Civilist eben für eine junge Frau hingestellt zu haben schien. Die Dame warf dem Officier einen bösen Blick zu, den er aber nicht bemerkte, oder bemerken wollte, und der Civilist beeilte sich ihr einen andern Stuhl hinzusetzen, den sie aber nicht annahm, sondern ins Nebenzimmer eilte. "Sie irrten Sich, sagte die Dame, ich wollte mich gar nicht setzen, ich suchte meinen Mann."
Möglich daß nur zwei Augen, vermittelst einer vorgehaltenen Lorgnette diesen Auftritt bemerkt, der wie ein Lüftchen über den Wasserspiegel der Societät hinkräuselte, um am Ufer zu verschwinden. Aber am Ufer trieb und wühlte das Lüftchen weiter im aufge¬ lockerten Sande.
Der ihn bemerkte war ein Herr etwas über die mittleren Jahre hinaus, welcher eben eingetreten war und mit der Lorgnette die Gesellschaft erst zu mustern schien, ehe er sich ihr zeigte. Wir werden ihn näher kennen lernen.
Der sich auf den Stuhl warf war -- nur ein Ab¬ druck von Hunderten oder von Tausenden. Das wohlgeformte, volle Modell eines Kriegsgottes, den man vielleicht schön nennen können, wenn die Ueber¬ fülle der Gesundheit und Kraft in dem beinahe sechsfüßigen Körper etwas mehr Elasticität, und das volle rothe Gesicht unter den blonden Haaren und dem blonden Stutzbart weniger Sorglosigkeit und weniger Gutmüthigkeit verrathen hätte. Er war ein Mann, der seinem Mann stand, aber der militairische
I. 4
Civiliſt eben für eine junge Frau hingeſtellt zu haben ſchien. Die Dame warf dem Officier einen böſen Blick zu, den er aber nicht bemerkte, oder bemerken wollte, und der Civiliſt beeilte ſich ihr einen andern Stuhl hinzuſetzen, den ſie aber nicht annahm, ſondern ins Nebenzimmer eilte. „Sie irrten Sich, ſagte die Dame, ich wollte mich gar nicht ſetzen, ich ſuchte meinen Mann.“
Möglich daß nur zwei Augen, vermittelſt einer vorgehaltenen Lorgnette dieſen Auftritt bemerkt, der wie ein Lüftchen über den Waſſerſpiegel der Societät hinkräuſelte, um am Ufer zu verſchwinden. Aber am Ufer trieb und wühlte das Lüftchen weiter im aufge¬ lockerten Sande.
Der ihn bemerkte war ein Herr etwas über die mittleren Jahre hinaus, welcher eben eingetreten war und mit der Lorgnette die Geſellſchaft erſt zu muſtern ſchien, ehe er ſich ihr zeigte. Wir werden ihn näher kennen lernen.
Der ſich auf den Stuhl warf war — nur ein Ab¬ druck von Hunderten oder von Tauſenden. Das wohlgeformte, volle Modell eines Kriegsgottes, den man vielleicht ſchön nennen können, wenn die Ueber¬ fülle der Geſundheit und Kraft in dem beinahe ſechsfüßigen Körper etwas mehr Elaſticität, und das volle rothe Geſicht unter den blonden Haaren und dem blonden Stutzbart weniger Sorgloſigkeit und weniger Gutmüthigkeit verrathen hätte. Er war ein Mann, der ſeinem Mann ſtand, aber der militairiſche
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Civiliſt eben für eine junge Frau hingeſtellt zu haben
ſchien. Die Dame warf dem Officier einen böſen
Blick zu, den er aber nicht bemerkte, oder bemerken
wollte, und der Civiliſt beeilte ſich ihr einen andern
Stuhl hinzuſetzen, den ſie aber nicht annahm, ſondern
ins Nebenzimmer eilte. „Sie irrten Sich, ſagte die
Dame, ich wollte mich gar nicht ſetzen, ich ſuchte
meinen Mann.“
Möglich daß nur zwei Augen, vermittelſt einer
vorgehaltenen Lorgnette dieſen Auftritt bemerkt, der
wie ein Lüftchen über den Waſſerſpiegel der Societät
hinkräuſelte, um am Ufer zu verſchwinden. Aber am
Ufer trieb und wühlte das Lüftchen weiter im aufge¬
lockerten Sande.
Der ihn bemerkte war ein Herr etwas über die
mittleren Jahre hinaus, welcher eben eingetreten war
und mit der Lorgnette die Geſellſchaft erſt zu muſtern
ſchien, ehe er ſich ihr zeigte. Wir werden ihn näher
kennen lernen.
Der ſich auf den Stuhl warf war — nur ein Ab¬
druck von Hunderten oder von Tauſenden. Das
wohlgeformte, volle Modell eines Kriegsgottes, den
man vielleicht ſchön nennen können, wenn die Ueber¬
fülle der Geſundheit und Kraft in dem beinahe
ſechsfüßigen Körper etwas mehr Elaſticität, und das
volle rothe Geſicht unter den blonden Haaren und
dem blonden Stutzbart weniger Sorgloſigkeit und
weniger Gutmüthigkeit verrathen hätte. Er war ein
Mann, der ſeinem Mann ſtand, aber der militairiſche
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/63>, abgerufen am 21.11.2024.
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