Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

das Gute komme doch wohl nicht alles vom Lehrer,
sondern das Beste von den Eltern. Ich war wie
übergossen, als er Deinen Namen nannte, Väterchen,
und in meiner Verlegenheit fragte ich ihn, ob er
Dich denn kennte? Ich selbst habe nicht die Ehre,
antwortete er, aber der Name ihres Herrn Vaters ist
bei Hofe wohl bekannt und sehr gut angeschrieben."

Sie sprang auf, und fiel dem Vater um den
Hals: "Väterchen, man kennt Dich bei Hofe!"

Die Mutter wischte eine Thräne aus dem Auge.
Der Vater meinte, man müsse auch nicht alles glau¬
ben, was die Leute uns in's Gesicht sagen.

Nachher hatte sich der Kammerherr empfohlen,
so höflich und fast respectvoll, daß sie sich wieder ge¬
schämt, denn gegen die Nichten war er gar nicht so
fein. Er hoffe sie ein andermal wieder zu sehen,
und die Obristin hatte gesagt, das solle nächstens
geschehen, auf eine Tasse Chocolate, wenn ihre Woh¬
nung erst ganz in Ordnung sei, und darauf war sie
mit dem Kammerherrn fortgefahren, in die Oper.
Ein Bediente sollte Adelheid nach Hause bringen,
aber die Nichten hätten es sich nicht nehmen lassen,
sie selbst zu begleiten. Der Rückweg sei nun nicht
so angenehm gewesen, denn sie wären oft angesprochen
worden von unverschämten jungen Männern. Aber
die Nichten hätten sie schön zurecht gewiesen: "Schä¬
men Sie sich nicht, anständige Damen zu attaquiren!"
Da hätten die Herren gelacht, aber die Nichten hätten
sie um Gottes Willen gebeten, es der Tante nicht

das Gute komme doch wohl nicht alles vom Lehrer,
ſondern das Beſte von den Eltern. Ich war wie
übergoſſen, als er Deinen Namen nannte, Väterchen,
und in meiner Verlegenheit fragte ich ihn, ob er
Dich denn kennte? Ich ſelbſt habe nicht die Ehre,
antwortete er, aber der Name ihres Herrn Vaters iſt
bei Hofe wohl bekannt und ſehr gut angeſchrieben.“

Sie ſprang auf, und fiel dem Vater um den
Hals: „Väterchen, man kennt Dich bei Hofe!“

Die Mutter wiſchte eine Thräne aus dem Auge.
Der Vater meinte, man müſſe auch nicht alles glau¬
ben, was die Leute uns in's Geſicht ſagen.

