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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Der Minister bemerkte, daß seine Augen von
einem eignen Feuer strahlten. Das konnte allerdings
vom Weine sein, er goß schon die fünfte Flasche an,
als er die Stimme erhob:

"Jeder Humanitätsbürger hat die Pflicht das
Seine zu thun zur Vervollkommnung des Menschen¬
geschlechts, und ist ein Weib, meine Freunde, voll¬
kommen, hat es eine andre Bestimmung als die Liebe!
Seid Ihr denn Canibalen, oder habt Ihr Herzen
von Stein, daß Euch das schöne Weib nicht rührt,
das in ungeheurer Langenweile mit ihrer bete noire
von Mann ihre Rosentage verträumt. Christian, und
Sie, St. Real, waren unsere Vorfahren nicht Ritter,
die ihre Lanze für die gefangene Schönheit einlegten!
Und ist sie nicht gefangen, gleichviel ob von einem
brutalen Ungeheuer, oder einem Alp von Apathie.
Welche Schätze liegen da wüst in dem schönen Tem¬
pel und Ihr wollt zaudern Hand anzulegen! Nein,
Ihr Ritter, Schatzgräber, Maurer, sinnt auf ein
Zauberwort, das ihren Bann löst. Angefaßt, gehäm¬
mert, Funken geschlagen, bis wir das innere Feuer
in der schönen Bildsäule entzündet. Seht doch den
dicken Iffland auf der Scene, wenn er als Pygma¬
lion Leben in seine Galathe schwatzt und klopft. Was,
sollen wir ungeschickter sein? Gluth soll durch ihre
Adern strömen, sterblich soll sie sich verlieben, in¬
teressant werden, rührend, sie soll uns Thränen entlocken!
Kinder könnt Ihr Euch denn ein pikanteres Schauspiel
vorstellen, als die Eitelbach in rasender Leidenschaft!"

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Der Miniſter bemerkte, daß ſeine Augen von
einem eignen Feuer ſtrahlten. Das konnte allerdings
vom Weine ſein, er goß ſchon die fünfte Flaſche an,
als er die Stimme erhob:

„Jeder Humanitätsbürger hat die Pflicht das
Seine zu thun zur Vervollkommnung des Menſchen¬
geſchlechts, und iſt ein Weib, meine Freunde, voll¬
kommen, hat es eine andre Beſtimmung als die Liebe!
Seid Ihr denn Canibalen, oder habt Ihr Herzen
von Stein, daß Euch das ſchöne Weib nicht rührt,
das in ungeheurer Langenweile mit ihrer bête noire
von Mann ihre Roſentage verträumt. Chriſtian, und
Sie, St. Real, waren unſere Vorfahren nicht Ritter,
die ihre Lanze für die gefangene Schönheit einlegten!
Und iſt ſie nicht gefangen, gleichviel ob von einem
brutalen Ungeheuer, oder einem Alp von Apathie.
Welche Schätze liegen da wüſt in dem ſchönen Tem¬
pel und Ihr wollt zaudern Hand anzulegen! Nein,
Ihr Ritter, Schatzgräber, Maurer, ſinnt auf ein
Zauberwort, das ihren Bann löſt. Angefaßt, gehäm¬
mert, Funken geſchlagen, bis wir das innere Feuer
in der ſchönen Bildſäule entzündet. Seht doch den
dicken Iffland auf der Scene, wenn er als Pygma¬
lion Leben in ſeine Galathe ſchwatzt und klopft. Was,
ſollen wir ungeſchickter ſein? Gluth ſoll durch ihre
Adern ſtrömen, ſterblich ſoll ſie ſich verlieben, in¬
tereſſant werden, rührend, ſie ſoll uns Thränen entlocken!
Kinder könnt Ihr Euch denn ein pikanteres Schauſpiel
vorſtellen, als die Eitelbach in raſender Leidenſchaft!“

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[259/0273] Der Miniſter bemerkte, daß ſeine Augen von einem eignen Feuer ſtrahlten. Das konnte allerdings vom Weine ſein, er goß ſchon die fünfte Flaſche an, als er die Stimme erhob: „Jeder Humanitätsbürger hat die Pflicht das Seine zu thun zur Vervollkommnung des Menſchen¬ geſchlechts, und iſt ein Weib, meine Freunde, voll¬ kommen, hat es eine andre Beſtimmung als die Liebe! Seid Ihr denn Canibalen, oder habt Ihr Herzen von Stein, daß Euch das ſchöne Weib nicht rührt, das in ungeheurer Langenweile mit ihrer bête noire von Mann ihre Roſentage verträumt. Chriſtian, und Sie, St. Real, waren unſere Vorfahren nicht Ritter, die ihre Lanze für die gefangene Schönheit einlegten! Und iſt ſie nicht gefangen, gleichviel ob von einem brutalen Ungeheuer, oder einem Alp von Apathie. Welche Schätze liegen da wüſt in dem ſchönen Tem¬ pel und Ihr wollt zaudern Hand anzulegen! Nein, Ihr Ritter, Schatzgräber, Maurer, ſinnt auf ein Zauberwort, das ihren Bann löſt. Angefaßt, gehäm¬ mert, Funken geſchlagen, bis wir das innere Feuer in der ſchönen Bildſäule entzündet. Seht doch den dicken Iffland auf der Scene, wenn er als Pygma¬ lion Leben in ſeine Galathe ſchwatzt und klopft. Was, ſollen wir ungeſchickter ſein? Gluth ſoll durch ihre Adern ſtrömen, ſterblich ſoll ſie ſich verlieben, in¬ tereſſant werden, rührend, ſie ſoll uns Thränen entlocken! Kinder könnt Ihr Euch denn ein pikanteres Schauſpiel vorſtellen, als die Eitelbach in raſender Leidenſchaft!“ 17*

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/273>, abgerufen am 24.11.2024.