oder angeblichen Stande der Bewohnerin, und den unverdächtigen Attesten, welche dieselbe von aus¬ wärtigen Obrigkeiten mitgebracht, Staaten, mit denen unsere Regierung in Frieden lebt, war es indeß unzulässig, auf bloßen Verdacht hin ein¬ zuschreiten. Wer dies doch für gerechtfertigt hielte, theilt nicht unsre Ansicht von dem, was einer wohl¬ geordneten Staatsbehörde obliegt. Diesem Umstande ist's zuzuschreiben, daß es der gedachten Frau gelang, unbefangene Gemüther zu täuschen, wir wissen kaum, was wir mehr bedauern sollen, daß es ihr gelang, einen durch seinen strengen religiösen Sinn und seine Kanzelberedsamkeit gleich ausgezeichneten Geistlichen mit seiner Familie in ihrem Hause, unter dem Schilde der Gastfreundschaft aufzunehmen, oder daß sie die sittsame Tochter höchst verehrter Eltern, und eines unserer treusten und bewährtesten Staats¬ beamten in ihr Haus zu verlocken wußte. Der trau¬ rige, oder wenn wir wollen, glückliche Vorfall, der sich hierauf ereignete, ist bekannt. Uebrigens hätte es dieses Vorfalls nicht bedurft; denn, wie die Er¬ scheinung des Commissars im selben Augenblick, jeden überzeugen sollte, der Augen dafür hat, hatte die Polizei schon die Beweise in der Stille gesammelt, die jetzt ihr Einschreiten rechtfertigten. Die Anwesen¬ heit einer oder mehrerer angesehener Personen in dem Hause giebt zwar für diejenigen, welche am Argen Wohlgefallen haben, willkommene Nahrung. Wir lassen ihnen dieses Vergnügen, theilen aber mit jedem
oder angeblichen Stande der Bewohnerin, und den unverdächtigen Atteſten, welche dieſelbe von aus¬ wärtigen Obrigkeiten mitgebracht, Staaten, mit denen unſere Regierung in Frieden lebt, war es indeß unzuläſſig, auf bloßen Verdacht hin ein¬ zuſchreiten. Wer dies doch für gerechtfertigt hielte, theilt nicht unſre Anſicht von dem, was einer wohl¬ geordneten Staatsbehörde obliegt. Dieſem Umſtande iſt's zuzuſchreiben, daß es der gedachten Frau gelang, unbefangene Gemüther zu täuſchen, wir wiſſen kaum, was wir mehr bedauern ſollen, daß es ihr gelang, einen durch ſeinen ſtrengen religiöſen Sinn und ſeine Kanzelberedſamkeit gleich ausgezeichneten Geiſtlichen mit ſeiner Familie in ihrem Hauſe, unter dem Schilde der Gaſtfreundſchaft aufzunehmen, oder daß ſie die ſittſame Tochter höchſt verehrter Eltern, und eines unſerer treuſten und bewährteſten Staats¬ beamten in ihr Haus zu verlocken wußte. Der trau¬ rige, oder wenn wir wollen, glückliche Vorfall, der ſich hierauf ereignete, iſt bekannt. Uebrigens hätte es dieſes Vorfalls nicht bedurft; denn, wie die Er¬ ſcheinung des Commiſſars im ſelben Augenblick, jeden überzeugen ſollte, der Augen dafür hat, hatte die Polizei ſchon die Beweiſe in der Stille geſammelt, die jetzt ihr Einſchreiten rechtfertigten. Die Anweſen¬ heit einer oder mehrerer angeſehener Perſonen in dem Hauſe giebt zwar für diejenigen, welche am Argen Wohlgefallen haben, willkommene Nahrung. Wir laſſen ihnen dieſes Vergnügen, theilen aber mit jedem
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oder angeblichen Stande der Bewohnerin, und den
unverdächtigen Atteſten, welche dieſelbe von aus¬
wärtigen Obrigkeiten mitgebracht, Staaten, mit
denen unſere Regierung in Frieden lebt, war es
indeß unzuläſſig, auf bloßen Verdacht hin ein¬
zuſchreiten. Wer dies doch für gerechtfertigt hielte,
theilt nicht unſre Anſicht von dem, was einer wohl¬
geordneten Staatsbehörde obliegt. Dieſem Umſtande
iſt's zuzuſchreiben, daß es der gedachten Frau gelang,
unbefangene Gemüther zu täuſchen, wir wiſſen
kaum, was wir mehr bedauern ſollen, daß es ihr
gelang, einen durch ſeinen ſtrengen religiöſen Sinn
und ſeine Kanzelberedſamkeit gleich ausgezeichneten
Geiſtlichen mit ſeiner Familie in ihrem Hauſe, unter
dem Schilde der Gaſtfreundſchaft aufzunehmen, oder
daß ſie die ſittſame Tochter höchſt verehrter Eltern,
und eines unſerer treuſten und bewährteſten Staats¬
beamten in ihr Haus zu verlocken wußte. Der trau¬
rige, oder wenn wir wollen, glückliche Vorfall, der
ſich hierauf ereignete, iſt bekannt. Uebrigens hätte
es dieſes Vorfalls nicht bedurft; denn, wie die Er¬
ſcheinung des Commiſſars im ſelben Augenblick, jeden
überzeugen ſollte, der Augen dafür hat, hatte die
Polizei ſchon die Beweiſe in der Stille geſammelt,
die jetzt ihr Einſchreiten rechtfertigten. Die Anweſen¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/360>, abgerufen am 25.11.2024.
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