es ſind junge Leute.“ Die jungen Leute aber
beugten ſich ſeltſam im Sattel, ſie warfen Kußhände
zu mit den Fingern, mit beiden Händen, ſie miauten,
ſchnalzten, krähten. Endlich waren ſie wie der Sturm¬
wind verſchwunden, nachdem ſie ein: „Auf Wiederſehn,
allerliebſte Engelchen!“ der Geſellſchaft zugerufen.

Der Schemel hinter ihm fiel auf die Erde, als
der Kriegsrath aufſprang und der Aufbruch war
damit gemacht. „Gerechter Gott! rief er, den Stock
auf die Erde ſtampfend, wann wird das endlich mal
ein Ende nehmen! Giebts denn keinen Fleck auf der
Erde, wo man ſeine Töchter ruhig hinführen kann!
Giebts denn Niemand, der dem Könige das ſagt,
denn er iſt gütig und gerecht.“

Die Frau Kriegsräthin wehrte ſtill die Obriſtin
ab, die beruhigende Worte auf der Lippe hatte, von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0205" n="191"/>
        <p>Aus dem Kruge &#x017F;challte Tanzmu&#x017F;ik. Reiter gal¬<lb/>
loppirten auf dem Fahrwege heran, es waren Gens¬<lb/>
d'armerieofficiere. Sie hielten plötzlich an, und lorg¬<lb/>
nirten die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Mit einem häßlichen Gelächter<lb/>
gab der eine ein Zeichen. Die Frauen &#x017F;chrien, &#x017F;ie<lb/>
glaubten, die Reiter wollten den Ti&#x017F;ch umreiten; &#x017F;ie<lb/>
ritten nur um den Ti&#x017F;ch, einer hinter dem andern<lb/>
im Krei&#x017F;e, oft &#x017F;o nahe, daß die Pferde die Stuhl¬<lb/>
lehnen berührten. Die Kriegsräthin ward blaß vor<lb/>
Schreck, der Kriegsrath vor Unwillen, die jungen<lb/>
Mädchen &#x017F;enkten die Köpfe, die Kinder waren äng&#x017F;<lb/>
lich vor den Pferden. Die Obri&#x017F;tin faßte den Arm<lb/>
des Kriegsraths unter dem Ti&#x017F;ch, und flü&#x017F;terte ihm<lb/>
zu: &#x201E;es &#x017F;ind junge Leute.&#x201C; Die jungen Leute aber<lb/>
beugten &#x017F;ich &#x017F;elt&#x017F;am im Sattel, &#x017F;ie warfen Kußhände<lb/>
zu mit den Fingern, mit beiden Händen, &#x017F;ie miauten,<lb/>
&#x017F;chnalzten, krähten. Endlich waren &#x017F;ie wie der Sturm¬<lb/>
wind ver&#x017F;chwunden, nachdem &#x017F;ie ein: &#x201E;Auf Wieder&#x017F;ehn,<lb/>
allerlieb&#x017F;te Engelchen!&#x201C; der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zugerufen.</p><lb/>
        <p>Der Schemel hinter ihm fiel auf die Erde, als<lb/>
der Kriegsrath auf&#x017F;prang und der Aufbruch war<lb/>
damit gemacht. &#x201E;Gerechter Gott! rief er, den Stock<lb/>
auf die Erde &#x017F;tampfend, wann wird das endlich mal<lb/>
ein Ende nehmen! Giebts denn keinen Fleck auf der<lb/>
Erde, wo man &#x017F;eine Töchter ruhig hinführen kann!<lb/>
Giebts denn Niemand, der dem Könige das &#x017F;agt,<lb/>
denn er i&#x017F;t gütig und gerecht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Frau Kriegsräthin wehrte &#x017F;till die Obri&#x017F;tin<lb/>
ab, die beruhigende Worte auf der Lippe hatte, von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0205] Aus dem Kruge ſchallte Tanzmuſik. Reiter gal¬ loppirten auf dem Fahrwege heran, es waren Gens¬ d'armerieofficiere. Sie hielten plötzlich an, und lorg¬ nirten die Geſellſchaft. Mit einem häßlichen Gelächter gab der eine ein Zeichen. Die Frauen ſchrien, ſie glaubten, die Reiter wollten den Tiſch umreiten; ſie ritten nur um den Tiſch, einer hinter dem andern im Kreiſe, oft ſo nahe, daß die Pferde die Stuhl¬ lehnen berührten. Die Kriegsräthin ward blaß vor Schreck, der Kriegsrath vor Unwillen, die jungen Mädchen ſenkten die Köpfe, die Kinder waren ängſt¬ lich vor den Pferden. Die Obriſtin faßte den Arm des Kriegsraths unter dem Tiſch, und flüſterte ihm zu: „es ſind junge Leute.“ Die jungen Leute aber beugten ſich ſeltſam im Sattel, ſie warfen Kußhände zu mit den Fingern, mit beiden Händen, ſie miauten, ſchnalzten, krähten. Endlich waren ſie wie der Sturm¬ wind verſchwunden, nachdem ſie ein: „Auf Wiederſehn, allerliebſte Engelchen!“ der Geſellſchaft zugerufen. Der Schemel hinter ihm fiel auf die Erde, als der Kriegsrath aufſprang und der Aufbruch war damit gemacht. „Gerechter Gott! rief er, den Stock auf die Erde ſtampfend, wann wird das endlich mal ein Ende nehmen! Giebts denn keinen Fleck auf der Erde, wo man ſeine Töchter ruhig hinführen kann! Giebts denn Niemand, der dem Könige das ſagt, denn er iſt gütig und gerecht.“ Die Frau Kriegsräthin wehrte ſtill die Obriſtin ab, die beruhigende Worte auf der Lippe hatte, von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/205
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/205>, abgerufen am 23.11.2024.