betreffenden Amtsvergehens. Der Minister ertheilte sein Gutachten dahin, daß nach seinem besten Er¬ messen der Fall mit unnachsichtiger Strenge zu be¬ behandeln sei, und daß jede Schonung zum unver¬ windlichen Schaden des königlichen Dienstes aus¬ schlagen müsse. Er drang selbst im Interesse des Staatsdienstes auf eine strenge Ahndung und augen¬ blickliche Suspension des Angeschuldigten.
Es war nicht in Bovillards Art, alles, was er unterschrieb, durchzulesen. Er las diese Schrift zwei Mal und murmelte: "Sieh da die feine Feder meines jungen Freundes. Nicht zu verkennen. Ei, ei, Herr v. Fuchsius, wollen Sie sich schon so wichtig machen und unentbehrlich! Und auch diese feinen Anspie¬ lungen auf uns! Daran wollen wir uns gelegentlich erinnern."
Der Kanzleidiener hätte noch lange auf die Unter¬ schrift warten müssen, wenn ihm der Geheimrath nicht die Weisung gab, die Sache bedürfe noch einer Re¬ gulirung mit Seiner Excellenz. Die Regulirung schien aber dem Geheimrath selbst einige Sorge zu machen, denn den Kopf im Arm, stierte er lange in die Luft, bis allmälig ein sardonisches Lächeln über die Lippen spielte, und er mit einem ganz eigen¬ thümlichen Blick ausrief: "Wenn es denn doch ein¬ mal sein muß, wollen wir etwas gründlicher an¬ fassen."
Er schrieb sehr schnell. Zwei Seiten waren ge¬ füllt, mit Schmunzeln überlas er das Concept: "hätte
betreffenden Amtsvergehens. Der Miniſter ertheilte ſein Gutachten dahin, daß nach ſeinem beſten Er¬ meſſen der Fall mit unnachſichtiger Strenge zu be¬ behandeln ſei, und daß jede Schonung zum unver¬ windlichen Schaden des königlichen Dienſtes aus¬ ſchlagen müſſe. Er drang ſelbſt im Intereſſe des Staatsdienſtes auf eine ſtrenge Ahndung und augen¬ blickliche Suspenſion des Angeſchuldigten.
Es war nicht in Bovillards Art, alles, was er unterſchrieb, durchzuleſen. Er las dieſe Schrift zwei Mal und murmelte: „Sieh da die feine Feder meines jungen Freundes. Nicht zu verkennen. Ei, ei, Herr v. Fuchſius, wollen Sie ſich ſchon ſo wichtig machen und unentbehrlich! Und auch dieſe feinen Anſpie¬ lungen auf uns! Daran wollen wir uns gelegentlich erinnern.“
Der Kanzleidiener hätte noch lange auf die Unter¬ ſchrift warten müſſen, wenn ihm der Geheimrath nicht die Weiſung gab, die Sache bedürfe noch einer Re¬ gulirung mit Seiner Excellenz. Die Regulirung ſchien aber dem Geheimrath ſelbſt einige Sorge zu machen, denn den Kopf im Arm, ſtierte er lange in die Luft, bis allmälig ein ſardoniſches Lächeln über die Lippen ſpielte, und er mit einem ganz eigen¬ thümlichen Blick ausrief: „Wenn es denn doch ein¬ mal ſein muß, wollen wir etwas gründlicher an¬ faſſen.“
Er ſchrieb ſehr ſchnell. Zwei Seiten waren ge¬ füllt, mit Schmunzeln überlas er das Concept: „hätte
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betreffenden Amtsvergehens. Der Miniſter ertheilte
ſein Gutachten dahin, daß nach ſeinem beſten Er¬
meſſen der Fall mit unnachſichtiger Strenge zu be¬
behandeln ſei, und daß jede Schonung zum unver¬
windlichen Schaden des königlichen Dienſtes aus¬
ſchlagen müſſe. Er drang ſelbſt im Intereſſe des
Staatsdienſtes auf eine ſtrenge Ahndung und augen¬
blickliche Suspenſion des Angeſchuldigten.
Es war nicht in Bovillards Art, alles, was er
unterſchrieb, durchzuleſen. Er las dieſe Schrift zwei
Mal und murmelte: „Sieh da die feine Feder meines
jungen Freundes. Nicht zu verkennen. Ei, ei, Herr
v. Fuchſius, wollen Sie ſich ſchon ſo wichtig machen
und unentbehrlich! Und auch dieſe feinen Anſpie¬
lungen auf uns! Daran wollen wir uns gelegentlich
erinnern.“
Der Kanzleidiener hätte noch lange auf die Unter¬
ſchrift warten müſſen, wenn ihm der Geheimrath nicht
die Weiſung gab, die Sache bedürfe noch einer Re¬
gulirung mit Seiner Excellenz. Die Regulirung
ſchien aber dem Geheimrath ſelbſt einige Sorge zu
machen, denn den Kopf im Arm, ſtierte er lange in
die Luft, bis allmälig ein ſardoniſches Lächeln über
die Lippen ſpielte, und er mit einem ganz eigen¬
thümlichen Blick ausrief: „Wenn es denn doch ein¬
mal ſein muß, wollen wir etwas gründlicher an¬
faſſen.“
Er ſchrieb ſehr ſchnell. Zwei Seiten waren ge¬
füllt, mit Schmunzeln überlas er das Concept: „hätte
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/262>, abgerufen am 24.11.2024.
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