denn der Brand war gelöscht, ehe die Nachtwächter Berlin in Allarm versetzten. Im Uebrigen wußte Nie¬ mand später über den Hergang klare Auskunft zu geben. Es lag auch in mancher Interesse, es im Dunkeln zu belassen. Die Entschlossensten hatten schnell ihre Damen fortgerissen, um den Abschied unbeküm¬ mert, nur Garderobe und Straße galt es erreichen. Wenn sie dem Feuerschaden auswichen, entgingen einige Damen dem des andern Elements nicht. Die Wassereimer, mit welchen die Diener ihnen entgegen¬ stürzten, verdarben manche Toilette. Das Gedränge kam einer Verstopfung nahe. Man sprach von Ohn¬ machten. Die ohnmächtig gesagten, leugneten es. Am Boden gelegen wollte Niemand haben, nur viel¬ leicht auf einem Stuhl. Viele ließen es sich nicht nehmen, daß die Wirthin wirklich im Gedränge ohn¬ mächtig geworden. Nach ihren eigenen Aeußerungen später konnte man es glauben, sie sprach von einem Schleier, der über sie gekommen, eine wohlthätige Macht hätte die Schreckensscene vor ihr verhüllt. Es wäre allerdings eine doppelte Schreckensscene für sie gewesen, wenn sie alle Urtheile wirklich hören müssen, welche in der Aufregung über sie und ihr Fest laut wurden.
Die erste Gerettete war die Baronin Eitelbach. Als ihr Gemahl sie in den Wagen heben wollte, rief sie aus: "Herr Gott, die Mamsell Alltag brennt ja."
Sie wollte zurück. Der Gemahl aber stieß sie
denn der Brand war gelöſcht, ehe die Nachtwächter Berlin in Allarm verſetzten. Im Uebrigen wußte Nie¬ mand ſpäter über den Hergang klare Auskunft zu geben. Es lag auch in mancher Intereſſe, es im Dunkeln zu belaſſen. Die Entſchloſſenſten hatten ſchnell ihre Damen fortgeriſſen, um den Abſchied unbeküm¬ mert, nur Garderobe und Straße galt es erreichen. Wenn ſie dem Feuerſchaden auswichen, entgingen einige Damen dem des andern Elements nicht. Die Waſſereimer, mit welchen die Diener ihnen entgegen¬ ſtürzten, verdarben manche Toilette. Das Gedränge kam einer Verſtopfung nahe. Man ſprach von Ohn¬ machten. Die ohnmächtig geſagten, leugneten es. Am Boden gelegen wollte Niemand haben, nur viel¬ leicht auf einem Stuhl. Viele ließen es ſich nicht nehmen, daß die Wirthin wirklich im Gedränge ohn¬ mächtig geworden. Nach ihren eigenen Aeußerungen ſpäter konnte man es glauben, ſie ſprach von einem Schleier, der über ſie gekommen, eine wohlthätige Macht hätte die Schreckensſcene vor ihr verhüllt. Es wäre allerdings eine doppelte Schreckensſcene für ſie geweſen, wenn ſie alle Urtheile wirklich hören müſſen, welche in der Aufregung über ſie und ihr Feſt laut wurden.
Die erſte Gerettete war die Baronin Eitelbach. Als ihr Gemahl ſie in den Wagen heben wollte, rief ſie aus: „Herr Gott, die Mamſell Alltag brennt ja.“
Sie wollte zurück. Der Gemahl aber ſtieß ſie
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0159"n="149"/>
denn der Brand war gelöſcht, ehe die Nachtwächter<lb/>
Berlin in Allarm verſetzten. Im Uebrigen wußte Nie¬<lb/>
mand ſpäter über den Hergang klare Auskunft zu<lb/>
geben. Es lag auch in mancher Intereſſe, es im<lb/>
Dunkeln zu belaſſen. Die Entſchloſſenſten hatten ſchnell<lb/>
ihre Damen fortgeriſſen, um den Abſchied unbeküm¬<lb/>
mert, nur Garderobe und Straße galt es erreichen.<lb/>
Wenn ſie dem Feuerſchaden auswichen, entgingen<lb/>
einige Damen dem des andern Elements nicht. Die<lb/>
Waſſereimer, mit welchen die Diener ihnen entgegen¬<lb/>ſtürzten, verdarben manche Toilette. Das Gedränge<lb/>
kam einer Verſtopfung nahe. Man ſprach von Ohn¬<lb/>
machten. Die ohnmächtig geſagten, leugneten es.<lb/>
Am Boden gelegen wollte Niemand haben, nur viel¬<lb/>
leicht auf einem Stuhl. Viele ließen es ſich nicht<lb/>
nehmen, daß die Wirthin wirklich im Gedränge ohn¬<lb/>
mächtig geworden. Nach ihren eigenen Aeußerungen<lb/>ſpäter konnte man es glauben, ſie ſprach von einem<lb/>
Schleier, der über ſie gekommen, eine wohlthätige<lb/>
Macht hätte die Schreckensſcene vor ihr verhüllt.<lb/>
Es wäre allerdings eine doppelte Schreckensſcene für<lb/>ſie geweſen, wenn ſie alle Urtheile wirklich hören<lb/>
müſſen, welche in der Aufregung über ſie und ihr<lb/>
Feſt laut wurden.</p><lb/><p>Die erſte Gerettete war die Baronin Eitelbach.<lb/>
Als ihr Gemahl ſie in den Wagen heben wollte,<lb/>
rief ſie aus: „Herr Gott, die Mamſell Alltag<lb/>
brennt ja.“</p><lb/><p>Sie wollte zurück. Der Gemahl aber ſtieß ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[149/0159]
denn der Brand war gelöſcht, ehe die Nachtwächter
Berlin in Allarm verſetzten. Im Uebrigen wußte Nie¬
mand ſpäter über den Hergang klare Auskunft zu
geben. Es lag auch in mancher Intereſſe, es im
Dunkeln zu belaſſen. Die Entſchloſſenſten hatten ſchnell
ihre Damen fortgeriſſen, um den Abſchied unbeküm¬
mert, nur Garderobe und Straße galt es erreichen.
Wenn ſie dem Feuerſchaden auswichen, entgingen
einige Damen dem des andern Elements nicht. Die
Waſſereimer, mit welchen die Diener ihnen entgegen¬
ſtürzten, verdarben manche Toilette. Das Gedränge
kam einer Verſtopfung nahe. Man ſprach von Ohn¬
machten. Die ohnmächtig geſagten, leugneten es.
Am Boden gelegen wollte Niemand haben, nur viel¬
leicht auf einem Stuhl. Viele ließen es ſich nicht
nehmen, daß die Wirthin wirklich im Gedränge ohn¬
mächtig geworden. Nach ihren eigenen Aeußerungen
ſpäter konnte man es glauben, ſie ſprach von einem
Schleier, der über ſie gekommen, eine wohlthätige
Macht hätte die Schreckensſcene vor ihr verhüllt.
Es wäre allerdings eine doppelte Schreckensſcene für
ſie geweſen, wenn ſie alle Urtheile wirklich hören
müſſen, welche in der Aufregung über ſie und ihr
Feſt laut wurden.
Die erſte Gerettete war die Baronin Eitelbach.
Als ihr Gemahl ſie in den Wagen heben wollte,
rief ſie aus: „Herr Gott, die Mamſell Alltag
brennt ja.“
Sie wollte zurück. Der Gemahl aber ſtieß ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/159>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.