Nachher hatte ſich der Kammerherr empfohlen,
ſo höflich und faſt reſpectvoll, daß ſie ſich wieder ge¬
ſchämt, denn gegen die Nichten war er gar nicht ſo
fein. Er hoffe ſie ein andermal wieder zu ſehen,
und die Obriſtin hatte geſagt, das ſolle nächſtens
geſchehen, auf eine Taſſe Chocolate, wenn ihre Woh¬
nung erſt ganz in Ordnung ſei, und darauf war ſie
mit dem Kammerherrn fortgefahren, in die Oper.
Ein Bediente ſollte Adelheid nach Hauſe bringen,
aber die Nichten hätten es ſich nicht nehmen laſſen,
ſie ſelbſt zu begleiten. Der Rückweg ſei nun nicht
ſo angenehm geweſen, denn ſie wären oft angeſprochen
worden von unverſchämten jungen Männern. Aber
die Nichten hätten ſie ſchön zurecht gewieſen: „Schä¬
men Sie ſich nicht, anſtändige Damen zu attaquiren!“
Da hätten die Herren gelacht, aber die Nichten hätten
ſie um Gottes Willen gebeten, es der Tante nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0227" n="213"/>
das Gute komme doch wohl nicht alles vom Lehrer,<lb/>
&#x017F;ondern das Be&#x017F;te von den Eltern. Ich war wie<lb/>
übergo&#x017F;&#x017F;en, als er Deinen Namen nannte, Väterchen,<lb/>
und in meiner Verlegenheit fragte ich ihn, ob er<lb/>
Dich denn kennte? Ich &#x017F;elb&#x017F;t habe nicht die Ehre,<lb/>
antwortete er, aber der Name ihres Herrn Vaters i&#x017F;t<lb/>
bei Hofe wohl bekannt und &#x017F;ehr gut ange&#x017F;chrieben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;prang auf, und fiel dem Vater um den<lb/>
Hals: &#x201E;Väterchen, man kennt Dich bei Hofe!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Mutter wi&#x017F;chte eine Thräne aus dem Auge.<lb/>
Der Vater meinte, man mü&#x017F;&#x017F;e auch nicht alles glau¬<lb/>
ben, was die Leute uns in's Ge&#x017F;icht &#x017F;agen.</p><lb/>
        <p>Nachher hatte &#x017F;ich der Kammerherr empfohlen,<lb/>
&#x017F;o höflich und fa&#x017F;t re&#x017F;pectvoll, daß &#x017F;ie &#x017F;ich wieder ge¬<lb/>
&#x017F;chämt, denn gegen die Nichten war er gar nicht &#x017F;o<lb/>
fein. Er hoffe &#x017F;ie ein andermal wieder zu &#x017F;ehen,<lb/>
und die Obri&#x017F;tin hatte ge&#x017F;agt, das &#x017F;olle näch&#x017F;tens<lb/>
ge&#x017F;chehen, auf eine Ta&#x017F;&#x017F;e Chocolate, wenn ihre Woh¬<lb/>
nung er&#x017F;t ganz in Ordnung &#x017F;ei, und darauf war &#x017F;ie<lb/>
mit dem Kammerherrn fortgefahren, in die Oper.<lb/>
Ein Bediente &#x017F;ollte Adelheid nach Hau&#x017F;e bringen,<lb/>
aber die Nichten hätten es &#x017F;ich nicht nehmen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t zu begleiten. Der Rückweg &#x017F;ei nun nicht<lb/>
&#x017F;o angenehm gewe&#x017F;en, denn &#x017F;ie wären oft ange&#x017F;prochen<lb/>
worden von unver&#x017F;chämten jungen Männern. Aber<lb/>
die Nichten hätten &#x017F;ie &#x017F;chön zurecht gewie&#x017F;en: &#x201E;Schä¬<lb/>
men Sie &#x017F;ich nicht, an&#x017F;tändige Damen zu attaquiren!&#x201C;<lb/>
Da hätten die Herren gelacht, aber die Nichten hätten<lb/>
&#x017F;ie um Gottes Willen gebeten, es der Tante nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0227] das Gute komme doch wohl nicht alles vom Lehrer, ſondern das Beſte von den Eltern. Ich war wie übergoſſen, als er Deinen Namen nannte, Väterchen, und in meiner Verlegenheit fragte ich ihn, ob er Dich denn kennte? Ich ſelbſt habe nicht die Ehre, antwortete er, aber der Name ihres Herrn Vaters iſt bei Hofe wohl bekannt und ſehr gut angeſchrieben.“ Sie ſprang auf, und fiel dem Vater um den Hals: „Väterchen, man kennt Dich bei Hofe!“ Die Mutter wiſchte eine Thräne aus dem Auge. Der Vater meinte, man müſſe auch nicht alles glau¬ ben, was die Leute uns in's Geſicht ſagen. Nachher hatte ſich der Kammerherr empfohlen, ſo höflich und faſt reſpectvoll, daß ſie ſich wieder ge¬ ſchämt, denn gegen die Nichten war er gar nicht ſo fein. Er hoffe ſie ein andermal wieder zu ſehen, und die Obriſtin hatte geſagt, das ſolle nächſtens geſchehen, auf eine Taſſe Chocolate, wenn ihre Woh¬ nung erſt ganz in Ordnung ſei, und darauf war ſie mit dem Kammerherrn fortgefahren, in die Oper. Ein Bediente ſollte Adelheid nach Hauſe bringen, aber die Nichten hätten es ſich nicht nehmen laſſen, ſie ſelbſt zu begleiten. Der Rückweg ſei nun nicht ſo angenehm geweſen, denn ſie wären oft angeſprochen worden von unverſchämten jungen Männern. Aber die Nichten hätten ſie ſchön zurecht gewieſen: „Schä¬ men Sie ſich nicht, anſtändige Damen zu attaquiren!“ Da hätten die Herren gelacht, aber die Nichten hätten ſie um Gottes Willen gebeten, es der Tante nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/227
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/227>, abgerufen am 23.11.2024.