ausschütten vor Lachen, aber als sie Adelheids Ver¬ legenheit bemerkte, nahm sie rasch die Untertasse in die Hand, und meinte, da müßte sie sich vergriffen haben; denn sie habe noch eine Tasse, wo die Venus ein Umschlagetuch hat.
Adelheid hatte wohl von der Venus gehört, aber in der Mythologie und Geschichte sollte der Unterricht später anfangen, weil Herr van Asten sie zuvor die Erde und ihre Bewohner wie sie ist und sind, habe kennen lernen wollen, ehe er zu den Menschen über¬ ginge, die vormals gelebt, und was sie geglaubt und sich vorgestellt. Dagegen entwickelte die Frau Obristin in dieser Wissenschaft einige Kenntniß und schien sie mit Vergnügen auszukramen. Sie wußte namentlich viel von Najaden und Dryaden, von den Metamor¬ phosen, und sogar von Ovid, der ein charmanter Dichter gewesen, daß Adelheid über ihre Gelehrsam¬ keit erstaunte. Sie hatte auch in ihrer Jugend bei Hofe den kleinen Schauspielen zugesehen, wie man die Götter und Göttinnen anzog und den Engeln Flügel anband.
"Da könnte ich wohl manches von erzählen, was Herr van Asten nicht so wissen wird, denn er war nicht dabei. Liebes Kind, Sie müssen nur denken, die Leute waren damals spaßiger als jetzt, das wird auch Herr van Asten wissen, und Böses war nichts bei. Denn die wurden blos so Heidengötter genannt, wir kannten uns ja Alle, alles gute Christen, und alles Tricots, pfui, wenn einer denken könnte, daß
ausſchütten vor Lachen, aber als ſie Adelheids Ver¬ legenheit bemerkte, nahm ſie raſch die Untertaſſe in die Hand, und meinte, da müßte ſie ſich vergriffen haben; denn ſie habe noch eine Taſſe, wo die Venus ein Umſchlagetuch hat.
Adelheid hatte wohl von der Venus gehört, aber in der Mythologie und Geſchichte ſollte der Unterricht ſpäter anfangen, weil Herr van Aſten ſie zuvor die Erde und ihre Bewohner wie ſie iſt und ſind, habe kennen lernen wollen, ehe er zu den Menſchen über¬ ginge, die vormals gelebt, und was ſie geglaubt und ſich vorgeſtellt. Dagegen entwickelte die Frau Obriſtin in dieſer Wiſſenſchaft einige Kenntniß und ſchien ſie mit Vergnügen auszukramen. Sie wußte namentlich viel von Najaden und Dryaden, von den Metamor¬ phoſen, und ſogar von Ovid, der ein charmanter Dichter geweſen, daß Adelheid über ihre Gelehrſam¬ keit erſtaunte. Sie hatte auch in ihrer Jugend bei Hofe den kleinen Schauſpielen zugeſehen, wie man die Götter und Göttinnen anzog und den Engeln Flügel anband.
„Da könnte ich wohl manches von erzählen, was Herr van Aſten nicht ſo wiſſen wird, denn er war nicht dabei. Liebes Kind, Sie müſſen nur denken, die Leute waren damals ſpaßiger als jetzt, das wird auch Herr van Aſten wiſſen, und Böſes war nichts bei. Denn die wurden blos ſo Heidengötter genannt, wir kannten uns ja Alle, alles gute Chriſten, und alles Tricots, pfui, wenn einer denken könnte, daß
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ausſchütten vor Lachen, aber als ſie Adelheids Ver¬
legenheit bemerkte, nahm ſie raſch die Untertaſſe in
die Hand, und meinte, da müßte ſie ſich vergriffen
haben; denn ſie habe noch eine Taſſe, wo die Venus
ein Umſchlagetuch hat.
Adelheid hatte wohl von der Venus gehört, aber
in der Mythologie und Geſchichte ſollte der Unterricht
ſpäter anfangen, weil Herr van Aſten ſie zuvor die
Erde und ihre Bewohner wie ſie iſt und ſind, habe
kennen lernen wollen, ehe er zu den Menſchen über¬
ginge, die vormals gelebt, und was ſie geglaubt und
ſich vorgeſtellt. Dagegen entwickelte die Frau Obriſtin
in dieſer Wiſſenſchaft einige Kenntniß und ſchien ſie
mit Vergnügen auszukramen. Sie wußte namentlich
viel von Najaden und Dryaden, von den Metamor¬
phoſen, und ſogar von Ovid, der ein charmanter
Dichter geweſen, daß Adelheid über ihre Gelehrſam¬
keit erſtaunte. Sie hatte auch in ihrer Jugend
bei Hofe den kleinen Schauſpielen zugeſehen, wie
man die Götter und Göttinnen anzog und den Engeln
Flügel anband.
„Da könnte ich wohl manches von erzählen, was
Herr van Aſten nicht ſo wiſſen wird, denn er war
nicht dabei. Liebes Kind, Sie müſſen nur denken,
die Leute waren damals ſpaßiger als jetzt, das wird
auch Herr van Aſten wiſſen, und Böſes war nichts
bei. Denn die wurden blos ſo Heidengötter genannt,
wir kannten uns ja Alle, alles gute Chriſten, und
alles Tricots, pfui, wenn einer denken könnte, daß
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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