Reiterregiment ritt vorüber, aber es schien, als ob sie Halt machten, und man hörte Gelächter und Rufen.
Die Obristin hatte das viel besprochne Tuch vom Malayenlande aus der Kommode geholt, als sie im Vorübergehen einen Blick aus dem Fenster warf: "Was das nun wieder ist! Sind doch die Herren Gensd'armen nur da, um Unfug mit ehrlichen Leu¬ ten anzufangen!" Sie breitete das Tuch aus, und es glänzte in so köstlichem duftenden Roth, daß Adelheid selbst ein unwillkürliches Ach! ausrief.
Man hing es ihr um, man zog sie vor den Spiegel. Zuerst als wallenden Talar. Die Obristin schien darin wirklich geschickt: "Du meine Güte, wie eine Opferpriesterin!" -- "Wie eine Königin!"
Der Lärm draußen wurde lauter; kein Aufruhr, aber ein wüstes Gelächter. Man rief Spottnamen hinauf; es schien, als ob von oben geantwortet würde. Darauf ein noch ausgelasseneres Gelächter, und ein¬ zelnes gellendes Pfeifen. Die Tante beschwor die Nichten sich vom Fenster fern zu halten. Sie nahm das Tuch wieder ab, um es anders zu drappiren, als man jemand die obere Treppe hastig herabkom¬ men hörte, und die Thür aufklinkte. Die Obristin schien ein anderes Gesicht zu erwarten, als das etwas ängstliche, welches zur halb aufgestoßenen Thür her¬ einsah. Die Päffchen über der schwarzen Weste ver¬ riethen einen Geistlichen. Der geblümte Schlafrock und die lange Pfeife, welche die halbzugehaltene
Reiterregiment ritt vorüber, aber es ſchien, als ob ſie Halt machten, und man hörte Gelächter und Rufen.
Die Obriſtin hatte das viel beſprochne Tuch vom Malayenlande aus der Kommode geholt, als ſie im Vorübergehen einen Blick aus dem Fenſter warf: „Was das nun wieder iſt! Sind doch die Herren Gensd'armen nur da, um Unfug mit ehrlichen Leu¬ ten anzufangen!“ Sie breitete das Tuch aus, und es glänzte in ſo köſtlichem duftenden Roth, daß Adelheid ſelbſt ein unwillkürliches Ach! ausrief.
Man hing es ihr um, man zog ſie vor den Spiegel. Zuerſt als wallenden Talar. Die Obriſtin ſchien darin wirklich geſchickt: „Du meine Güte, wie eine Opferprieſterin!“ — „Wie eine Königin!“
Der Lärm draußen wurde lauter; kein Aufruhr, aber ein wüſtes Gelächter. Man rief Spottnamen hinauf; es ſchien, als ob von oben geantwortet würde. Darauf ein noch ausgelaſſeneres Gelächter, und ein¬ zelnes gellendes Pfeifen. Die Tante beſchwor die Nichten ſich vom Fenſter fern zu halten. Sie nahm das Tuch wieder ab, um es anders zu drappiren, als man jemand die obere Treppe haſtig herabkom¬ men hörte, und die Thür aufklinkte. Die Obriſtin ſchien ein anderes Geſicht zu erwarten, als das etwas ängſtliche, welches zur halb aufgeſtoßenen Thür her¬ einſah. Die Päffchen über der ſchwarzen Weſte ver¬ riethen einen Geiſtlichen. Der geblümte Schlafrock und die lange Pfeife, welche die halbzugehaltene
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Reiterregiment ritt vorüber, aber es ſchien, als ob
ſie Halt machten, und man hörte Gelächter und
Rufen.
Die Obriſtin hatte das viel beſprochne Tuch
vom Malayenlande aus der Kommode geholt, als ſie
im Vorübergehen einen Blick aus dem Fenſter warf:
„Was das nun wieder iſt! Sind doch die Herren
Gensd'armen nur da, um Unfug mit ehrlichen Leu¬
ten anzufangen!“ Sie breitete das Tuch aus, und
es glänzte in ſo köſtlichem duftenden Roth, daß
Adelheid ſelbſt ein unwillkürliches Ach! ausrief.
Man hing es ihr um, man zog ſie vor den
Spiegel. Zuerſt als wallenden Talar. Die Obriſtin
ſchien darin wirklich geſchickt: „Du meine Güte,
wie eine Opferprieſterin!“ — „Wie eine Königin!“
Der Lärm draußen wurde lauter; kein Aufruhr,
aber ein wüſtes Gelächter. Man rief Spottnamen
hinauf; es ſchien, als ob von oben geantwortet würde.
Darauf ein noch ausgelaſſeneres Gelächter, und ein¬
zelnes gellendes Pfeifen. Die Tante beſchwor die
Nichten ſich vom Fenſter fern zu halten. Sie nahm
das Tuch wieder ab, um es anders zu drappiren,
als man jemand die obere Treppe haſtig herabkom¬
men hörte, und die Thür aufklinkte. Die Obriſtin
ſchien ein anderes Geſicht zu erwarten, als das etwas
ängſtliche, welches zur halb aufgeſtoßenen Thür her¬
einſah. Die Päffchen über der ſchwarzen Weſte ver¬
riethen einen Geiſtlichen. Der geblümte Schlafrock
und die lange Pfeife, welche die halbzugehaltene
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/308>, abgerufen am 24.11.2024.
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