Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"'S ist nichts; ein Hund schlug an die Thür," be¬
ruhigte der Wirth.

"Wer würde sich auch unterstehen, wenn wir in
Staatsangelegenheiten beisammen, Excellenz zu stören!
Oder ist's keine Staatsangelegenheit! Womit sollten
wir uns amüsiren, da nun Friede bleibt? Das Leben
muß einen Zweck haben. Auch die besten Kräfte er¬
matten ohne ein Ziel. Mit Hindernissen zu kämpfen ist
unsre Bestimmung. Je schwieriger, um so elastischer
streckt sich unser Geist. Darum, gerade im Staats¬
interesse, wir müssen unsre Kräfte an subtilen Auf¬
gaben üben, um zuverlässig zu sein in der Stunde,
die kommt."

Es klopfte wieder: "Laß die Geister pochen, wir
antworten mit diesem Gläserklang. Auf den Amandus
und die Amanda."

"Bravo, Einer, der da lieben soll und muß!"

"Noch Etwas: wenn etwa in Folge dieses schönen
Seelenbundes ein Weltbürger das Licht dieser Welt
erblicken sollte, so --"

Ein klirrender Schall unterbrach sie. Es pochte
Jemand mit Heftigkeit an's Fenster. "Es brennt!"

Alle waren aufgesprungen. Der Kammerherr
schien am festesten auf seiner Krücke zu stehen. Der
Geheimrath machte eine Bewegung nach seinem Rocke,
die damit endete, daß er auf den Stuhl zurücksank.
Der Minister hatte seinen zurückgeschleudert, und mit
der Hand am Tische, machte er die Geste des Riechens.
Aber die wohlbekannte Stimme seines Privatsecretairs

„'S iſt nichts; ein Hund ſchlug an die Thür,“ be¬
ruhigte der Wirth.

„Wer würde ſich auch unterſtehen, wenn wir in
Staatsangelegenheiten beiſammen, Excellenz zu ſtören!
Oder iſt's keine Staatsangelegenheit! Womit ſollten
wir uns amüſiren, da nun Friede bleibt? Das Leben
muß einen Zweck haben. Auch die beſten Kräfte er¬
matten ohne ein Ziel. Mit Hinderniſſen zu kämpfen iſt
unſre Beſtimmung. Je ſchwieriger, um ſo elaſtiſcher
ſtreckt ſich unſer Geiſt. Darum, gerade im Staats¬
intereſſe, wir müſſen unſre Kräfte an ſubtilen Auf¬
gaben üben, um zuverläſſig zu ſein in der Stunde,
die kommt.“

Es klopfte wieder: „Laß die Geiſter pochen, wir
antworten mit dieſem Gläſerklang. Auf den Amandus
und die Amanda.“

„Bravo, Einer, der da lieben ſoll und muß!“

„Noch Etwas: wenn etwa in Folge dieſes ſchönen
Seelenbundes ein Weltbürger das Licht dieſer Welt
erblicken ſollte, ſo —“

Ein klirrender Schall unterbrach ſie. Es pochte
Jemand mit Heftigkeit an's Fenſter. „Es brennt!“

Alle waren aufgeſprungen. Der Kammerherr
ſchien am feſteſten auf ſeiner Krücke zu ſtehen. Der
Geheimrath machte eine Bewegung nach ſeinem Rocke,
die damit endete, daß er auf den Stuhl zurückſank.
Der Miniſter hatte ſeinen zurückgeſchleudert, und mit
der Hand am Tiſche, machte er die Geſte des Riechens.
Aber die wohlbekannte Stimme ſeines Privatſecretairs

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0278" n="264"/>
&#x201E;'S i&#x017F;t nichts; ein Hund &#x017F;chlug an die Thür,&#x201C; be¬<lb/>
ruhigte der Wirth.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer würde &#x017F;ich auch unter&#x017F;tehen, wenn wir in<lb/>
Staatsangelegenheiten bei&#x017F;ammen, Excellenz zu &#x017F;tören!<lb/>
Oder i&#x017F;t's keine Staatsangelegenheit! Womit &#x017F;ollten<lb/>
wir uns amü&#x017F;iren, da nun Friede bleibt? Das Leben<lb/>
muß einen Zweck haben. Auch die be&#x017F;ten Kräfte er¬<lb/>
matten ohne ein Ziel. Mit Hinderni&#x017F;&#x017F;en zu kämpfen i&#x017F;t<lb/>
un&#x017F;re Be&#x017F;timmung. Je &#x017F;chwieriger, um &#x017F;o ela&#x017F;ti&#x017F;cher<lb/>
&#x017F;treckt &#x017F;ich un&#x017F;er Gei&#x017F;t. Darum, gerade im Staats¬<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;e, wir mü&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;re Kräfte an &#x017F;ubtilen Auf¬<lb/>
gaben üben, um zuverlä&#x017F;&#x017F;ig zu &#x017F;ein in der Stunde,<lb/>
die kommt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es klopfte wieder: &#x201E;Laß die Gei&#x017F;ter pochen, wir<lb/>
antworten mit die&#x017F;em Glä&#x017F;erklang. Auf den Amandus<lb/>
und die Amanda.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bravo, Einer, der da lieben &#x017F;oll und muß!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Noch Etwas: wenn etwa in Folge die&#x017F;es &#x017F;chönen<lb/>
Seelenbundes ein Weltbürger das Licht die&#x017F;er Welt<lb/>
erblicken &#x017F;ollte, &#x017F;o &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ein klirrender Schall unterbrach &#x017F;ie. Es pochte<lb/>
Jemand mit Heftigkeit an's Fen&#x017F;ter. &#x201E;Es brennt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Alle waren aufge&#x017F;prungen. Der Kammerherr<lb/>
&#x017F;chien am fe&#x017F;te&#x017F;ten auf &#x017F;einer Krücke zu &#x017F;tehen. Der<lb/>
Geheimrath machte eine Bewegung nach &#x017F;einem Rocke,<lb/>
die damit endete, daß er auf den Stuhl zurück&#x017F;ank.<lb/>
Der Mini&#x017F;ter hatte &#x017F;einen zurückge&#x017F;chleudert, und mit<lb/>
der Hand am Ti&#x017F;che, machte er die Ge&#x017F;te des Riechens.<lb/>
Aber die wohlbekannte Stimme &#x017F;eines Privat&#x017F;ecretairs<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0278] „'S iſt nichts; ein Hund ſchlug an die Thür,“ be¬ ruhigte der Wirth. „Wer würde ſich auch unterſtehen, wenn wir in Staatsangelegenheiten beiſammen, Excellenz zu ſtören! Oder iſt's keine Staatsangelegenheit! Womit ſollten wir uns amüſiren, da nun Friede bleibt? Das Leben muß einen Zweck haben. Auch die beſten Kräfte er¬ matten ohne ein Ziel. Mit Hinderniſſen zu kämpfen iſt unſre Beſtimmung. Je ſchwieriger, um ſo elaſtiſcher ſtreckt ſich unſer Geiſt. Darum, gerade im Staats¬ intereſſe, wir müſſen unſre Kräfte an ſubtilen Auf¬ gaben üben, um zuverläſſig zu ſein in der Stunde, die kommt.“ Es klopfte wieder: „Laß die Geiſter pochen, wir antworten mit dieſem Gläſerklang. Auf den Amandus und die Amanda.“ „Bravo, Einer, der da lieben ſoll und muß!“ „Noch Etwas: wenn etwa in Folge dieſes ſchönen Seelenbundes ein Weltbürger das Licht dieſer Welt erblicken ſollte, ſo —“ Ein klirrender Schall unterbrach ſie. Es pochte Jemand mit Heftigkeit an's Fenſter. „Es brennt!“ Alle waren aufgeſprungen. Der Kammerherr ſchien am feſteſten auf ſeiner Krücke zu ſtehen. Der Geheimrath machte eine Bewegung nach ſeinem Rocke, die damit endete, daß er auf den Stuhl zurückſank. Der Miniſter hatte ſeinen zurückgeſchleudert, und mit der Hand am Tiſche, machte er die Geſte des Riechens. Aber die wohlbekannte Stimme ſeines Privatſecretairs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/278
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/278>, abgerufen am 24.11.2024.